Impfpflicht im Gesundheitswesen ab dem 16. März 2022 – § 20a IfSG aus arbeitsrechtlicher Sicht

Ab dem 16. März 2022 müssen Personen, die im Gesundheitswesen, bzw. der Gesundheitsbranche tätig sind, geimpft oder genesen sein und das ihren Einrichtungen bzw. Unternehmen nachweisen. Dies gilt jedenfalls, soweit keine Kontraindikation eine Impfung verhindert. Sprachliche Defizite sind in moderner Gesetzgebung mittlerweile die Regel. Diese haben im Rahmen des § 20a IfSG jedoch eine neue Dimension erreicht: Dem Gesetzgeber ist eine Formulierung „gelungen“, die nicht eindeutig erkennen lässt, ob das Tätigkeits- und Beschäftigungsverbot ab dem 16. März 2022 auch Bestandskräfte erfasst. Das ist unter Juristen derzeit umstritten. Demnach sind derzeit Millionen von Arbeitnehmern und deren Arbeitgeber im Unklaren darüber, ob sie ab dem 16. März 2022 noch arbeiten bzw. eingesetzt werden dürfen. Damit müssen Arbeitnehmer und Arbeitgeber nun umgehen. Dieser Newsletter behandelt einige Fragen.

1. Für welche Personengruppen gilt die Impfpflicht im Gesundheitswesen?

Die Impfpflicht gilt für alle Personen, die in Einrichtungen oder Unternehmen tätig sind, die in § 20a Abs. 1 Nr. 1 IfSG aufgelistet sind. Das sind etwa Krankenhäuser, Arztpraxen und Rettungsdienste, Reha-Einrichtungen, Pflegeeinrichtungen und viele andere.

a) Rechtsverhältnis unerheblich

Es kommt nicht darauf an, welches Rechtsverhältnis der Tätigkeit zugrunde liegt. Die Regelung umfasst also nicht nur Arbeitnehmer (wie zum Beispiel angestelltes Pflegepersonal), sondern auch freie Dienstleister, Werkunternehmer, Praktikanten, Auszubildende, Ehrenamtliche, Freiwilligendienstleister, Soldaten, Beamte u.s.w.. Etwa ein selbstständiger Physiotherapeut, der auf Honorarbasis in einem Krankenhaus eingesetzt wird, ist ebenfalls erfasst und unterliegt ab dem 16. März 2022 der Impfpflicht.

Merke

Die Vertragsart spielt keine Rolle!

b) Mitarbeiter ohne Patientenkontakt

Übersehen hat der Gesetzgeber, dass es auch in Unternehmen der Gesundheitsbranche zahlreiche Mitarbeiter ohne Patientenkontakt gibt. So ist etwa naheliegend, dass die Lohnbuchhaltung einer Krankenhauskette räumlich von Patienten abgegrenzt ist und Lohnbuchhalter keinerlei Patientenkontakt haben. Auch jene Mitarbeiter sind indes zweifellos in Unternehmen der Gesundheitsbranche tätig. Insofern lässt der Gesetzgeber Unternehmen im Unklaren darüber, ob auch für diese Mitarbeiter die Impfpflicht gilt. Gerichtsentscheidungen gibt es insoweit naturgemäß noch nicht. Allerdings erkennt selbst das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, dass das im Hinblick auf den Gesetzestext keinen Sinn macht. So behauptet es in seinen FAQ (FAQ “Impfprävention im Bereich einrichtungsbezogener Tätigkeiten“ vom 28.12.2021, zum download unter http://www.bmg.bund.de/) schlicht (unzutreffend), die Regelung gelte nicht für Mitarbeiter ohne Patientenkontakt. Das Gesetz enthält diese Einschränkung indes nicht. Vor diesem Hintergrund stehen alle Unternehmen der Gesundheitsbranche derzeit vor der Risikoabwägung, wie viel Aufwand sie betreiben, ob das Risiko eines Bußgeldes auszuschließen.

Merke

Es ist derzeit ungeklärt, ob die Impfpflicht im Gesundheitswesen auch für Mitarbeiter ohne Patientenkontakt gilt!

c) Impfpflicht im Gesundheitswesen: auch im Home Office?

