Das Betriebsrätemodernisierungsgesetz – Was ändert sich im Betriebsverfassungsrecht?

Viele Gerüchte und Mythen ranken sich um die Frage, wie man als Arbeitgeber Kündigungen rechtssicher zustellt. Es scheint, als habe jedes größere Unternehmen eine eigene Zustellungskultur entwickelt. Nachfolgend werden die kursierenden Missverständnisse aufgeklärt und die sinnvollste Vorgehensweise dargestellt.

 

1. Mobile Arbeit

Betriebsräte haben in Zukunft ein Mitbestimmungsrecht hinsichtlich der Ausgestaltung von mobiler Arbeit. Entscheidend wird die Frage sein, wie weit das Mitbestimmungsrecht reicht. Dazu Folgendes:

Das Mitbestimmungsrecht ist jedenfalls beschränkt auf die „Ausgestaltung“ mobiler Arbeit. Es umfasst als nicht die „Einführung“. Betriebsräte können also weiterhin nicht die Einführung mobiler Arbeit erzwingen.

Ebenso wenig dürften Budgetfragen umfasst sein. Etwa Fragen der Kostenerstattung (Heizkosten etc.) oder Ausstattung mit Equipment. Ausweislich der Gesetzesbegründung hat sich der Gesetzgeber zu dieser Thematik keine Gedanken gemacht, sondern überlässt die Beantwortung der schwierigen Fragen, wie üblich, der Rechtsprechung.

Jedenfalls mitbestimmungspflichtig werden Verteilungsfragen sein, also alle Fragen, die in Bezug auf mobile Arbeit das Verhältnis der Mitarbeiter untereinander betrifft. Mitbestimmungspflichtig sind danach etwa Regelungen dazu, welche Mitarbeiter in einer Abteilung anwesend sein müssen und welche nicht, also quasi eines „Dienstplans“ für mobiles Arbeiten. Mitbestimmt ist auch die Frage, an welchen Orten mobil gearbeitet werden darf und an welchen nicht. Auch Anwesenheitspflichten, Erreichbarkeitszeiten und der Umgang mit Arbeitsmitteln im mobilen Arbeiten können mitbestimmt werden.

Bei Tätigkeiten, deren Eigenart per se Mobilität beinhaltet (etwa Handelsvertreter oder Monteure) greift das neue Mitbestimmungsrecht insgesamt nicht.

2. Digitalisierung

Diverse Regelungen stellen eine Reaktion auf die Digitalisierung dar.

So wird klargestellt, dass die Mitbestimmung des Betriebsrats bei der Gestaltung von Arbeitsumgebung und Arbeitsabläufen (§ 111 BetrVG) sowie bei Personalauswahlrichtlinien (§ 95 BetrVG) auch dann greift, wenn diese durch künstliche Intelligenz erfolgen.

Ferner können Betriebsräte in Zukunft dauerhaft auch virtuelle Betriebsratssitzungen durchführen. Nur, wenn ein Viertel der Betriebsratsmitglieder widerspricht, muss eine Präsenzsitzung durchgeführt werden.

Betriebsvereinbarungen, insbesondere Interessenausgleiche und Sozialpläne, sowie Einigungsstellensprüche können in Zukunft wirksam mittels einer qualifizierten elektronischen Signatur abgeschlossen werden.

 

3. Gründung von Betriebsräten

Das Gesetz soll die Gründung von Betriebsräten vereinfachen. Dazu sieht es im Wesentlichen folgende Änderungen vor:

Das vereinfachte Wahlverfahren wird ausgeweitet und die Anzahl der für Wahlvorschläge erforderlichen Stützunterschriften wird reduziert. Auszubildende können auch im Alter von über 25 Jahren noch die Jugend- und Auszubildendenvertretung wählen und in sie gewählt werden. Die Anfechtung von Betriebsratswahlanfechtungen wegen Fehlern in der Wählerliste wird eingeschränkt.

Die Hemmschwelle, Betriebsräte zu gründen, soll außerdem durch eine Verbesserung des Kündigungsschutzes erhöht werden. Dazu wird in Zukunft nicht nur den ersten drei, sondern sechs Arbeitnehmern, die zu einer Betriebsratswahl einladen, ein Sonderkündigungsschutz gewährt (§ 15 Abs. 3a S. 1 KSchG n.F.). Außerdem sollen bereits solche Arbeitnehmer einen Sonderkündigungsschutz genießen, die öffentlich (etwa notariell) beglaubigt erklären, eine Betriebsratsgründung zu beabsichtigen, und daraufhin Vorbereitungsmaßnahmen treffen. Hintergrund dieser Neuregelung ist, dass Arbeitgeber, die vage von Plänen oder Ideen über eine Betriebsratsgründung erfahren, darauf mit (ggf. unwirksamen) Kündigungen reagieren könnten. Das soll verhindert werden. Ein Arbeitnehmer, der Pläne über eine Betriebsratsgründung hat, kann dann etwa seine Absichtserklärung notariell beglaubigen und genießt dann einen Sonderkündigungsschutz bereits dann, wenn er sich im Betrieb über die potenzielle Teilnahmebereitschaft von Kollegen umhört.

4. Datenschutz

Betriebsräte sollen keine datenschutzrechtlichen Sanktionen fürchten müssen. Das soll erreicht werden, indem geregelt wird, dass nicht der Betriebsrat, sondern allein der Arbeitgeber die für den Datenschutz verantwortliche Stelle im Sinne der Datenschutz-Grundverordnung ist. Das Problem, dass der Arbeitgeber keinen Zugriff und keine Weisungsbefugnis hinsichtlich des Umgangs des Betriebsrats mit personenbezogenen Daten hat, „löst“ der Gesetzgeber mit dem lapidaren Satz: „Arbeitgeber und Betriebsrat unterstützen sich gegenseitig bei der Einhaltung der datenschutzrechtlichen Vorschriften.“ Auch an dieser Stelle bleibt also letztlich der Rechtspraxis die Lösung der entstehenden Probleme überlassen.

5. Bewertung

Der Gesetzgeber hat drei Strategien, mit Problemen umzugehen:

(1) Er täuscht vor, Entscheidungen getroffen zu haben und verlässt sich auf die Naivität der Medien, das unkritisch zu transportieren (Bsp.: § 611a BGB);

(2) Er trifft Regelungen „um ein Problem herum“ und hofft, dass der Anschein entsteht, das Problem sei auch gelöst (Bsp.: Entgelttransparenzgesetz);

(3) Er verschiebt das Problem zu anderen Verantwortungen, im Arbeitsrecht in der Regel auf Arbeitgeber und Betriebsrat.

In Bezug auf mobile Arbeit bleibt der Gesetzgeber dieser Linie treu und hat sich für die dritte Variante entschieden. Wenn man dem Gesetzgeber etwas positives zugestehen möchte, dann dies: Er hat seine Kompetenzgrenzen erkannt.

Dr. Daniel Weigert, LL.M. (Lund)
Rechtsanwalt · Fachanwalt für Arbeitsrecht
Data Protection Risk Manager
Wirtschaftsmediator

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