Einigungsstelle, Interessenausgleich und Sozialplan

Sind Sie als Arbeitgeber oder Betriebsrat unsicher, wie Sie betriebliche Konflikte lösen können? Oder möchten Sie prüfen, ob eine Einigungsstelle in Ihrem Fall sinnvoll ist?

Im Folgenden werden die Aufgaben und Funktionen der Einigungsstelle (dazu unter 1.), die Verhandlungen über Interessenausgleich und Sozialplan (dazu unter 2.), sowie praktische Tipps für den Umgang mit solchen Verhandlungen (dazu unter 3.) erläutert.

Anschließend beantworte ich häufige Fragen zu diesem Thema (dazu unter 4.) und stelle relevante Rechtsprechung dar (dazu unter 5.).

1. Aufgaben und Funktionen der Einigungsstelle

Die Einigungsstelle ist ein betriebsverfassungsrechtliches Gremium, das bei Konflikten zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat eingeschaltet werden kann. Ihre Hauptaufgabe ist es, bei Meinungsverschiedenheiten eine Einigung zu erzielen (§ 76 BetrVG).

a) Zusammensetzung der Einigungsstelle

Die Einigungsstelle setzt sich zusammen aus:

  • Vertretern des Arbeitgebers, 
  • Vertretern des Betriebsrats,
  • Unparteiischen Vorsitzenden.

Die Vertreter des Arbeitgebers und des Betriebsrats werden als Beisitzer bezeichnet. Der Vorsitzende ist häufig ein erfahrener Arbeitsrichter, muss dies jedoch nicht zwingend sein. Die Beisitzer und der Vorsitzende arbeiten zusammen, um eine Lösung für den vorliegenden Konflikt zu finden. Die Betriebsparteien müssen sich über den Vorsitzenden einigen, ansonsten entscheidet das Arbeitsgericht (§76 Abs. 2 S. 2 BetrVG). 

b) Verfahrensweise der Einigungsstelle

Die Einigungsstelle wird auf Antrag einer der Parteien einberufen. In den Sitzungen der Einigungsstelle werden die strittigen Punkte diskutiert, und der Vorsitzende unterstützt die Parteien dabei, eine Einigung zu finden. Gelingt dies nicht, wird ein Beschluss gefasst, bei dem die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag gibt. Dieser Beschluss ist für beide Parteien verbindlich, kann jedoch unter bestimmten Bedingungen vor dem Arbeitsgericht angefochten werden.

Können sich die Parteien über die Bildung einer Einigungsstelle nicht einigen, dann kann in bestimmten Fällen gerichtlich die Einsetzung einer Einigungsstelle beantragt werden (§ 100 ArbGG). 

Merke

In bestimmten Fällen können, wenn zuvor der Versuch einer Einigung mit Vorschlägen zur Beilegung der Meinungsverschiedenheit unternommen wurde, sowohl Arbeitgeber als auch Betriebsräte die gerichtliche Einsetzung einer Einigungsstelle beantragen (§ 100 ArbGG). 

2. Verhandlungen über Interessenausgleich und Sozialplan

Insbesondere bei Betriebsänderungen (§ 111 BetrVG), die wesentliche Nachteile für die Belegschaft mit sich bringen, sind Interessenausgleich und Sozialplan wichtige Instrumente zur Wahrung der Arbeitnehmerinteressen.

a) Interessenausgleich

Der Interessenausgleich ist eine Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat, in der die geplanten Änderungen und deren Durchführung festgelegt werden (§ 112 Abs. 1 BetrVG). Ziel ist es, die Interessen der Arbeitnehmer zu berücksichtigen und eine einvernehmliche Lösung für die Umsetzung der Betriebsänderungen zu finden. Der Interessenausgleich umfasst Regelungen zur Art und Weise der Änderungen, zu Zeitplänen und zu Maßnahmen zur Vermeidung oder Milderung von Nachteilen.

b) Sozialplan

Der Sozialplan dient dazu, die wirtschaftlichen Nachteile, die den Arbeitnehmern durch die Betriebsänderungen entstehen, abzumildern. Dies kann unter anderem Abfindungen, Umschulungen, Fortbildungen, Hilfe bei der Arbeitsplatzsuche und andere Ausgleichsmaßnahmen umfassen. Der Sozialplan ist verbindlich und hat die Wirkung einer Betriebsvereinbarung (§ 112 Abs. 1 BetrVG).

Mehr über den Interessenausgleich und die Abfindung nach Sozialplan lesen Sie hier

c) Rolle der Einigungsstelle bei Interessenausgleich und Sozialplan

Kommt es zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat zu keiner Einigung über Interessenausgleich und Sozialplan, kann die Einigungsstelle angerufen werden. Während der Interessenausgleich in der Regel nur durch eine Einigung beider Parteien zustande kommt, kann der Sozialplan auch durch einen Spruch der Einigungsstelle verbindlich festgelegt werden.

3. Praktische Tipps für Verhandlungen

Eine gründliche Vorbereitung ist entscheidend für erfolgreiche Verhandlungen. Beide Seiten sollten sich über die jeweiligen Positionen und Interessen klar sein und mögliche Kompromisslösungen vorbereiten. Eine detaillierte Kenntnis der rechtlichen Rahmenbedingungen ist ebenfalls unerlässlich.

Auch eine offene und transparente Kommunikation zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat fördert das Vertrauen und erleichtert die Findung gemeinsamer Lösungen. Regelmäßige Treffen und eine klare Struktur der Verhandlungen sind hilfreich.

