Bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses stellt sich für Arbeitnehmer in der Regel die Frage: Bekomme ich eine Sperrzeit beim Arbeitslosengeld? Aber auch Arbeitgeber haben in Aufhebungsvertragsverhandlungen ein Interesse daran, diese so zu gestalten, dass etwa ein Aufhebungsvertrag für den Arbeitnehmer attraktiv genug ist, um ihn abzuschließen. Dadurch ist die Vermeidung einer Sperrzeit oft notwendig. Nachfolgend wird aufgezeigt, unter welchen Voraussetzungen es eine Sperrzeit gibt und wann nicht.
1. Grundsätze zur Sperrzeit
Ob und wie lange ein Arbeitnehmer eine Sperrzeit in Bezug auf sein Arbeitslosengeld von der Bundesagentur für Arbeit erhält, ist in § 159 SGB III geregelt. Im Wesentlichen ist dessen Grundgedanke: Wer seine Arbeitslosigkeit schuldhaft selbst verursacht, der verhält sich im Hinblick auf die Arbeitslosenversicherung versicherungswidrig. Das rechtfertigt eine Sperrzeit.
Die wichtigsten Fallgruppen dieses Verschuldens sind:
- Freiwillige oder selbstverschuldete Arbeitsaufgabe
- Arbeitsablehnung einer angebotenen Beschäftigung
- Fehlende Eigenbemühungen
- Verspätete Arbeitsuchendmeldung (§ 38 Abs. 1 SGB III)
Die Fallgruppen „Arbeitsablehnung“ und „Eigenbemühungen“ werden erst während der Arbeitslosigkeit relevant. Die verspätete Arbeitsuchendmeldung ist leicht vermeidbar. Höchst problematisch ist die Frage, wann die Arbeitsaufgabe versicherungswidrig war, insbesondere bei Eigenkündigungen oder Aufhebungsverträgen.
Es ist gesetzlich nicht näher definiert, wann eine versicherungswidrige Arbeitsaufgabe vorliegt. Allerdings gibt es die fachlichen Weisungen der Bundesagentur für Arbeit Nr. 159. Darin ist die interne Praxis der Bundesagentur für Arbeit geregelt. Die Eckpunkte werden nachfolgend dargestellt.
2. Sperrzeitrelevantes Verhalten bei Arbeitsaufgabe
Eine Sperrzeit kommt nur in Betracht, wenn ein sperrzeitrelevantes Verhalten vorliegt. Im Zusammenhang mit der Arbeitsaufgabe sind sperrzeitrelevant:
- Kündigung durch den Arbeitnehmer
- Tatsächliche Aufgabe der Beschäftigung (ohne Kündigung)
- Aufhebungsvertrag
- Arbeitgeberkündigung wegen vertragswidrigen Verhaltens des Arbeitnehmers, wobei grundsätzlich eine vorherige Abmahnung erforderlich ist (GA 159.1 (6), außer bei schwerwiegenden Vertragsverletzungen oder Verletzungen im Vertrauensbereich
Nicht sperrzeitrelevant sind:
- Nichtannahme einer Änderungskündigung
- Nichtverlängerung eines befristeten Vertrages
- Hinnahme einer Arbeitgeberkündigung, wenn die Kündigung nicht offensichtlich rechtswidrig ist
- Widerspruch gegen Betriebsübergang nach § 613a BGB
- Arbeitsgerichtlicher Vergleich ohne vorausgegangenes versicherungswidriges Verhalten
- Arbeitgeberanfechtung eines Arbeitsvertrags wegen Täuschung
3. Wichtiger Grund
Auch wenn ein sperrzeitrelevantes Verhalten vorliegt, gibt es keine Sperrzeit, wenn ein wichtiger Grund für die Arbeitsaufgabe vorlag.
Allgemein wichtige Gründe sind folgende:
- Arbeitgeber hat rechtswidrige Tätigkeit verlangt
- Vergütung sittenwidrig
- Arbeitgeber insolvent
- Psychischer Druck, Mobbing, Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz
- Arbeit nach Leistungsvermögen des Arbeitnehmers unzumutbar
- Aufhebungsvertrag zur Vermeidung einer fristgemäßen personenbedingten Kündigung ohne Abfindung
- Grundrechtsbeeinträchtigung (Religion o.ä.)
- Zur Förderung einer Ehe/eingetragenen Lebenspartnerschaft/eheähnlichen Gemeinschaft (Indiziert z.B. durch Einschulung des Kindes o.ä.)
