Anwaltshaftung

Möchten Sie sich über mögliche Schadensersatzansprüche gegenüber Ihrem ehemaligen Anwalt informieren – etwa, weil Sie durch eine unzureichende Beratung, Versäumnisse bei Fristen oder strategische Fehlentscheidungen einen finanziellen Nachteil erlitten haben?
Wir zeigen Ihnen, welche rechtlichen Schritte bei anwaltlicher Pflichtverletzung in Betracht kommen und wie Sie materielle Regressforderungen durchsetzen können.

Bitte beachten Sie: Nicht gemeint sind Fälle, in denen Sie lediglich mit einer Anwaltsrechnung unzufrieden sind oder sich über die Höhe der Gebühren ärgern. Diese Seite befasst sich ausschließlich mit Schadensersatzansprüchen gegen Anwälte wegen Pflichtverletzungen, etwa bei Falschberatung oder Prozessverlusten aufgrund grober anwaltlicher Fehler.

Im folgenden Artikel erfahren Sie zunächst, was Anwaltshaftung bedeutet (dazu unter 1.), was eine Falsch- bzw. Schlechtberatung eines Anwalts ausmacht (dazu unter 2.), welche typischen Beispielfälle es hierzu gibt (dazu unter 3.) und welche möglichen Schritte gegen Anwälte in Betracht kommen (dazu unter 4.).

Im Weiteren werden häufige Fragen zum Thema Anwaltshaftung beantwortet (dazu unter 5.) und relevante Rechtsprechung hierzu dargestellt (dazu unter 6.).

1. Was ist eine Anwaltshaftung?

Die Anwaltshaftung beschreibt die rechtliche Verantwortung eines Rechtsanwalts für Schäden, die einem Mandanten oder einem schutzwürdigen Dritten aufgrund einer Pflichtverletzung entstehen.

Es existiert kein eigenständiges Anwaltshaftungsrecht. Die Haftung basiert auf allgemeinen zivilrechtlichen Vorschriften (insbesondere §§ 280, 611, 675 BGB, §§ 43 ff. BRAO).

a) Was ist die Rechtsnatur des Anwaltsvertrages?

Der Anwaltsvertrag wird in der Regel als Dienstvertrag eingeordnet, da der Anwalt keinen bestimmten Erfolg schuldet, sondern die ordnungsgemäße Erbringung seiner Leistungen. In Ausnahmefällen, etwa bei der Erstellung eines Gutachtens, kann der Vertrag als Werkvertrag qualifiziert werden. Ob ein Anwaltsvertrag als Dienst- oder als Werkvertrag einzuordnen ist, muss stets im Einzelfall ermittelt werden.

Die Hauptpflichten eines Anwaltsvertrages wurden von der Rechtsprechung dahingehend konkretisiert, dass der Rechtsanwalt den Mandanten umfassend und erschöpfend belehren muss (BGH 20.10.1994 – IX ZR 116/93).

b) Wann liegt eine Pflichtverletzung vor?

Die Anwaltshaftung greift nur, wenn der Mandant durch eine Pflichtverletzung des Anwalts einen konkreten Schaden erleidet. Die vom Anwalt zu beachtenden Pflichten ergeben sich maßgeblich aus dem Inhalt des konkreten Mandats. Der Anwalt ist verpflichtet, dem Mandanten

  • die Schritte zu empfehlen, die geeignet sind, das angestrebte Ziel zu erreichen, und
  • dabei vorhersehbare sowie vermeidbare Nachteile für den Mandanten abzuwenden.

Zu den zentralen berufsrechtlichen Pflichten eines Anwalts gehören unter anderem (§§ 43 BRAO):

  • Verschwiegenheitspflicht (§ 43a Abs. 2 BRAO):
    Anwälte sind zur Verschwiegenheit über alle ihnen anvertrauten Informationen oder bekannt gewordenen Tatsachen verpflichtet, sofern diese nicht offenkundig sind oder ihre Offenlegung gesetzlich vorgeschrieben ist.
  • Pflicht zur Unabhängigkeit (§ 43a Abs. 1 BRAO):

Anwälte müssen ihre berufliche Tätigkeit unabhängig von Weisungen und fremden Einflüssen ausüben.

