Gleichbehandlung im Arbeitsrecht

Werden Sie aufgrund Ihres Geschlechts, Ihrer Weltanschauung oder Ihrer ethnischen Herkunft von Ihrem Arbeitgeber benachteiligt? Haben alle anderen Arbeitnehmer eine Leistung erhalten, aber Sie nicht? Dann liegt eine Ungleichbehandlung vor. Ob eine Ungleichbehandlung im Arbeitsrecht vorliegt, ergibt sich wie folgt. Es gibt im Arbeitsrecht unterschiedliche Ansprüche auf Gleichbehandlung. Insbesondere sind dabei das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), der allgemeine arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz, sowie das Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) zu nennen.

1. Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG)

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz schützt bestimmte Minderheiten vor Diskriminierung.

Wann liegt eine Benachteiligung im Sinne des AGG vor? Merkmale hierfür finden sich in § 1 AGG. Demnach dürfen Arbeitnehmer nicht aufgrund ihrer ethnischen Herkunft, des Geschlechtes, der Weltanschauung oder Religion benachteiligt werden. Ebenso dürfen Arbeitnehmer nicht wegen einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität benachteiligt werden.

Merke

Merkmale des § 1 AGG: ethnische Herkunft, Geschlecht, Weltanschauung, Religion, Behinderung, Alter, sexuelle Identität.

Es gibt mittelbare und unmittelbare Benachteiligungen. Eine unmittelbare Benachteiligung nach § 3 I S.1 AGG liegt vor, wenn eine Person nach einem Merkmal des § 1 AGG gegenüber einer Person in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt.

Beispiel zur unmittelbaren Benachteiligung: In einem Büro sind zehn männliche und fünf weibliche Arbeitskräfte beschäftigt. Die männlichen Arbeitskräfte werden mit einem Stundenlohn von 20 Euro entlohnt, die weiblichen Arbeitskräfte, welche dieselbe Tätigkeit ausüben, hingegen nur mit 15 Euro. Entscheidend ist dann, ob es für diese geringere Bezahlung einen Sachgrund gibt. Erfolgt die geringere Bezahlung aufgrund eines Sachgrundes (§ 20 AGG), so liegt kein Fall der geschlechtsbedingten Lohndiskriminierung vor. Erfolgt die geringere Bezahlung hingegen aufgrund des Merkmals des Geschlechtes, so handelt es sich um eine verbotene Benachteiligung wegen des Geschlechts. Dann bestehen Entschädigungs- und unter Umständen Schadensersatzansprüche nach § 15 AGG. Ob es einen Sachgrund gibt, muss nicht vom Arbeitnehmer nachgewiesen werden. Der Sachgrund muss vom Arbeitgeber dargelegt werden.

Grundsätzlich gilt: Liegen Indizien für eine Benachteiligung nach § 1 AGG vor, so greift die Beweislastumkehr nach § 22 AGG. Dann muss die andere Partei beweisen, dass keine Benachteiligung vorgelegen hat. Für weitere Informationen zu typischen Indizien lesen Sie gerne meinen Newsletter-Artikel ,,Typische Indizien für eine Diskriminierung im Sinne des AGG“.

Von der Form der unmittelbaren Benachteiligung wird die mittelbare Benachteiligung abgegrenzt. Bei einer mittelbaren Benachteiligung benachteiligt eine dem Anschein nach neutrale Vorschrift, ein Kriterium oder ein Verfahren Personen aufgrund eines der in § 1 AGG aufgezählten Merkmale gegenüber anderen Personen in besonderer Weise.

Beispiel zur mittelbaren Benachteiligung: Bei der Besetzung einer Stelle als Reinigungsaushilfskraft in einem Betrieb werden Deutschkenntnisse auf einem erhöhten Niveau vorausgesetzt, obwohl für die Ausübung der Tätigkeit keinerlei Deutschkenntnisse notwendig sind. Zwar ist die Kenntnis der deutschen Sprache kein Merkmal des § 1 AGG. Allerdings benachteiligt dieses Kriterium mittelbar Bewerber bestimmter ethnischer Herkünfte. mittelbar hinsichtlich des in § 1 AGG aufgezählten Merkmals der ethnischen Herkunft.

Besonderheit: Das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz findet nicht nur Anwendung auf Arbeitnehmer, sondern nach § 6 S.2 AGG auch auf Bewerber für ein Beschäftigungsverhältnis.

Merke

Sowohl unmittelbare als auch mittelbare Benachteiligungen unterliegen dem AGG.

2. Allgemeiner arbeitsrechtlicher Gleichbehandlungsgrundsatz

Der allgemeine arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz greift, wenn der Arbeitgeber eine Maßnahme für eine bestimmte Arbeitnehmergruppe vorgenommen hat. Werden einzelne Arbeitnehmer von dieser allgemeingültigen Maßnahme ohne Sachgrund ausgeschlossen, so haben diese einen Anspruch auf Gleichbehandlung.