- Aufhebungsvertrag im Rahmen einer Sozialplanmaßnahme mit Wechsel zu Transfergesellschaft
- Wechsel auf Transfer-Kurzarbeitergeld in Selbstständigkeit
- Arbeitszeitverringerung objektiv nötig
Kündigung oder Aufhebungsvertrag mit einem Schwerbehinderten/Gleichgestellten ohne Zustimmung des Integrationsamts, sofern das Integrationsamt zugestimmt hätte
Speziell in Bezug auf Eigenkündigungen bzw. Aufhebungs- oder Abwicklungsverträge ist eine Sperrzeit ausgeschlossen, wenn folgende Umstände alle vorliegen (GA 159.1.2.1.1):
- Kündigung mit Bestimmtheit in Aussicht gestellt
- Kündigung ist nicht verhaltensbedingt
- Aufhebungsvertrag/Eigenkündigung beendet das Arbeitsverhältnis nicht früher als eine fristgemäße ordentliche Arbeitgeberkündigung
- Arbeitnehmer nicht unkündbar
- Abfindung maximal in Höhe der Regelabfindung (0,5 Bruttomonatsgehälter je Beschäftigungsjahr nach § 1a KSchG).
4. Besondere Härte
Auch wenn nach alledem eine Sperrzeit anzuordnen ist, kann die Bundesagentur für Arbeit davon absehen, wenn eine besondere Härte vorliegt (GA 159.3). Das kommt im Ausnahmefall etwa in Betracht, wenn der verhaltensbedingte Kündigungsgrund durch besondere Umstände bedingt war (etwa ständiges Zuspätkommen aufgrund von einer Ehekrise) oder wenn durch eine Sperrzeit die mehrköpfige Familie des Arbeitnehmers in wirtschaftliche Not geraten würde.
5. Beginn und Dauer der Sperrzeit
Die Dauer der Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe beträgt zwölf Wochen. Sie beginnt mit dem Tag nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründet. Das ist in der Regel der Beginn der Beschäftigungslosigkeit, auch wenn das Arbeitsverhältnis fortbesteht (GA 159.2). Das bedeutet: Wird ein Arbeitnehmer für drei Monate bezahlt freigestellt bevor das Arbeitsverhältnis endet, läuft in dieser Zeit bereits die Sperrzeit ab.
Allerdings ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld so lange, wie dem Arbeitnehmer bei der Beendigung eine Urlaubsabgeltung zusteht. Das Beschäftigungsverhältnis wird also gedanklich um die abzugeltenden bzw. abgegoltenen Urlaubstage verlängert (BSG 04.03.2014 − B 1 KR 68/12 R).
6. Checkliste bei Aufhebungsvertrag
Wollen Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine Sperrzeit vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Aufhebungs- / Abwicklungsvertrag oder gerichtlichen Vergleich vermeiden, können sie folgende Checkliste prüfen. Eine Sperrzeit droht insbesondere, wenn folgende Voraussetzungen vorliegen:
- Liegt ein sperrzeitrelevantes Verhalten (Eigenkündigung, Aufhebungsvertrag, verhaltensbedingte Kündigung) vor?
- Liegt kein gerichtlicher Vergleich vor?
- Gab es keinen wichtigen Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses? Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor, wenn folgende Voraussetzungen zusammen vorliegen:
- Kündigung hat gedroht
- Kündigung wäre nicht verhaltensbedingt gewesen
- Arbeitgeber-Kündigungsfrist wird eingehalten
- Arbeitnehmer nicht unkündbar
- Abfindung maximal 0,5 Bruttomonatsgehälter je Beschäftigungsjahr
- Liegt keine besondere Härte vor?
- Wird der Arbeitnehmer vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses bezahlt freigestellt (sodass die Sperrzeit bereits abläuft und nach dem Vertragsende ohnehin Arbeitslosengeld gezahlt wird)?
Wenn ich Sie bei der Verhandlung einer Aufhebungsvereinbarung bzw. bei Abfindungsverhandlungen beraten und vertreten soll, melden Sie sich jederzeit gern!
Dr. Daniel Weigert, LL.M. (Lund)
Rechtsanwalt · Fachanwalt für Arbeitsrecht
MBA
Data Protection Risk Manager
Wirtschaftsmediator (IHK)
Negotiator (EBS) · Negotiation Master Class (Harvard)
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