Mitarbeiter in Home Office, Telearbeit, Mobiler Arbeit oder „Remote Work“ sind von der Regelung nicht erfasst. Das folgt daraus, dass nur Mitarbeiter erfasst sind, die „in“ (nicht: „für“) einer Gesundheitseinrichtung bzw. einem Gesundheitsunternehmen arbeiten.

d) Kurzzeitig eingesetzte Personen

Bedacht, aber gleichwohl nicht hinreichend entschieden hat der Gesetzgeber, wie mit Personen in Bezug auf die neue Impfpflicht im Gesundheitswesen umzugehen ist, die nur kurzzeitig in einem Unternehmen der Gesundheitsbranche tätig sind (etwa Paketzusteller, Handwerker o.ä.). In der Rechtswissenschaft besteht bisher Einigkeit, dass jedenfalls Personen, die nur ganz kurzfristig in einer Gesundheitseinrichtung tätig sind (z.B. Postboten, die Briefe abgeben) nicht erfasst sein sollen. Allerdings hat der Gesetzgeber eine Grauzone offen gelassen. Etwa in Bezug auf einen Handwerker, der sich zwar nicht nur ganz kurzfristig in einer Gesundheitseinrichtung aufhält (wie ein Postbote), der aber auch nicht dauerhaft dort tätig ist (z.B. mehrere Tage), sondern etwa nur wenige Stunden etwas repariert, ist derzeit offen, ob er von der Impfpflicht erfasst ist. In dieser Grauzone müssen Unternehmen ebenfalls eine Risikoabwägung treffen, wie viel Aufwand sie betreiben wollen und können, um Restrisiken auszuschließen.

Merke

Für Personen, die nur wenige Minuten tätig werden, gilt § 20a IfSG nicht!

e) Patienten

Nach § 20 Abs. 6 IfSG soll die Impfpflicht nicht gelten für alle „in den Einrichtungen oder von den Unternehmen behandelten, betreuten, gepflegten oder untergebrachten Personen.“

Auch diese Regelung ist jedoch nicht wörtlich zu nehmen. Es handelt sich um ein weiteres erkennbares Formulierungsversehen des Gesetzgebers. Nähme man die Regelung wörtlich, wäre etwa auch eine Pflegekraft, die voll arbeitet, von der Impfpflicht befreit, wenn sie zugleich Patient im Krankenhaus ist (also etwa Physiotherapiebehandlungen bekommt). Personal in Zahnarztpraxen könnten sich der Impfpflicht entziehen, wenn sie von einem Zahnarzt in ihrer Praxis eine Zahnkontrolle bekämen. So war es offensichtlich nicht gemeint. Vielmehr sind nur solche Patienten ausgeschlossen, die im Rahmen ihrer Behandlung bzw. Betreuung auch in der Einrichtung tätig werden (etwa Behinderte in Behinderteneinrichtungen).

3. Gelten die Tätigkeits- bzw. Beschäftigungsverbote ab dem 16. März 2022 auch für Bestandskräfte?

Das ist derzeit unklar. Dem Gesetzgeber ist das Formulierungskunststück gelungen, ein Gesetz zu so fassen, dass es nicht eindeutig klärt, ob Millionen von Bestandsarbeitnehmern ab dem 16. März 2022 noch tätig werden dürfen, wenn sie keinen Impf-, Genesenen- oder Kontraindikationsnachweis vorlegen. Zur Erklärung:

Für Mitarbeiter ohne Impf-, Genesenen- oder Kontraindikationsattest gilt ab dem 16. März 2022 ein Tätigkeitsverbot sowie spiegelbildlich zum Tätigkeitsverbot für Mitarbeiter ein Beschäftigungsverbot für Unternehmen. Die Verbote richten sich also sowohl an das Unternehmen als auch den Mitarbeiter.

Unklar ist das Gesetz in Bezug auf die Frage, ob auch Bestandskräfte vom Tätigkeitsverbot erfasst werden. Der Gesetzeswortlaut ist insoweit unklar. So ist das Tätigkeits- bzw. Beschäftigungsverbot in § 20a Abs. 3 IfSG geregelt. Es bezieht sich nach dem Wortlaut nicht

                   „…ab dem 16. März 2022 auf alle Personen, die…tätig werden…“

sondern

                   „…auf alle Personen, die ab dem 16. März 2022…tätig werden“.

Insofern spricht die Gesetzesformulierung eher dafür, dass Mitarbeiter, die schon vor dem 16. März 2022 tätig waren, nicht erfasst sind. Das Datum bezieht sich also nicht auf den Verbotszeitraum, sondern auf das Tätigwerden. Die Präposition „ab“ spricht (im Gegensatz zu „nach“) nicht nur für einen Zeitraum, sondern für einen Startzeitpunkt. Deshalb wird derzeit unter Juristen diskutiert, wie das Gesetz zu verstehen ist.

