Aktuelles: Einigung im VW-Tarifstreit: Kündigungen ab 2025?

Sind Sie bei VW angestellt und verunsichert durch die vielen Schlagzeilen über betriebsbedingte Kündigungen? Möchten Sie sich darüber informieren, welche Auswirkungen die Tarifstreitigkeiten auf Ihr Angestelltenverhältnis haben?

Volkswagen hat mehrere Tarifverträge mit der Gewerkschaft IG Metall zu Ende letzten Jahres gekündigt, darunter die seit 1994 geltende Beschäftigungssicherung.

Nach langen Tarifverhandlungen mit der Gewerkschaft haben sich die Tarifparteien nun kurz vor den Feiertagen geeinigt (Stand: Januar 2025). Vor der letzten Verhandlungsrunde hatte die Gewerkschafft mit einer deutlichen Ausweitung der Warnstreiks bei VW gedroht, wenn es bis Weihnachten keine Einigung gegeben hätte.

Im Folgenden Artikel erläutern wir, was die Kündigung der Verträge bedeutet (dazu unter 1.), was für Gründe dahinterstecken (dazu unter 2.) und was die Tarifparteien vor kurzem beschlossen haben (dazu unter 3.).

Anschließend beleuchten wir, was VW-Mitarbeiter derzeit beachten sollten (siehe Abschnitt 4), und ziehen abschließend ein Fazit (siehe Abschnitt 5).

1. Was bedeutet die Kündigung der Tarifverträge?

Der Automobilhersteller hat zu Ende letzten Jahres unter anderem folgende Verträge gekündigt:

  • die seit 1994 fortgeschriebene Beschäftigungssicherung
  • den Rahmentarifvertrag für Beschäftigte mit Spezial- oder Führungsfunktion “Tarif Plus”
  • die tarifliche Regelung zur Übernahme von Auszubildenden und Dual-Studierenden
  • die Tarifverträge zum Einsatz von Zeitarbeit

Die Kündigung der Entgelttarifverträge sowie der Ausbildungsvergütungen habe die IG Metall bereits zum 30. November 2024 erklärt.

Damit waren theoretisch ab Juli 2025 wieder betriebsbedingte Kündigungen und grundsätzliche Änderungen in Bezug auf Regelungen zu Gehältern, Arbeitszeiten, Überstundenvergütungen oder Urlaub möglich. Vor der kürzlichen Einigung der Tarifparteien bestand insofern ohne neue Vereinbarungen für die Mitarbeiter Unsicherheit, ob und wie ihre bisherigen Rechte und Ansprüche fortbestehen.

2. Welche Gründe stecken hinter der Kündigung?

Schwierige wirtschaftliche Bedingungen und schlechte unternehmerische Entscheidungen in der Vergangenheit haben bei dem Automobilhersteller in den letzten Jahren eine Krise ausgelöst.

Um der wirtschaftlich schlechten Lage entgegenzuwirken beabsichtigt VW künftig Überkapazitäten an deutschen Standorten abzubauen sowie die Arbeits- und Entwicklungskosten auf ein wettbewerbsfähiges Niveau zu senken.

Durch mehr Flexibilität in Personalentscheidungen und Senkung der Kosten möchte VW schneller auf Marktentwicklungen reagieren und mehr finanzielle Spielräume für Investitionen in neue Technologien schaffen.

3. Worauf haben sich VW und IG Metall Ende 2024 geeinigt?

Nach der bislang längsten Verhandlungsrunde in der gesamten VW-Geschichte haben sich Europas größter Autohersteller und die Gewerkschaft IG Metall geeinigt.

Die Hauptpunkte der Vereinbarung sind:

  • Keine betriebsbedingten Kündigungen bis 2030

Der für die Gewerkschaft wichtigste Punkt der Verhandlungen, die gekündigte Beschäftigungssicherung, wurde übernommen und wieder in Kraft gesetzt. Dies gilt nun bis 2030. Dennoch sollen bis zum vereinbarten Datum insgesamt 35.000 Stellen wegfallen.

  • Vorerst keine Werkschließungen

Ein weiterer mit der Gewerkschaft getroffener Kompromiss ist, dass es zunächst keine unmittelbaren Werkschließungen geben soll. Dennoch soll beispielsweise in den Werken Dresden und Osnabrück die Produktion, wie sie momentan gestaltet ist, auf längere Sicht eingestellt werden. Ein „alternatives Gesamtkonzept“ soll in diesem Zusammenhang erstellt werden. Auch die Produktionskapazität soll in Deutschland um über 700.000 Fahrzeuge pro Jahr reduziert werden.

