Der Anwalt des Betriebsrats – Wann hat der Betriebsrat einen Anspruch auf Rechtsberatung?

Betriebsräte haben regelmäßig Bedarf an arbeitsrechtlicher Beratung. Häufig stellt sich Betriebsräten und Arbeitgebern die Frage, welche Anwaltskosten der Arbeitgeber tragen muss und welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen. Es gibt insgesamt fünf Fallkonstellationen, in denen die Kosten zu tragen sind: Prozessvertretung (dazu unter 1.), Verhandlungsvertretung (dazu unter 2.), Sachverständige (dazu unter 3.), Sachverständige bei Betriebsänderungen (dazu unter 4.) und Einigungsstellenbeisitzer (dazu unter 5.). Dabei können auch taktische Überlegungen zu berücksichtigen sein (dazu unter 6.).

 

1. Prozessvertreter (§ 40 Abs. 1 BetrVG)

Fallgruppe: Es gibt eine Meinungsverschiedenheit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.

Der Betriebsrat darf einen sogenannten Prozessvertreter beauftragen, wenn er rechtliche Beratung wegen einer Meinungsverschiedenheit mit dem Arbeitgeber benötigt.

Der Anspruch setzt lediglich voraus, dass die avisierte Rechtsdurchsetzung nicht von vornherein offensichtlich aussichtslos oder mutwillig ist. Die Schwelle ist also sehr niedrig.

Die Kosten des Rechtsanwalts richten sich dann nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG). Für die Beauftragung braucht der Betriebsrat keine Einigung mit dem Arbeitgeber. Es genügt eine ordnungsgemäße Beschlussfassung.

Auch eine außergerichtliche Beratung, die dazu dient, einen Prozess durch eine Einigung zu verhindern, ist von § 40 Abs. 1 BetrVG erfasst. Eine Einigungsstelle gilt als „Prozess“ in diesem Sinne. Das heißt, auch die Beratung zur Vermeidung einer Einigungsstelle ist vom Kostenerstattungsanspruch erfasst.

Es ist möglich, dass der Betriebsrat – in der Regel sein Vorsitzender – kurzfristig Rechtsberatung benötigt, bevor das Gremium dazu Beschluss fassen kann. In diesem Fall kann der Betriebsratsvorsitzende den Rechtsanwalt zunächst selbst beauftragen und das Gremium kann die Vertretung nach § 184 Abs. 1 BGB rückwirkend genehmigen (st. Rspr., etwa BAG 6. November 2013 – 7 ABR 84/11). Es ist deshalb möglich und auch durchaus übliche Praxis, dass der Betriebsratsvorsitzende zunächst einseitig Rechtsberatung beansprucht und sich jeweils in der kommenden Betriebsratssitzung die Genehmigung einholt.

 

2. Verhandlungsvertreter (§ 40 Abs. 1 BetrVG)

Fallgruppe: Die Verhandlungen sind zu komplex, um sie allein zu führen.

Ein Verhandlungsvertreter kann hinzugezogen werden, wenn eine Verhandlung zu komplex ist, um sie als Betriebsrat allein zu führen.

Die Konstruktion eines Verhandlungsvertreters hat das Bundesarbeitsgericht erst kürzlich entwickelt. Ein Verhandlungsvertreter kann auch hinzugezogen werden, wenn es nicht um die Vermeidung eines Rechtsstreits geht (BAG 14. Dezember 2016 – 7 ABR 8/15). Voraussetzung ist lediglich, dass es um Angelegenheiten von hoher Komplexität bzw. schwierige Materien geht (Pletke, ArbRAktuell 2018, 518, 519). Das wäre etwa bei der Verhandlung über eine Betriebsvereinbarung zum Datenschutz der Fall. Auch insoweit muss lediglich ein wirksamer Beschluss gefasst werden.

 

3. Sachverständiger (§ 80 Abs. 3 BetrVG)

Fallgruppe: Es gibt eine Rechtsfrage, die zu beantworten ist, ohne dass es eine Meinungsverschiedenheit zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber gibt.

Ein Rechtsanwalt kann als Sachverständiger herangezogen werden, um allgemeine Rechtsfragen zu beantworten.

Das setzt voraus, dass für das jeweilige Thema rechtliche Beratung erforderlich ist (Schulze, ArbRAktuell 2012, 527, 528). Beispielsweise bei der Verhandlung eines einfachen Dienstplans ist das grundsätzlich nicht der Fall. Bei komplexeren Themen, zu denen etwa die Erstellung größerer Betriebsvereinbarungen gehört, ist die Erforderlichkeit zu bejahen (instr. Hinrichs/Plitt, NZA 2011, 1006).

Insoweit muss jedoch nicht nur ein wirksamer Beschluss gefasst werden. Darüber hinaus ist Voraussetzung, dass eine Einigung mit dem Arbeitgeber über die Person des Sachverständigen, den Umfang der Beratung, sowie die Kosten erzielt wird. In der Praxis wird in der Regel ein Stundensatz und eine Höchststundenzahl vereinbart.