Richtigerweise ist es gleichwohl dahin gehend zu verstehen, dass das Tätigkeits- bzw. Beschäftigungsverbot auch Bestandskräfte erfasst. Für den Zweck des Gesetzes, Patienten vor Kontakt mit Ungeimpften bzw. Ungenesenen zu schützen, ist es offensichtlich unerheblich, wann ein Tätigkeitsverhältnis begonnen hat. Allerdings ist insoweit zunächst die weitere Diskussion und Rechtsprechung abzuwarten.

Unternehmen ist auch insoweit zu empfehlen, ihre konkrete betriebliche Situation zu analysieren und unter Risikogesichtspunkten abzuwägen, wie mit etwaigen Problemfällen umzugehen ist, bis Gerichte die Rechtslage klarstellen.

Merke

Richtigerweise gilt auf für Bestandsmitarbeiter ab dem 16. März 2022 ein Tätigkeits- bzw. Beschäftigungsverbot – eindeutig ist die Rechtslage aber nicht!

3. Gilt die Impfpflicht im Gesundheitswesen auch bei Vorlage eines Impfbefreiungsattestes?

Personen, die auf Grund einer medizinischen Kontraindikation nicht geimpft werden können (§ 20a Abs. 1 S. 2 IfSG), sind von der Impf- bzw. Impfvorlagepflicht befreit.

4. Welche Nachweispflichten gelten bei der neuen Impfpflicht?

Personen, die in vorgenannten Einrichtungen tätig sind, haben der jeweiligen Einrichtung bzw. dem jeweiligen Unternehmen bis zum Ablauf des 15. März 2022 die jeweiligen Nachweise (Impfnachweis, Genesenennachweis, Kontraindikationsattest) vorzulegen (§ 20a Abs. 2 IfSG). Personen, die nach dem 16. März in vorgenannten Einrichtungen oder Unternehmen tätig werden, haben den Nachweis vor Tätigkeitsbeginn zu erbringen.

5. Was muss das Unternehmen bei Zweifeln an der Echtheit oder inhaltlichen Richtigkeit eines Impfnachweises tun?

Wenn ein Unternehmen Zweifel an der Echtheit oder Richtigkeit eines Impfnachweises hat, muss es das zuständige Gesundheitsamt informieren. Andernfalls droht ein Bußgeld.

Offengeblieben ist die Frage, wann ein Unternehmen Zweifel an der Richtigkeit eines Nachweises haben muss und welcher Zweifelsgrad erreicht sein muss.

Da kein qualifizierendes Attribut ergänzt ist (etwa „dringender Verdacht“ o.ä.), sondern jeder „Zweifel“ genügt, wird man davon ausgehen müssen, dass bereits geringfügige Zweifel genügen. Das wird Arbeitgeber in unangenehme Situationen bringen: So kann es Situationen geben, wo ein Unternehmen einem Mitarbeiter glaubt, dass er geimpft ist, aber aufgrund eines Indizes geringfügigste Zweifel hat. Dann müsste ein Arbeitnehmer das anzeigen und würde dadurch ggf. das Verhältnis zum Mitarbeiter ohne konkreten Anlass erheblich belasten. Insofern muss man Unternehmen wohl empfehlen, nicht allzu leicht an Nachweisen zu zweifeln bzw. nur aufgrund valider Indizien Zweifel zu entwickeln.

6. Können Arbeitsverhältnisse mangels Nachweises gekündigt werden?

Das ist eine Einzelfallfrage. Kommt ein Arbeitnehmer seiner Nachweispflicht nicht nach, etwa weil er aus persönlichen Gründen noch keinen Impftermin hatte, diese aber bevorsteht, scheidet eine Kündigung aus. Impft sich ein Arbeitnehmer freiwillig nicht und ist nicht absehbar, dass er seine Meinung ändern wird, dann kommt eine Kündigung sowohl aus verhaltensbedingten Gründen (Impfpflichtverletzung) als auch personenbedingten Gründen (fehlende Arbeitserlaubnis) grundsätzlich in Betracht. Voranzugehen hat aber bei freiwillig Ungeimpften jedenfalls eine Abmahnung bzw. ein Hinweis, dass eine Kündigung droht, wenn er/sie sich nicht impfen lässt.

Merke

Verstoßen Arbeitnehmer gegen ihre Impf- bzw. Nachweispflichten, drohen unter Umständen  Kündigungen aus personen- oder verhaltensbedingten Gründen!

Bei Fragen zum Umgang mit § 20a IfSG stehe ich jederzeit gern zur Verfügung.

Dr. Daniel Weigert, LL.M. (Lund)
Rechtsanwalt · Fachanwalt für Arbeitsrecht
Data Protection Risk Manager
Wirtschaftsmediator

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