  • Pflicht zur Vermeidung von Interessenkonflikten (§ 43a Abs. 4 BRAO):

Anwälte dürfen keine Mandate übernehmen, bei denen ein Interessenkonflikt besteht.

  • Pflicht zur Vertretung der Interessen des Mandanten (§ 43a Abs. 3 BRAO):

Anwälte müssen die Interessen ihrer Mandanten mit der gebotenen Sorgfalt und Loyalität vertreten.

Merke

Die Anwaltshaftung setzt unter anderem voraus, dass dem Mandanten ein konkreter Schaden, der auf der Pflichtverletzung des Anwalts beruht, entstanden ist! Die Beweislast liegt beim Mandanten.  

c) Weitere Beratungspflichten des Anwalts

Der Anwalt hat seinem Mandanten den nach den Umständen sichersten und risikolosesten Weg aufzuzeigen und ihn umfassend über mögliche Risiken zu informieren, damit dieser in die Lage versetzt wird, eine sachgerechte und fundierte Entscheidung zu treffen (BGH 4.06.1996 – IX ZR 51/95). Das bedeutet, dass der Anwalt im Falle mehrerer Handlungsalternativen den Weg mit dem geringsten Risiko für den Mandanten wählen soll.

Besondere Beratungspflichten obliegen dem Anwalt im Zusammenhang mit dem Abschluss eines Vergleichs. In diesem Kontext ist

  • eine sorgfältige Risikoanalyse sowie
  • eine umfassende Abwägung der Vor- und Nachteile des Vergleichs erforderlich.

Dabei ist der Anwalt verpflichtet, den Mandanten über die rechtlichen und wirtschaftlichen Konsequenzen des Vergleichs aufzuklären. Hinsichtlich etwaiger Prognosen über den Ausgang des Rechtsstreits, die sich im Nachhinein als unzutreffend erweisen, trifft den Anwalt jedoch keine Haftung, sofern diese Prognosen auf einer sorgfältigen und fundierten Einschätzung beruhen (NK-BGB/Jürgen vom Stein BGB Anh. § 630 Rn. 38).

2. Falsch- bzw. Schlechtberatung: Unterschied

Eine Falschberatung liegt vor, wenn ein Anwalt seine vertraglichen Pflichten verletzt und der Mandant dadurch in eine nachweislich schlechtere rechtliche Position versetzt wird. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn der Mandant ohne den Fehler des Anwalts den Rechtsstreit voraussichtlich gewonnen hätte und dem Mandanten hierdurch ein nachweisbarer Schaden entstanden ist. In solchen Fällen haftet der Anwalt gegenüber seinem Mandanten für den Schaden.

Davon abzugrenzen ist die sogenannte Schlechtberatung. Nicht jede als „schlecht“ empfundene anwaltliche Leistung begründet automatisch eine Haftung. Eine Schlechtberatung liegt vor, wenn die anwaltliche Leistung zwar nicht optimal oder unterdurchschnittlich ist, jedoch noch im Rahmen des rechtlich Vertretbaren bleibt und es an einer Pflichtverletzung fehlt, die für eine Haftung erforderlich wäre.

Merke

Nicht jede “falsche” Beratung eines Anwalts ist zugleich eine Schlechtberatung!

