Kündigung und Abberufung von Vorstandsmitgliedern

Möchten Sie sich als Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft (AG) über die rechtlichen Möglichkeiten und Voraussetzungen einer Kündigung informieren oder prüfen, ob ein Aufhebungsvertrag für Sie sinnvoll ist? Oder sind Sie als Gesellschafter bzw. Aufsichtsratsmitglied daran interessiert, welche rechtlichen Schritte und formellen Anforderungen bei der Abberufung oder Kündigung eines Vorstandsmitglieds zu beachten sind?

Der nachfolgende Artikel geht zunächst auf den rechtlichen Status (dazu unter 1.), die Abberufung (dazu unter 2.) und die Zuständigkeit einer Abberufung (dazu unter 3.) ein.

Im Anschluss werden häufige Fragen zu diesem Thema beantwortet (dazu unter 4.) und Sie finden eine Auswahl relevanter Rechtsprechung (dazu unter 5.).

1. Rechtlicher Status eines Vorstandsmitglieds

Den rechtlichen Status eines Vorstandsmitglieds einer AG kennzeichnet eine klare Trennung zwischen der Organstellung und dem Anstellungsvertrag. Diese Unterscheidung ist essenziell, da beide Bereiche unterschiedlichen rechtlichen Regelungen unterliegen und getrennt voneinander betrachtet werden müssen.

a) Organstellung als Vorstandsmitglied

Die Organstellung eines Vorstandsmitglieds wird durch die Bestellung zum Organ der Aktiengesellschaft gemäß § 84 Abs. 1 Aktiengesetz (AktG) begründet. Durch die wirksame Bestellung folgen Rechte und Pflichten wie beispielsweise:

  • Leitung der AG (§ 76 AktG),
  • Geschäftsführung der AG (§ 77),
  • Organschaftliche Vertretung der AG (§ 78),
  • Berichterstattung bei Aufsichtsrat (§ 90).

b) Anstellungsvertrag des Vorstandsmitglieds

Neben der Organstellung besteht zwischen dem Vorstandsmitglied und der Gesellschaft in der Regel ein Dienstvertrag (vgl. §§ 611 ff. BGB). Dieser regelt die konkreten Rechte und Pflichten, insbesondere

  • Vergütung,
  • Arbeitszeit und
  • Kündigungsmodalitäten.

Der Anstellungsvertrag ist unabhängig von der Organstellung und bleibt auch nach der Abberufung als Vorstandsmitglied grundsätzlich bestehen, sofern er nicht separat gekündigt wird. Die maximale Dauer des Anstellungsvertrages beträgt fünf Jahre. Unbefristete Anstellungsverträge sind insofern unzulässig (NK-ArbR/Pusch/Daub AktG § 84 Rn. 49).

2. Abberufung und Beendigung Anstellungsvertrag

a) Abberufung als Organmitglied

Ein Vorstandsmitglied kann durch Beschluss des Aufsichtsrats jederzeit abberufen werden. Allerdings ist eine Abberufung nur aus wichtigem Grund zulässig (§ 84 AktG).

Wichtige Gründe sind beispielsweise:

Grobe Pflichtverletzungen (Etwa Verstöße gegen Compliance-Vorgaben oder das Gesetz)

Beispiel:

  • Dringender Verdacht einer Straftat, insbesondere Untreue (§ 266 StGB) zum Nachteil der Aktiengesellschaft, auch im Zusammenhang mit privaten Angelegenheiten
  • Manipulation oder unrichtige Darstellung von Jahresabschlüssen und Bilanzen
  • Unterlassung der Einrichtung eines gesetzlich vorgeschriebenen Risikofrüherkennungssystems (§ 91 Abs. 2 AktG)
  • Annahme oder Gewährung von Vorteilen im Sinne von Bestechung oder Bestechlichkeit (§§ 299, 331 ff. StGB)
  • Verwicklung in korrupte Handlungen, die den Interessen der Aktiengesellschaft schaden
  • Schädigung der Aktiengesellschaft durch außerdienstliches Verhalten, das sich negativ auf die Reputation oder die wirtschaftlichen Interessen der Gesellschaft auswirkt
  • Missachtung von Zustimmungsvorbehalten oder Beschlüssen des Aufsichtsrats (§ 111 Abs. 4 AktG)

Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung (Vorstandsmitglied ist nicht mehr in der Lage, seine Aufgaben im Interesse und zum Wohl der Gesellschaft ordnungsgemäß zu erfüllen)

Dies kann insbesondere in folgenden Fällen vorliegen:

  • Fehlende fachliche Eignung
  • Persönliche Unzuverlässigkeit (iSd. Gewerberechts)
  • Lang andauernde Erkrankung
  • Abhängigkeitserkrankungen (Alkohol- oder Drogensucht)