Es kann sinnvoll sein, externe Experten hinzuzuziehen. Dies können Anwälte, Mediatoren oder in dem jeweiligen Themengebiet sachkundige Experten sein, die die Verhandlungen unterstützen und helfen, rechtliche und praktische Aspekte zu klären.

Alle Verhandlungsschritte und Ergebnisse sollten sorgfältig dokumentiert werden. Dies erleichtert die Nachverfolgung und stellt sicher, dass alle Vereinbarungen festgehalten sind.

Merke

Interessensausgleich = Vereinbarung, die sowohl die Interessen des Arbeitgebers als auch der Arbeitnehmer bei einer geplanten Betriebsänderung berücksichtigt. 

Sozialplan = Vereinbarung, die die Nachteile einer Betriebsänderung für Arbeitnehmer abmildern soll (zum Beispiel: durch Abfindungen). 

4. Häufige Fragen zu Einigungsstelle, Interessenausgleich und Sozialplan

a) Wann ist die Anrufung der Einigungsstelle sinnvoll?

Die Einigungsstelle sollte angerufen werden, wenn Verhandlungen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat festgefahren sind und keine Einigung in Sicht ist. Sie ist ein geeignetes Mittel, um eine verbindliche Lösung zu erzielen und langwierige Konflikte zu vermeiden.

b) Wer trägt die Kosten der Einigungsstelle?

Die Kosten der Einigungsstelle trägt in der Regel der Arbeitgeber. Dies umfasst die Kosten für den Vorsitzenden sowie die Aufwandsentschädigungen für die Beisitzer. 

c) Wie lange dauert ein Einigungsstellenverfahren?

Die Dauer eines Einigungsstellenverfahrens kann variieren. Es hängt von der Komplexität des Konflikts und der Verhandlungsbereitschaft der Parteien ab. In der Regel dauert ein Verfahren mehrere Wochen bis Monate.

d) Was passiert, wenn der Beschluss der Einigungsstelle nicht akzeptiert wird?

Der Beschluss der Einigungsstelle ist grundsätzlich verbindlich. Er kann jedoch vor dem Arbeitsgericht angefochten werden. In Bezug auf eine Überschreitung der Grenzen des Ermessens gilt dabei jedoch eine zweiwöchige Frist (§ 76 Abs. 5 BetrVG).

e) Welche Vorteile bietet ein Sozialplan den Arbeitnehmern?

Ein Sozialplan bietet den Arbeitnehmern finanzielle und andere Hilfen, um die wirtschaftlichen Nachteile einer Betriebsänderung abzumildern. Er stellt sicher, dass die Arbeitnehmer nicht unvorbereitet und ohne Unterstützung den Veränderungen gegenüberstehen.

5. Rechtsprechung zu Einigungsstelle, Interessenausgleich und Sozialplan

  • Eine Regelung in einem Sozialplan, die einen Abfindungshöchstbetrag festlegt, bewirkt regelmäßig keine gegen § 75 Abs. 1 BetrVG verstoßende mittelbare Benachteiligung älterer Arbeitnehmer, wenn die maximal zu zahlende Abfindung die durch den Verlust des Arbeitsplatzes entstehenden Nachteile substantiell abmildert und die Regelung in der Sache nur eine Begrenzung der durch die Berücksichtigung von Alter und Betriebszugehörigkeit im Rahmen der Abfindungsberechnung bewirkten besonderen Begünstigung dieser Arbeitnehmergruppe darstellt (BAG 07.12.2021 – 1 AZR 562/20).
  • Sind die von der Einigungsstelle durch Spruch getroffenen Regelungen in mehreren Schriftstücken niedergelegt, erfordert § 76 Abs. 3 Satz 4 BetrVG, dass beiden Betriebsparteien jeweils alle Bestandteile des Spruchs zugeleitet werden. Fehlt es hieran, ist der Einigungsstellenspruch unwirksam (BAG 13.08.2019 – 1 ABR 6/18).
  • Wird in einem bislang betriebsratslosen Betrieb ein Betriebsrat erst gebildet, nachdem der Arbeitgeber mit der Umsetzung der Betriebsänderung begonnen hat, steht dem Betriebsrat kein erzwingbares Mitbestimmungsrecht auf Abschluss eines Sozialplans zu (BAG 08.02.2022 – 1 ABR 2/21).
  • Die Dotierung eines – außerhalb eines Insolvenzverfahrens aufgestellten – Sozialplans ist für das Unternehmen regelmäßig nicht wirtschaftlich vertretbar, wenn die Erfüllung der sich aus ihm ergebenden Verbindlichkeiten zu einer Illiquidität, einer bilanziellen Überschuldung oder einer nicht mehr hinnehmbaren Schmälerung des Eigenkapitals führt. Aus den Vorgaben des § 123 InsO ergibt sich nichts Abweichendes (BAG 04.02.2023 – 1 ABR 28/21).

Haben Sie Interesse an einer rechtlichen Einschätzung Ihres Themas? Kommt hierfür eine Einigungsstelle in Frage oder wurde die Einigungsstelle schon angerufen? Gern berate ich Sie umfassend und begleite Sie als Beisitzer durch die Einigungsstelle, um den Kompromiss für Sie so günstig wie möglich zu schließen.

Dr. Daniel Weigert, LL.M. (Lund)
Rechtsanwalt · Fachanwalt für Arbeitsrecht
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