Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat mit Urteil vom 19. September 2024 (Az. 8 AZR 21/24) entschieden, dass Bewerber, die sich offensichtlich nur zum Zweck der Geltendmachung einer Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) bewerben und nicht wirklich an der ausgeschriebenen Stelle interessiert sind, keinen Anspruch auf Entschädigung haben.
Worum ging es?
EEin männlicher Bewerber hatte sich auf mehrere Stellenanzeigen beworben, die ausdrücklich eine „Sekretärin“ suchten. Seine Bewerbungen waren unvollständig, enthielten keine Nachweise zu Ausbildung oder Berufserfahrung, aber den Hinweis auf „Berufserfahrung im Büro“.
Ziel war es offensichtlich, Entschädigungen nach § 15 Abs. 2 AGG wegen Diskriminierung zu erstreiten.
Im konkreten Fall bewarb sich der Kläger auf eine Stelle als „Bürokauffrau/Sekretärin“. Die Bewerbung blieb unbeantwortet, die Stelle wurde mit einer Frau besetzt. Der Kläger verlangte daraufhin eine Entschädigung. Die Vorinstanzen wiesen die Klage wegen Rechtsmissbrauchs ab – das BAG bestätigte diese Entscheidung.
Merke:
AGG-Hopper versuchen in der Absicht abgelehnt zu werden, sich häufig und zielgerichtet zu bewerben, um sodann Entschädigungsforderungen zu erstreiten.
Wie hat das BAG entschieden?
Eas BAG stellt klar: Wer sich nicht ernsthaft auf eine Stelle bewirbt, sondern gezielt Entschädigungszahlungen als Einnahmequelle anstrebt, handelt rechtsmissbräuchlich (§ 242 BGB). Ein Entschädigungsanspruch nach dem AGG besteht in solchen Fällen nicht.
Das für die Annahme eines Rechtsmissbrauchs erforderliche subjektive Element wurde im vorliegenden Fall bejaht.
Wesentliche Gründe:
- Erhebliche Mängel in der Bewerbung
- Erkennbare Strategie, Entschädigungsansprüche systematisch zu verfolgen, ohne echtes Beschäftigungsinteresse
Der Versuch, Entschädigungen nach dem „Geschäftsmodell AGG-Hopping“ zum Lebensunterhalt zu machen, wird vom BAG ausdrücklich missbilligt.
Nach Auffassung des Gerichts kann eine Person, die sich nur zum Schein bewirbt, weder als Opfer einer verbotenen Benachteiligung noch als jemand angesehen werden, dem tatsächlich ein Schaden entstanden ist – so hat es auch der Europäische Gerichtshof bereits entschieden (EuGH 28. Juli 2016 – C-423/15). Solche Personen können daher nicht verlangen, dass ihnen die im § 15 AGG vorgesehenen Sanktionen zum Nachteil des Arbeitgebers zugutekommen.
Auch der Einwand des Klägers, die Beklagte habe unzulässig frühere Klagen recherchiert und damit gegen die DSGVO verstoßen, wurde zurückgewiesen – das berechtigte Interesse des Arbeitgebers an der Datenverarbeitung überwiegt.
Konsequenzen für die Praxis
Das Urteil bedeutet für Arbeitgeber in der Praxis folgendes: das BAG stärkt Unternehmen gegen sogenannte AGG-Hopper und deren missbräuchliche Entschädigungsforderungen. Dennoch bleibt das Risiko bestehen, wenn Stellenausschreibungen nicht geschlechtsneutral oder diskriminierungsfrei formuliert sind. In meinem Newsletter „Gleichbehandlung – Neue Verteidigungsstrategie gegen ‚AGG-Hopper’“ erfahren Sie mehr zu diesem Thema.
Beratungstipp:
- Prüfen Sie Ihre Stellenanzeigen regelmäßig auf Diskriminierungsfreiheit.
- Bei erkennbar missbräuchlichen Bewerbungen bestehen gute Chancen, sich erfolgreich gegen Entschädigungsforderungen zu wehren.
- Lassen Sie sich gerne durch uns rechtlich beraten, um Risiken zu minimieren.
Mehr zum Thema Gleichbehandlung im Arbeitsrecht erfahren Sie hier.
Fazit
Wer sich nur zum Schein bewirbt, um gezielt Entschädigungszahlungen nach dem AGG zu erhalten, kann sich nicht auf den Diskriminierungsschutz des Gesetzes berufen. Der Missbrauch von Entschädigungsansprüchen als Geschäftsmodell wird ausdrücklich abgelehnt – sowohl von der deutschen Rechtsprechung als auch vom Europäischen Gerichtshof.
Für Arbeitgeber bedeutet das: Sie haben eine starke rechtliche Grundlage, sich gegen unberechtigte Ansprüche sogenannter „AGG-Hopper“ zu wehren. Dennoch bleibt Sorgfalt bei der Formulierung von Stellenausschreibungen essenziell, um echte Diskriminierungsrisiken zu vermeiden.
Bei Fragen oder Unsicherheiten rund um das AGG und Diskriminierungsschutz im Arbeitsrecht unterstützen wir Sie gerne – sprechen Sie uns an!