Vertrauensentzug (muss objektiv nachvollziehbar sein und darf nicht auf offenbar unsachlichen Gründen beruhen)

  • Sachlich ist der Vertrauensentzug jedenfalls dann, wenn zwischen der Hauptversammlung und dem betreffenden Vorstandsmitglied gänzlich unterschiedliche Auffassungen über die zukünftige Unternehmensausrichtung bestehen.
  • Unsachlich ist der Vertrauensentzug, wenn der Vertrauensentzug nur als Vorwand dient, willkürlich oder wegen des damit verfolgten Zwecks rechtswidrig ist.
  • Für den Vertrauensentzug erforderlich ist ein Beschluss der Hauptversammlung, der keiner Begründung bedarf.

b) Beendigung des Anstellungsvertrags

Die Kündigung des Anstellungsvertrags und der Widerruf der Bestellung sind getrennt voneinander zu betrachten (sog. Trennungsprinzip; ErfK/Niemann BGB § 626 Rn. 11).

Die Abberufung als Vorstandsmitglied beendet nicht automatisch den Anstellungsvertrag. Dieser richtet sich nach den vertraglichen Vereinbarungen und allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen. Vorstandsmitglieder sind keine Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsrechts. Sie fallen daher unter anderem nicht unter das Kündigungsschutzgesetz (KSchG). Eine ordentliche Kündigung ist in der Regel ausgeschlossen, wenn der Vertrag eine feste Laufzeit hat. Eine fristlose Kündigung ist hingegen möglich, sofern ein wichtiger Grund vorliegt (§ 626 BGB). Die Anforderungen an das Vorliegen eines wichtigen Grundes sind relativ gering, da zwischen dem Vorstand und dem Aufsichtsrat ein besonderes Vertrauensverhältnis bestehen muss (ErfK/Niemann BGB § 626 Rn. 11).

Die Trennung zwischen Organstellung und Anstellungsvertrag macht eine sorgfältige rechtliche Prüfung und Gestaltung unverzichtbar, um rechtliche Risiken für beide Seiten zu minimieren.

Merke

Ein wichtiger Grund liegt vor bei:

  • grober Pflichtverletzung,
  • Unfähigkeit zur ordnungsmäßigen Geschäftsführung oder
  • Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung

Ausnahme: Vertrauen wurde aus offenbar unsachlichen Gründen entzogen!

3. Zuständigkeit des Aufsichtsrates

Der Aufsichtsrat ist für den Widerruf der Bestellung eines Vorstandsmitglieds zuständig (§ 84 Abs. 3 AktG). Diese Zuständigkeit umfasst sowohl die Entscheidung über die Abberufung als auch die Prüfung, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Widerruf vorliegen.

Ein Widerruf der Bestellung kann nur durch einen Beschluss des Gesamtaufsichtsrats erfolgen. Dabei ist zu beachten, dass der Beschluss ordnungsgemäß in einer Sitzung des Aufsichtsrats gefasst werden muss, die den Anforderungen des § 108 AktG entspricht. Insbesondere muss die Sitzung beschlussfähig sein, was in der Regel die Anwesenheit der Mehrheit der Mitglieder des Aufsichtsrats voraussetzt (§ 108 Abs. 2 AktG).

Bis zur Eintragung und Bekanntmachung der Änderung des Vorstands im Handelsregister sind Dritte geschützt (§ 15 Abs. 1 HGB).

Zusätzlich ist zu beachten, dass der Aufsichtsrat im Rahmen seiner Entscheidung sorgfältig die Interessen der Gesellschaft, die rechtlichen Anforderungen sowie das besondere Vertrauensverhältnis zwischen Vorstand und Aufsichtsrat abwägen muss.

Merke

MERKE: § 84 Abs. 4 Aktiengesetz

“Der Aufsichtsrat kann die Bestellung zum Vorstandsmitglied und die Ernennung zum Vorsitzenden des Vorstands widerrufen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt.”

4. Häufige Fragen zum Thema Kündigung von Vorstandsmitgliedern

a) Kann ein Vorstandsmitglied jederzeit abberufen werden?

Ja, ein Vorstandsmitglied kann gemäß § 84 Abs. 3 AktG jederzeit durch den Aufsichtsrat abberufen werden. Allerdings ist hierfür ein wichtiger Grund erforderlich, wie zum Beispiel eine grobe Pflichtverletzung.

b) Beendet die Abberufung automatisch den Anstellungsvertrag?

Nein, die Abberufung als Organmitglied beendet nicht automatisch den zugrunde liegenden Anstellungsvertrag. Dieser bleibt bestehen, sofern er nicht separat gekündigt oder durch einen Aufhebungsvertrag beendet wird.

c) Was passiert, wenn die Kündigung unwirksam ist?

