Checkliste: Typische Fehler bei der Anhörung des Betriebsrats nach § 99 BetrVG

Die Anhörung des Betriebsrats nach § 99 BetrVG ist umfangreich und in vielerlei Hinsicht tückisch. Nachfolgend werden typische Fehlerquellen in Gestalt einer Checklist aufgestellt.

 

1. Typische Fehler auf Arbeitgeberseite

  • Es ist keine Schriftform erforderlich, aber zu Beweiszwecken empfehlenswert.
  • Mitbestimmungsrecht greift auch bei Praktikanten und
  • Bereits die Verlängerung der Arbeitszeit um mindestens 10 Stunden pro Woche für mehr als einen Monat ist eine Einstellung (BAG 09.12.2008 – 1 ABR 74/07).
  • Es ist keine Auskunft über den Inhalt des Arbeitsvertrages zu erteilen.
  • Auch eine Entfristung eines befristeten Arbeitsverhältnisses ist eine Einstellung.
    • Erfolgt die Befristung zur Probe, kann die Zustimmung vorsorglich bereits bei der ersten Einstellung eingeholt werden
  • Ein Arbeitsvertrag, der ohne Zustimmung des Betriebsrats abgeschlossen wurde, ist trotz Zustimmungsverweigerung wirksam.
  • Eine Umgruppierung liegt auch bei einer Änderung der Vergütungsordnung
  • Eine Versetzung liegt vor, wenn ein anderer Arbeitsbereich für mindestens einen Monat übertragen wird oder eine erhebliche Änderung der Arbeitsumstände
  • Die Anhörung hat vor der Maßnahme zu erfolgen und dem Betriebsrat ist eine Woche zur Stellungnahme einzuräumen.

 

2. Typische Fehler bei der Reaktion des Betriebsrats

  • Die Zustimmung muss mit schriftlicher Begründung und inhaltlicher Bezugnahme auf einen Zustimmungsverweigerungsgrund nach § 99 Abs. 2 BetrVG erfolgen, andernfalls gilt nach Fristablauf die Zustimmung als erteilt.
  • Das Nachschieben von Zustimmungsverweigerungsgründen ist unzulässig (BAG 17.11.2010 − 7 ABR 120/09).

 

3. Typische Probleme der Zustimmungsverweigerungsgründe

a) Verstoß gegen eine Rechtsnorm (§ 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG)

Das typischste Missverständnis im Rahmen des § 99 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG ist, dass der Betriebsrat nicht bei jedem Rechtsverstoß einen Zustimmungsverweigerungsgrund hat, sondern nur, wenn die personelle Maßnahme selbst gegen ein Gesetz verstößt. Etwa eine Einstellung zu einer mindestlohnwidrigen Vergütung ist nicht rechtswidrig. Die Einstellung ist rechtmäßig, der Arbeitnehmer hat daraufhin nach § 1 Abs. 1 MiLoG einen Anspruch auf den Mindestlohn. Die Einstellung selbst verstößt etwa gegen ein Gesetz, wenn die Arbeitszeitgrenzen des § 3 ArbZG (maximal 48 Wochenstunden im Schnitt) überschritten werden oder ein Leiharbeitnehmer dauerhaft eingestellt werden soll (BAG 30.09.2014 – 1 ABR 79/12).

 

b) Benachteiligung anderer Arbeitnehmer (§ 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG)

Insofern ist zu beachten, dass das Ausbleiben eines Vorteils kein Nachteil ist. Ein Zustimmungsverweigerungsgrund liegt nur vor, wenn eine Negativabweichung vom Status Quo geben ist. Ein Beispiel: Soll die Zustimmung verweigert werden, weil durch die Einstellung ein anderer Arbeitnehmer nicht mehr die Möglichkeit hat, auf die offene Stelle befördert zu werden, ist das kein Zustimmungsverweigerungsgrund. Dem anderen Kollegen entgeht dann ein Vorteil, aber er erleidet keinen Nachteil.

Ferner muss der Nachteil entweder in der Besorgnis einer Kündigung oder einem vergleichbar großen Nachteil liegen. Ein lediglich geringfügiger Nachteil genügt also nicht. Vielmehr muss der Nachteil ähnlich schwerwiegend sein wie eine Kündigung. Die Besorgnis der Kündigung besteht etwa dann, wenn der Arbeitnehmer, dessen Arbeitsplatz wegfällt, auf einen bereits besetzten Arbeitsplatz versetzt wird, soweit nach den Grundsätzen der Sozialauswahl dem versetzten Arbeitnehmer gekündigt werden müsste.

Häufig ist problematisch, ob die Besorgnis auf hinreichenden Tatsachen begründet ist. Bloß aus der Luft gegriffene Sorgen sind kein hinreichender Zustimmungsverweigerungsgrund.

Ein Widerspruchsrecht liegt auch dann nicht vor, wenn der Nachteil aus betrieblichen oder in der Person des Benachteiligten liegenden Gründen gerechtfertigt ist.

 

c) Benachteiligung des betroffenen Arbeitnehmers (§ 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG)

Dieses Zustimmungsversetzungsrecht ist praktisch nur bei Versetzungen relevant, weil Einstellungen nicht zum Nachteil des Eingestellten sein können. Entspricht die Versetzung dem Wunsch des Arbeitnehmers, ist das Zustimmungsverweigerungsrecht ausgeschlossen.

Eine Benachteiligung liegt etwa in der Verschlechterung der äußeren (Lärm, Schmutz) oder der materiellen Arbeitsumstände.

 

d) Unterbliebene interne Ausschreibung  (§ 99 Abs. 2 Nr. 5 BetrVG)

Das Zustimmungsverweigerungsrecht nach Nr. 5 setzt nicht nur voraus, dass keine interne Ausschreibung erfolgt ist. Es setzt darüber hinaus voraus, dass zumindest ein interner Kandidat theoretisch in Betracht kommt. Andernfalls würde eine Zustimmungsverweigerung gegen das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit verstoßen.

 

e) Betriebsfrieden (§ 99 Abs. 2 Nr. 6 BetrVG)

Die Gefahr der Störung des Betriebsfriedens liegt nicht bereits vor, wenn eine wie auch immer geartete Skepsis gegenüber der Persönlichkeit des Eingestellten/Versetzten vorliegt. Die Anforderungen sind vielmehr hoch. Ein Beispiel besteht darin, wenn Vorfälle aus der Vergangenheit die Befürchtung konkret erscheinen lassen oder wenn in der Person eines Eingestellten erhebliche Besonderheiten liegen, etwa bei der beabsichtigten Einstellung eines politisch aktiven Neonazis in einem Betrieb mit zahlreichen Ausländern.

 

4. Prozessuales

Verweigert der Betriebsrat die Zustimmung, kann der Arbeitgeber eine vorläufige Maßnahme (§ 100, 101 BetrVG) durchführen und die Zustimmung vom Arbeitsgericht ersetzen lassen.

Dr. Daniel Weigert, LL.M. (Lund)
Rechtsanwalt · Fachanwalt für Arbeitsrecht
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