Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat am 7. Februar 2024 (Az. 5 AZR 177/23) die Anforderungen an das sogenannte „böswillige Unterlassen anderweitigen Verdienstes“ im Zusammenhang mit Annahmeverzugsansprüchen präzisiert. Im Fokus steht, wann und unter welchen Bedingungen Arbeitnehmer verpflichtet sind, sich um eine andere zumutbare Beschäftigung zu bemühen und wie sich dies auf den Annahmeverzugslohn auswirkt.
Worum ging es im zugrunde liegenden Fall?
Ein langjährig beschäftigter Arbeitnehmer wurde nach einer Kündigung über einen längeren Zeitraum nicht beschäftigt. Im Kündigungsschutzprozess wurde festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis fortbestand. Der Arbeitnehmer forderte daraufhin Vergütung wegen Annahmeverzugs. Während des Annahmeverzugs hatte der Arbeitnehmer jedoch kaum eigene Bemühungen zur Aufnahme einer anderen Arbeit unternommen und der Agentur für Arbeit sogar signalisiert, dass er keine Vermittlungsvorschläge wünsche.
Die ehemalige Arbeitgeberin hat ihm keine Stellenangebote übermittelt. Im Gerichtsverfahren hat der Arbeitnehmer unter anderem die Auffassung vertreten, er sei nicht verpflichtet gewesen, sich um einen anderen Arbeitsplatz zu bemühen. Mit seiner Arbeitslosmeldung sei er, seiner Ansicht nach, seinen Pflichten nachgekommen.
Wie hat das BAG entschieden?
Das Urteil fiel zugunsten der ehemaligen Arbeitgeberin aus. Zwar lagen die Voraussetzungen eines Annahmeverzugs vor, der Kläger habe jedoch böswillig anderweitigen Erwerb gemäß § 11 Nr. 2 KSchG unterlassen.
Hiernach muss sich der Arbeitnehmer auf das Arbeitsentgelt, das ihm der Arbeitgeber für die Zeit nach der Entlassung schuldet, das anrechnen lassen, was er hätte verdienen können, wenn er es nicht böswillig unterlassen hätte, eine ihm zumutbare Arbeit anzunehmen.
Der Arbeitnehmer darf auch nicht vorsätzlich verhindern, dass ihm eine zumutbare Arbeit überhaupt angeboten wird (BAG 12.10.2022 – 5 AZR 30/22).
Welche Kriterien sind maßgeblich?
as BAG stellt in seiner Entscheidung klar: Arbeitnehmer müssen sich während des Annahmeverzugs aktiv um zumutbare anderweitige Beschäftigung bemühen. Wer dies böswillig unterlässt, riskiert, dass sich der Anspruch auf Annahmeverzugslohn um den möglichen Verdienst aus einer zumutbaren Tätigkeit mindert.
Entscheidende Kriterien:
- „Böswilligkeit“ liegt vor, wenn der Arbeitnehmer vorsätzlich untätig bleibt oder die Aufnahme zumutbarer Arbeit bewusst verhindert.
- Sozialrechtliche Pflichten (z.B. Meldepflicht bei der Agentur für Arbeit) und eigene Initiativen zur Beschäftigungssuche werden bei der Beurteilung mit einbezogen.
- Die bloße Meldung bei der Agentur für Arbeit genügt nicht, wenn der Arbeitnehmer aktiv verhindert, dass ihm Vermittlungsvorschläge unterbreitet werden.
Zumutbarkeit: Nicht jede Verschlechterung der Arbeitsbedingungen muss akzeptiert werden. Eine neue Arbeit ist nur dann zumutbar, wenn sie im Hinblick auf Art, Arbeitszeit, Ort und Verdienst keine erheblichen Nachteile mit sich bringt.
Merke:
Arbeitnehmer müssen sich im Annahmeverzug aktiv um zumutbare anderweitige Beschäftigung kümmern.
Konsequenzen für die Praxis
Aus dem Urteil des BAG sind arbeitgeber- sowie arbeitnehmerseitig folgende Punkte zu beachten:
Für Arbeitnehmer:
- Während eines laufenden Kündigungsschutzverfahrens und Annahmeverzugs müssen Sie sich aktiv um zumutbare Arbeit bemühen und Vermittlungsvorschlägen der Agentur für Arbeit offen gegenüberstehen.
- Eine erhebliche Verschlechterung der Arbeitsbedingungen oder ein Verdienst unterhalb des Arbeitslosengeldes müssen Sie nicht akzeptieren.
Für Arbeitgeber:
Es ist ratsam, dem Arbeitnehmer konkrete zumutbare Stellenangebote zu übermitteln und dies im Streitfall zu dokumentieren.
Sie können den Einwand des böswilligen Unterlassens erheben, wenn der Arbeitnehmer sich nicht ausreichend um eine neue Beschäftigung bemüht hat.
Fazit
Das BAG-Urteil schafft Klarheit: Arbeitnehmer müssen während des Annahmeverzugs aktiv zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit beitragen. Arbeitgeber wiederum haben die Möglichkeit, durch konkrete Hinweise auf zumutbare Stellen den Annahmeverzugslohn zu begrenzen.
Die Beurteilung, ob ein Arbeitnehmer böswillig anderweitigen Verdienst unterlassen hat, hängt immer von den Umständen des Einzelfalls ab. Eine sorgfältige Dokumentation und rechtliche Beratung sind für beide Seiten unerlässlich, um Risiken zu vermeiden und Ansprüche richtig zu bewerten.
Im Zweifel empfiehlt sich eine individuelle rechtliche Prüfung. Lassen Sie sich gerne in diesem Zusammenhang von uns beraten.