3. Typische Beispielfälle zum Thema Anwaltshaftung

Die Rechtsprechung zur Anwaltshaftung ist umfangreich, und typische Haftungsfälle umfassen beispielsweise:

  • Fristversäumnis: Anwalt zur sorgfältigen Fristenkontrolle verpflichtet. Bei unwichtigen, routinemäßigen Pflichten Delegation auf das Personal – bei entsprechender Überwachung – möglich.
  • Fehlerhafte Beratung: Unzureichende Aufklärung über rechtliche Risiken oder Alternativen.
  • Verstoß gegen Beweissicherungspflicht (Beispiel: Keine Einleitung eines selbstständigen Beweisverfahrens).
  • Versäumen von Maßnahmen zur Sicherung vor Verjährung
  • Sachvortrag im gerichtlichen Prozess nicht umfassend und hinreichend substantiiert gestaltet
  • Verletzung der Warnpflicht: Der Anwalt unterlässt es, den Mandanten vor vorhersehbaren Risiken zu warnen.
  • Versäumen über Rechtsmittelmöglichkeiten aufzuklären, selbst wenn Anwalt ein Rechtsmittel für aussichtslos hält.

4. Mögliche Ansprüche gegen Anwälte

Wenn Sie von Ihrem Anwalt falsch beraten wurden, stehen Ihnen verschiedene rechtliche Möglichkeiten offen, um dagegen vorzugehen und eine Entschädigung zu erhalten. Dazu zählen insbesondere:

  • Schadensersatzanspruch:

Sie können einen Schadensersatzanspruch geltend machen, wenn ein kausaler Zusammenhang zwischen der fehlerhaften Beratung und Ihrem Schaden besteht. Der Mandant muss darlegen, dass der Schaden durch die Pflichtverletzung verursacht wurde.

  • Regressanspruch:

Falls Sie durch die fehlerhafte Beratung einen Rechtsstreit verloren haben und Schadensersatz an die Gegenseite leisten mussten, können Sie unter Nachweis eines schuldhaften Beratungsfehlers Regressansprüche gegen den Anwalt erheben.

  • Disziplinarische Maßnahmen:

Bei schwerwiegenden oder wiederholten Pflichtverletzungen kann ein berufsrechtliches Verfahren bei der zuständigen Anwaltskammer eingeleitet werden.

5. Häufige Fragen zum Thema Anwaltshaftung

a) Kann ein Anwalt für einen verlorenen Prozess haftbar gemacht werden?

Nein, ein Anwalt haftet nicht für den Ausgang eines Prozesses, sondern nur für Fehler, die den Mandanten in eine nachweislich schlechtere rechtliche Position bringen.

b) Wie lange habe ich Zeit, um Ansprüche gegen einen Anwalt geltend zu machen?

Die Verjährungsfrist beträgt drei Jahre ab Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis der Pflichtverletzung (§ 199 BGB).

c) Welche Rolle spielt die Berufshaftpflichtversicherung?

Rechtsanwälte sind verpflichtet, eine Berufshaftpflichtversicherung abzuschließen (§ 51 BRAO). Diese schützt sowohl den Anwalt als auch den Mandanten vor den finanziellen Folgen von Haftungsfällen.

d) Was passiert, wenn der Anwalt den sichersten Weg nicht wählt?

Ein Anwalt ist verpflichtet, den sichersten Weg zur Zielerreichung zu empfehlen. Wählt er stattdessen einen riskanteren Weg und entsteht dem Mandanten dadurch ein Schaden, kann dies im Einzelfall eine Haftung begründen.

e) Wie kann ich nachweisen, dass mein Anwalt einen Fehler gemacht hat?

Um eine Pflichtverletzung nachzuweisen, müssen Sie belegen, dass der Anwalt seine Sorgfaltspflichten verletzt hat und Ihnen dadurch ein konkreter Schaden entstanden ist.

f) Was kostet ein Verfahren zur Anwaltshaftung?

Die Kosten eines Verfahrens hängen vom Streitwert ab. In der Regel umfassen sie Gerichtsgebühren, Anwaltskosten und eventuell Sachverständigenkosten.

g) Haben Sie weitere Fragen?

Bei weiteren Fragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.