Beispiel zum allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz:

In einem Betrieb wird vom Arbeitgeber in Folge eines umsatzstarken Verkaufsjahres ein freiwilliges Weihnachtsgeld in Höhe von 500 Euro an die Arbeitnehmer gezahlt. Allerdings erhalten nur neun von zehn Arbeitnehmern dieses Weihnachtsgeld. In diesem Beispiel stellt das freiwillige Weihnachtsgeld eine Maßnahme des Arbeitgebers dar. Die Maßnahme ist kollektiv, weil der Arbeitgeber das Weihnachtsgeld nach einem erkennbar generalisierenden Prinzip zahlt. Der Arbeitnehmer, welcher kein Weihnachtsgeld erhalten hat, ist schlechter gestellt. Daraus ergibt sich ein Anspruch auf Gleichstellung, insofern die Nicht-Zahlung des Weihnachtsgeldes nicht auf einem Sachgrund beruht.

Abgrenzung Einzelfallmaßnahme

Beispiel: Die Arbeitnehmer in einem Betrieb erhalten ein unterschiedlich hohes Weihnachtsgeld. Das Weihnachtsgeld wurde vertraglich festgehalten und individuell mit dem jeweiligen Arbeitnehmenden vereinbart.Das Weihnachtsgeld ist hier ein individualisierter Bestandteil des Arbeitsvertrages. Es fehlt an einer allgemeingültigen Maßnahme des Arbeitgebers, da dieser nach keinem generalisierten Prinzip eine freiwillige Leistung an eine Arbeitnehmergruppe erbringt. Folglich besteht kein Anspruch auf Gleichbehandlung.

Merke

Es gibt keinen Anspruch auf Gleichbehandlung bei Einzelfallmaßnahmen.

3. Entgelttransparenzgesetz

Für das besondere Thema der Entgelttransparenz verweise ich auf meine diesbezügliche Seite.

4. Rechtsprechung

  • Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG – erfolgloser Bewerber: Hat ein schwerbehinderter Bewerber dem Arbeitgeber in einem vergangenen Arbeitsverhältnis vorgeworfen, Mobbing ausgesetzt gewesen zu sein und „Angst um Leib und Leben“ verspürt zu haben, so ist bei einer erneuten Bewerbung nicht von einem ernsthaften Einstellungsinteresse auszugehen (BAG 19.01.2023 – 8 AZR 438/21).
  • Diskriminierung wegen Schwerbehinderung: Ein erfolgloser schwerbehinderter Bewerber genügt in einem Schadensersatz- bzw. Entschädigungsprozess nach § 15 AGG seiner Darlegungslast für die Kausalität der Schwerbehinderung für die Benachteiligung regelmäßig dadurch, dass er eine Verletzung des Arbeitgebers gegen Bestimmungen rügt, die Verfahrens- und/oder Förderpflichten zugunsten schwerbehinderter Menschen enthalten. Er muss für die von ihm nur vermutete Tatsache eines Verstoßes des Arbeitgebers (…) in die ein Bewerber für ein Beschäftigungsverhältnis als Außenstehender regelmäßig keinen Einblick hat und sich auch zumutbar nicht verschaffen kann, regelmäßig keine konkreten Anhaltspunkte darlegen (BAG 14.06.2023 – 8 AZR 136/22).
  • Benachteiligung wegen der Religion – Kopftuchverbot: Eine Regelung, wonach es Lehrkräften und anderen Beschäftigten mit pädagogischem Auftrag in den öffentlichen Schulen ohne weiteres unter anderem verboten ist, innerhalb des Dienstes auffallende religiös oder weltanschaulich geprägte Kleidungsstücke, mithin auch ein islamisches Kopftuch zu tragen, ist, sofern das Tragen dieses Kleidungsstücks nachvollziehbar auf ein als verpflichtend verstandenes religiöses Gebot zurückzuführen ist, verfassungskonform dahin auszulegen, dass sie das Tragen des Kopftuchs innerhalb des Dienstes nur bei Vorliegen einer konkreten Gefahr für den Schulfrieden oder die staatliche Neutralität verbietet (BAG 27.08.2020 – 8 AZR 62/19). 
  • Die Pflicht des öffentlichen Arbeitgebers zur Einladung schwerbehinderter Menschen zu einem Vorstellungsgespräch nach § 165 Satz 3 SGB IX beinhaltet auch das Erfordernis einen Ersatztermin anzubieten, wenn der sich bewerbende schwerbehinderte Mensch seine Verhinderung vor der Durchführung des vorgesehenen Termins unter Angabe eines hinreichend gewichtigen Grundes mitteilt und dem Arbeitgeber die Durchführung eines Ersatztermins zumutbar ist (BAG 23.11.2023 – 8 AZR 164/22).
  • Werden in einer Stellenausschreibung für ein Traineeprogramm „Hochschulabsolventen/Young Professionells” gesucht und richtet sich die Ausschreibung ausdrücklich an „Berufsanfänger”, so kann dies ein Indiz für die Vermutung einer unzulässigen altersbedingten Benachteiligung eines 36-jährigen Juristen mit Berufserfahrung darstellen, der nicht in das Bewerberauswahlverfahren einbezogen wurde (BAG 24.01.2013 – 8 AZR 429/11).

Dr. Daniel Weigert, LL.M. (Lund)
Rechtsanwalt · Fachanwalt für Arbeitsrecht
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