  • Verzicht auf direkte Lohnerhöhungen

Die Mitarbeiter verzichten im Gegenzug zu den Zusagen von VW bis 2027 auf direkte Lohnerhöhungen, ihre monatlichen Gehälter bleiben daher auf dem aktuellen Stand. Auch Boni sollen gekürzt werden.

Durch die zwischen den Tarifparteien vereinbarten Kompromisse entsteht mittelfristig eine Kostenersparnis von mehr als 15 Milliarden Euro für VW.

4. Was sollten VW-Mitarbeiter wissen?

Der Abbau der über 35.000 Stellen bis 2030 soll sozialverträglich erfolgen. Dies wird oftmals in der Praxis beispielsweise durch Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat in Gestalt eines Interessenausgleichs und Sozialplans umgesetzt.

Im Einzelnen:

Was regeln Interessenausgleich und Sozialplan? 

Interessenausgleich und Sozialplan könnten beim Stellenabbau von VW in den kommenden Jahren eine zentrale Rolle spielen.

Auch wenn es sich rechtlich um zwei unterschiedliche Vereinbarungen handelt, werden diese oft in einem Dokument („Interessenausgleich und Sozialplan“) niedergelegt. 

Während ein Interessenausgleich regelmäßig Regelungen zur Art und Weise der Änderungen im Konzern, zu Zeitplänen und zu Maßnahmen zur Vermeidung oder Milderung von Nachteilen trifft, dient der Sozialplan dazu, die wirtschaftlichen Nachteile, die den Arbeitnehmern durch die Betriebsänderungen entstehen, abzumildern (§§ 111, 112 BetrVG).

Die Ausgleichsmaßnahmen können unter anderem folgende Optionen umfassen:

  • Abfindungen:

Der Sozialplan legt fest, wie die wirtschaftlichen Nachteile für die betroffenen Arbeitnehmer durch die Zahlung von Abfindungen unter anderem abgemildert werden.  

  • Teilzeitmodelle:

Eine andere Möglichkeit ist es, die Einführung von befristeten Teilzeitmodellen oder Altersteilzeit anzubieten. Altersteilzeit ermöglicht einen gleitenden Übergang in den Ruhestand. Dabei gibt es verschiedene Modelle, die eine unterschiedliche schrittweise Reduzierung der Arbeitszeit und Aufstockung der Rente durch den Arbeitgeber vorsehen.

  • Umschulungen:

Arbeitnehmer können umgeschult werden, um in anderen Bereichen eingesetzt zu werden.

  • Versetzungen:

Auch Versetzungen können in Frage kommen, um Arbeitnehmer in anderen Werken oder Bereichen einzusetzen.

Wie hoch ist meine Abfindung? 

Wie hoch die Abfindung ausfällt, richtet sich nach dem Inhalt des Sozialplanes. Oftmals finden sich dazu komplexe Formeln in der jeweiligen Vereinbarung.

Eine Abfindung bemisst sich grundsätzlich nach folgender Formel:

Bruttomonatsgehalt × Betriebszugehörigkeit × Faktor (z.B. 0,5 – 1)

Allerdings fließen bei den Berechnungen der Abfindungshöhe nach Sozialplan viele weitere Faktoren eine Rolle (z.B. Unterhaltspflicht).

Mehr über den Interessenausgleich und die Abfindung nach Sozialplan lesen Sie hier. 

5. Fazit

Der Tarifstreit bei Volkswagen hat grundlegende Veränderungen in den Arbeitsbedingungen und Sicherheiten der Beschäftigten eingeleitet. Durch die Kündigung zentraler Tarifverträge, darunter die jahrzehntelange Beschäftigungssicherung, hat der Konzern tiefgreifende Einschnitte vorgenommen, um Kosten zu senken und flexibler auf Marktanforderungen reagieren zu können.

Die erzielte Einigung deutet darauf hin, dass zumindest eine sozialverträgliche Umsetzung der Stellenanpassungen angestrebt wird. Arbeitsrechtlich bleibt entscheidend, wie die neu ausgehandelten Regelungen rechtlich umgesetzt. Der Konflikt zeigt die Herausforderungen, die sich aus dem Spannungsfeld zwischen wirtschaftlichen Zwängen und arbeitsrechtlichem Schutz ergeben, und könnte langfristige Auswirkungen auf die deutsche Automobilbranche haben.

Dr. Daniel Weigert, LL.M. (Lund)

Rechtsanwalt · Fachanwalt für Arbeitsrecht
MBA
Data Protection Risk Manager
Wirtschaftsmediator (IHK)
Negotiator (EBS) · Negotiation Master Class (Harvard)

Ballindamm 27 · 20095 Hamburg

t +49 40 2285 11210
dw@danielweigert.de

Anrufen! Emailen!

< zurück zur Newsletter-Übersicht