6. Rechtsprechung zum Thema Anwaltshaftung

  • Der Anwalt muss dem Mandanten nicht notwendig eine vollständige rechtliche Analyse, sondern allein die Hinweise liefern, die ihm im Hinblick auf die aktuelle Situation und sein konkretes Anliegen die notwendige Entscheidungsgrundlage vermitteln. Erscheint unter mehreren rechtlich möglichen Alternativen die eine deutlich vorteilhafter als die andere, hat der Anwalt darauf hinzuweisen und eine entsprechende Empfehlung zu erteilen. (…) Dem Mandanten, der einen richtigen Vorschlag des Anwalts ablehnt, kommt im Haftungsprozess die Vermutung beratungsgemäßen Verhaltens nicht zugute (BGH 01.03.2007 – IX ZR 261/03).
  • Unterlässt es der Berufungsanwalt, auf ein die Rechtsauffassung seines Mandanten stützendes Urteil des Bundesgerichtshofs hinzuweisen, und verliert der Mandant deshalb den Prozess, wird der Zurechnungszusammenhang zwischen dem Anwaltsfehler und dem dadurch entstandenen Schaden nicht deshalb unterbrochen, weil auch das Gericht die Entscheidung des Bundesgerichtshofs übersehen hat (BGH 18.12.2008 – IX ZR 179/07).
  • Schließt der Mandant einen Vergleich, weil ihn sein Rechtsanwalt über dessen Inhalt unzureichend aufgeklärt hat, so kann sein Anspruch auf Schadensersatz nicht unter dem Gesichtspunkt des Schutzzwecks der verletzten Pflicht auf die Differenz zu der Vermögenslage beschränkt werden, die er – nicht aber die Gegenpartei – als Inhalt des Vergleichs akzeptiert hätte (BGH, 15.01.2009 – IX ZR 166/07).
  • Eine Rechtsanwaltssozietät ist auch dann verpflichtet, über die Erfolgsaussichten eines von der Mandantin beabsichtigten Rechtsstreits zu belehren, wenn das Mandat von einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung erteilt worden ist, deren Geschäftsführer und Gesellschafter selbst Rechtsanwälte und Mitglieder der beauftragten Sozietät sind. Auch in diesem Fall kann vermutet werden, die Mandantin hätte sich bei pflichtgemäßer Belehrung beratungsgerecht verhalten und wäre dem anwaltlichen Rat gefolgt (BGH 10.05.2012 – IX ZR 125/10).
  • Die Pflicht des Rechtsanwalts zur Beratung des Mandanten über die Erfolgsaussichten einer in Aussicht genommenen Rechtsverfolgung besteht unabhängig davon, ob der Mandant rechtsschutzversichert ist oder nicht. (…) verändert sich die rechtliche oder tatsächliche Ausgangslage im Laufe des Verfahrens, muss der Rechtsanwalt seinen Mandanten über eine damit verbundene Verschlechterung der Erfolgsaussichten aufklären (BGH 16.09.2021 – IX ZR 165/19).
  • Erhebt ein Rechtsanwalt hinsichtlich eines verjährten Anspruchs pflichtwidrig eine aussichtslose Klage, so liegt in der Einlegung eines Rechtsmittels gegen ein die Klage abweisendes Urteil keine einen neuen Schadensersatzanspruch auslösende Pflichtwidrigkeit, sondern lediglich ein auf der ursprünglichen rechtlichen Fehleinschätzung beruhendes weiteres Versäumnis, das – in unverjährter Zeit – die Anknüpfung für eine Sekundärhaftung bilden kann (BGH 03.02.2011 – IX ZR 105/10).

Wurden Sie von Ihrem Anwalt falsch beraten und möchten Ihre Rechte durchsetzen? Wir unterstützen Sie gerne bei der rechtlichen Prüfung und Durchsetzung von Ansprüchen aus Anwaltshaftung gegen Ihren ehemaligen Anwalt aufgrund von Falschberatung.