Berufung gegen Urteile des Arbeitsgerichts

Haben Sie einen Gerichtsprozess in erster Instanz vor dem Arbeitsgericht verloren? Waren Sie anwaltlich nicht vertreten oder mit Ihrem Anwalt unzufrieden? 

Ein verlorener Prozess vor dem Arbeitsgericht ist kein endgültiges Urteil. Wer mit der Entscheidung nicht einverstanden ist – etwa weil wichtige Argumente übergangen wurden oder die rechtliche Würdigung nicht überzeugt –, kann unter bestimmten Voraussetzungen Berufung einlegen. Auch wenn Sie in der ersten Instanz ohne Anwalt oder mit einer wenig engagierten Vertretung unterlegen sind, haben Sie noch die Möglichkeit, sich in der zweiten Instanz gezielt und kompetent vertreten zu lassen.

Der nachfolgende Artikel geht zunächst darauf ein was eine Berufung im Arbeitsrecht ist (dazu unter 1.), wann diese zulässig ist (dazu unter 2.) und warum sie sich oftmals lohnt (dazu unter 3.) ein.

Im Anschluss wird der Ablauf einer Berufung erläutert sowie (dazu unter 4.). häufige Fragen zu diesem Thema beantwortet (dazu unter 5.).

1. Was ist eine Berufung im Arbeitsrecht?

Die Berufung ist ein Rechtsmittel gegen Urteile des Arbeitsgerichts in erster Instanz. Sie eröffnet eine zweite Tatsacheninstanz vor dem Landesarbeitsgericht. Das bedeutet: Das Urteil wird sowohl in rechtlicher als auch in tatsächlicher Hinsicht überprüft. Es können also nicht nur

  • rechtliche Fehler,
  • sondern auch fehlerhafte Beweiswürdigung oder
  • eine unvollständige Sachverhaltsaufklärung angegriffen werden.

Zuständig für die Berufung: Das Landesarbeitsgericht (LAG), in dessen Bezirk das erstinstanzliche Arbeitsgericht liegt.

Beispiel:

  • 1. Instanz: Arbeitsgericht Hamburg → Berufung an: LAG Hamburg
  • 1. Instanz: Arbeitsgericht Berlin → Berufung an: LAG Berlin-Brandenburg
  • 1. Instanz: Arbeitsgericht Freiburg → Berufung an: LAG Baden-Württemberg
  • 1. Instanz: Arbeitsgericht Ingolstadt → Berufung an: LAG München
  • 1. Instanz: Arbeitsgericht Frankfurt am Main → Berufung an: LAG Hessen

Merke

Zuständigkeit bei Berufungen im Arbeitsrecht:

Das LAG im Bezirk des erstinstanzlichen Arbeitsgerichts. 

2. Wann ist eine Berufung möglich?

Eine Berufung kann nur eingelegt werden (§ 64 Abs. 2 ArbGG), wenn:

  • sie im Urteil zugelassen wurde,
  • der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 EUR übersteigt,
  • es sich um Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses handelt, oder
  • gegen ein Versäumnisurteil, bei dem ein Einspruch unzulässig ist, sofern die Berufung darauf gestützt wird, dass kein Fall der schuldhaften Versäumung vorlag.

Die Berufung dient der Überprüfung der Urteile der Arbeitsgerichte durch das LAG in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht. Sie hat Suspensiveffekt, das heißt, die fristgerechte Einlegung verhindert das Eintreten der formellen Rechtskraft des Urteils, und Devolutiveffekt, wodurch das Verfahren in der nächsthöheren Instanz fortgesetzt wird.

Neuer Tatsachenvortrag ist nur eingeschränkt im Rahmen des § 67 ArbGG zulässig.

Merke

Voraussetzungen für Berufung: 

  1. Im Urteil zugelassen,
  2. Wert des Beschwerdegegenstands übersteigt EUR 600,
  3. Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses

3. Warum lohnt sich eine Berufung oft?

Viele Mandanten erleben in der ersten Instanz, dass ihr Anwalt zu wenig vorbereitet war, rechtliche Schwerpunkte falsch gesetzt wurden oder schlicht keine fundierte Argumentation erfolgte. Insbesondere, wenn Sie als Arbeitnehmer allein oder mit wenig Erfahrung in die Verhandlung gegangen sind, ist es möglich, dass wichtige rechtliche Aspekte nicht berücksichtigt wurden.