Eine unwirksame Kündigung kann dazu führen, dass das Vorstandsmitglied Anspruch auf Weiterbeschäftigung oder Schadensersatz hat. Zudem können finanzielle Forderungen, wie beispielsweise ausstehende Vergütungen, geltend gemacht werden.

d) Welche Rolle spielt der Aufsichtsrat bei der Kündigung?

Der Aufsichtsrat ist das Organ, das für die Abberufung eines Vorstandsmitglieds zuständig ist. Er muss die rechtlichen Voraussetzungen prüfen und die Abberufung durch einen wirksamen formellen Beschluss umsetzen.

e) Kann ein Vorstandsmitglied sein Amt niederlegen?

Ja, Vorstandsmitglieder können auch durch einseitige Erklärung ihr Amt niederlegen.

f) Welche Kündigungsfrist gilt bei einer fristlosen Kündigung?

Die Kündigung muss innerhalb von zwei Wochen erfolgen, nachdem der Kündigungsberechtigte Kenntnis von den für die Kündigung maßgeblichen Tatsachen erlangt hat (§ 626 BGB). Der Kündigungsberechtigte ist in diesem Fall der Aufsichtsrat.

g) Was ist eine sog. Kopplungsklausel?

Kopplungsklauseln knüpfen das Schicksal der Anstellung des Vorstandsmitglieds an das der Organstellung. Sie können beispielsweise regeln, dass die Abberufung des Vorstandsmitglieds die auflösende Bedingung für das Anstellungsverhältnis ist, so dass das Anstellungsverhältnis ohne eine zusätzliche Kündigungserklärung endet.

h) Haben Sie weitere Fragen?

Bei weiteren Fragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.

5. Rechtsprechung zum Thema Kündigung von Vorstandsmitgliedern

  • Der Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung stellt nach § 84 Abs. 3 Satz 2 AktG grundsätzlich einen wichtigen Grund für die Abberufung eines Vorstandsmitglieds dar, sofern dieser nicht aus offenbar unsachlichen Gründen erfolgt – wobei die Beweislast hierfür beim Vorstandsmitglied liegt. Eine Begründung des Vertrauensentzugs ist nicht erforderlich, ebenso wenig ist die vorherige Anhörung des Vorstandsmitglieds Wirksamkeitsvoraussetzung für dessen Abberufung (BGH 15.11.2016 – II ZR 217/15).
  • Ein Vorstandsmitglied einer rechtsfähigen Stiftung kann nicht frei aus einfachen Sachgründen abberufen werden, wenn die Stiftungssatzung dies nicht vorsieht. Es bedarf dann eines wichtigen Grundes. Ist die freie Abberufung des Vorstands einer Stiftung nicht vorgesehen, kann die Auslegung des konkludent geschlossenen Anstellungsvertrages ergeben, dass auch dieser nicht ordentlich kündbar ist (OLG Hamm 08.05.2017 – I-8 U 86/16).
  • Nichtbeantwortung von Fragen des Aufsichtsratsvorsitzenden kann wegen Verstoß gegen das Offenheitsgebot gegenüber dem Aufsichtsrat und Zerstörung des Vertrauensverhältnisses zur Abberufung bzw. Widerruf der Bestellung eines Vorstandsmitglieds berechtigen (OLG München 14.03.2012 – 7 U 681/11).
  • Der Aufsichtsrat kann die Bestellung eines Vorstandsmitglieds gemäß § 84 AktG widerrufen, sofern ein wichtiger Grund vorliegt, wie etwa eine tiefgreifende Störung des Vertrauensverhältnisses zu den Kollegen im Vorstand oder zum Aufsichtsrat. Die Anforderungen hierfür sind jedoch hoch; allein die Tatsache, dass das Vorstandsmitglied ausschließlich über seinen Anwalt kommuniziert oder gerichtliche Hilfe gegen einen Aufsichtsratsbeschluss in Anspruch nimmt, reicht hierfür nicht aus (OLG München 28.04.2016 – 23 U 2314/15).
  • Die Forderung der Hausbank, ein bestimmtes Vorstandsmitglied abzuberufen, andernfalls eine für die Aktiengesellschaft lebenswichtige Kreditlinie nicht verlängert werde, ist jedenfalls bei bestehender Insolvenzreife der Gesellschaft ein wichtiger Grund für eine Abberufung iSd. § 84 Abs. 3 Satz 1 AktG (BGH 23.10.2006 – II ZR 298/05).

Wenn Sie die rechtlichen Voraussetzungen für die Kündigung eines Vorstandsmitglieds prüfen lassen möchten oder Unterstützung bei der Gestaltung eines Aufhebungsvertrags benötigen, stehe ich Ihnen jederzeit gern zur Verfügung.