Eine Berufung bietet:

  • Neue Chancen durch bessere anwaltliche Strategie

  • Korrektur von Fehlern der ersten Instanz

  • Vertiefte rechtliche Auseinandersetzung

  • Größere Distanz und Unabhängigkeit des Landesarbeitsgerichts

Gerade in Kündigungsschutzprozessen kann die zweite Instanz entscheidend sein, wenn das Arbeitsgericht etwa die soziale Rechtfertigung der Kündigung falsch bewertet hat oder bei der Beweisaufnahme Fehler gemacht wurden.

Merke

Vor dem LAG besteht Anwaltszwang (§ 11 Abs. 4 ArbGG).

4. Ablauf einer Berufung

Im arbeitsgerichtlichen Verfahren gelten besondere Fristen und Formerfordernisse:

  • Berufung einlegen (durch Rechtsanwalt):
    Die Berufung muss innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim LAG eingelegt werden (§ 66 Abs. 1 ArbGG). Die Berufung ist schriftlich durch einen Anwalt einzureichen; eine eigenhändige Einlegung durch die Partei ist – anders als in der ersten Instanz – nicht zulässig (§ 11 Abs. 4 ArbGG).

    • Beispiel: Wurde das Urteil am 10. Juni zugestellt, muss die Berufung spätestens am 10. Juli beim LAG eingehen.  

  • Berufungsbegründung:
    Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils muss die Berufung begründet werden (§ 66 Abs. 1 Satz 2 ArbGG). Die Berufungsbegründung muss sich inhaltlich mit dem erstinstanzlichen Urteil auseinandersetzen. Sie muss konkret benennen, aus welchen Gründen das Urteil fehlerhaft sein soll – also z. B. aufgrund von falscher Sachverhaltswürdigung oder unzutreffender rechtlicher Bewertung.

  • Berufungsverhandlung:
    Das LAG entscheidet nach mündlicher Verhandlung – in der Regel mit einem Berufsrichter und zwei ehrenamtlichen Richtern (§ 35 ArbGG). Die ehrenamtlichen Richter werden je zur Hälfte aus den Kreisen der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber entnommen. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung können beide Parteien ihre Argumente nochmals darlegen, und das Gericht stellt Rückfragen. Gelegentlich schlägt das Gericht auch einen Vergleich vor, um den Streit beizulegen.

Merke

Wichtige Fristen:

Berufungsschrift: Ein Monat nach Zustellung des Urteils

Berufungsbegründung: Zwei Monate nach Zustellung des Urteils

5. Häufige Fragen zum Thema Berufung gegen Arbeitsgerichtsurteile

a) Kann ich in der Berufung neue Argumente oder Beweise vorbringen?

Ja – aber nur eingeschränkt. Neue Tatsachen und Beweise müssen nach § 67 ArbGG unverzüglich vorgebracht werden und dürfen nicht auf Nachlässigkeit beruhen.

b) Muss ich mich in der Berufung von einem Anwalt vertreten lassen?

Ja, vor dem Landesarbeitsgericht besteht Anwaltszwang (§ 11 Abs. 4 ArbGG). Sie benötigen einen zugelassenen Rechtsanwalt.

c) Was kostet die Berufung?

Die Gerichtskosten richten sich nach dem Streitwert. Die Anwaltskosten müssen – auch bei Obsiegen – selbst getragen werden. Wir klären Sie selbstverständlich vorab über alle Kosten auf.

d) Was passiert, wenn ich die Frist versäume?

Dann wird das Urteil rechtskräftig. Nur in Ausnahmefällen ist eine Wiedereinsetzung möglich (§§ 233 ff. ZPO), etwa bei unverschuldetem Fristversäumnis.

e) Gibt es auch eine Revision gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts?

Ja – aber nur, wenn das LAG die Revision zugelassen hat oder eine Nichtzulassungsbeschwerde beim BAG Erfolg hat (§ 72 ff. ArbGG).

Dr. Daniel Weigert, LL.M. (Lund)

Rechtsanwalt · Fachanwalt für Arbeitsrecht
MBA
Data Protection Risk Manager
Wirtschaftsmediator (IHK)
Negotiator (EBS) · Negotiation Master Class (Harvard)

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