In aller Regel kommt es zu einer Einigung, weil beide Seiten ein Eigeninteresse an einer Kompromisslösung haben. Bei einer streitigen Entscheidung drohen dem Betriebsrat eine Verzögerung und dem Arbeitgeber Mehrkosten. Dem Betriebsrat droht eine Verzögerung, weil er zunächst ein einstweiliges Verfügungsverfahren bzw. Hauptsacheverfahren vor dem Arbeitsgericht einleiten oder die Einigungsstelle anrufen muss (Benecke, NZA 2018, 1361, 1364). Dem Arbeitgeber drohen Mehrkosten, weil er – auch im Fall des Obsiegens – jedenfalls die Verfahrenskosten tragen müsste. Diese sind teilweise höher als die Sachverständigentätigkeit an sich. Ein Rechtsstreit lohnt sich als Arbeitgeber in der Regel nur, wenn er die Erforderlichkeit der Sachverständigentätigkeit insgesamt nicht für erforderlich hält und es um signifikante Beträge geht.

Häufig ist die Abgrenzung zwischen „Beratung zur Prozessvermeidung“ (Ziff. 1) und allgemeiner Sachverständigentätigkeit schwierig. Entscheidend ist letztlich, ob der Anwalt zumindest auch zur Vorbereitung bzw. Vermeidung eines Rechtsstreits beauftragt wird oder ausschließlich, um ihm allgemein notwendige Rechtskenntnisse zu vermitteln, die er – unabhängig von einer etwaigen Auseinandersetzung mit dem Arbeitgeber – für seine Betriebsratstätigkeit benötigt.

 

4. Berater bei Betriebsänderungen (§ 111 S. 2 BetrVG)

Fallgruppe: Es wird eine Betriebsänderung verhandelt.

Einen besonderen Kostenerstattungsanspruch regelt § 111 S. 2 BetrVG für den Fall, dass der Arbeitgeber in Unternehmen mit über 300 Arbeitnehmern zu Verhandlungen über eine Betriebsänderung aufgerufen hat. Insoweit handelt es sich um eine Sachverständigentätigkeit nach § 80 Abs. 3 BetrVG. Der einzige Unterschied ist, dass eine vorherige Einigung mit dem Arbeitgeber entbehrlich ist und der Betriebsrat vielmehr im Rahmen der Erforderlichkeit von vornherein einen Sachverständigen beauftragen darf.

Unabhängig von der Sachverständigentätigkeit ist der Rechtsanwalt für die Teilnahme an den Verhandlungen nach § 40 Abs. 1 BetrVG zu beauftragen. § 111 S. 2 BetrVG ist beschränkt auf allgemeine Beratungen.

In Unternehmen mit 300 oder weniger Arbeitgebern bleibt gleichwohl die Möglichkeit, einen Sachverständigen nach § 80 Abs. 3 BetrVG zu beauftragen.

 

5. Einigungsstellenbeisitzer (§ 76a Abs. 3 BetrVG)

Merke: In jeder Einigungsstelle kann der Betriebsrat einen Rechtsanwalt als Beisitzer hinzuziehen.

 In jeder Einigungsstelle kann der Betriebsrat einen Rechtsanwalt als Beisitzer hinzuziehen. Inhaltliche Voraussetzungen, etwa eine Mindestschwierigkeit des Themas, gibt es nicht (Schulze, ArbRAktuell 2018, 114). Tritt ein Rechtsanwalt in einer Einigungsstelle als Beisitzer auf Seiten des Betriebsrats auf, ist er nach § 76a Abs. 3, 4 BetrVG zu vergüten. Er erhält dann 7/10tel des Honorars des Einigungsstellenvorsitzenden.

 

6. Prozessuales und Taktisches

Im Kostenrecht gibt es die Besonderheit, dass der Arbeitgeber die Kosten trägt, die ein Verfahren über die Kostenerstattung hervorruft. Das führt zu folgender Absurdität: Angenommen, der Arbeitgeber bezahlt eine EUR 500,00-Rechnung des Betriebsratsanwalts nicht. Der Betriebsrat leitet ein Beschlussverfahren ein, um den Arbeitgeber zur Zahlung zu verpflichten. Der Betriebsrat verliert, das Gericht hält die Beauftragung des Rechtsanwalts nicht für erforderlich. Dann muss der Arbeitgeber die EUR 500,00 nicht bezahlen – aber die Prozess- und Anwaltskosten des Beschlussverfahrens, die weitaus höher liegen dürften.

Merke: Kommt es zum Streit über Rechtsanwaltskosten, trägt der Arbeitgeber die Kosten dieses Streits.

Aus dieser Absurdität folgt für die Betriebspartner folgendes: In einem funktionierenden Betrieb nimmt der Betriebsrat Rücksicht auf das Kosteninteresse des Arbeitgebers. Der Arbeitgeber ist sich über die voranstehende Absurdität bewusst und nimmt die Vorsicht des Betriebsrats dankend zur Kenntnis. Das heißt: Der Betriebsrat verzichtet auf Beratung, auch wenn er einen Beratungsanspruch hat. Dafür ist der Arbeitgeber kulant und bezahlt auch Rechtsberatung, über die man rechtlich diskutieren könnte.

In einem dysfunktionalen Betrieb nutzt der Betriebsrat diese Absurdität aus, um den Arbeitgeber zur Übernahme nicht erforderlicher Kosten zu „erpressen“. Der Arbeitgeber hingegen nimmt horrende Mehrkosten in Kauf, um dem Betriebsrat „Grenzen zu setzen“. Weil es ihm um das „Prinzip“ geht. Der Betriebsrat nutzt jede Möglichkeit, um Rechtsberatung in Anspruch zu nehmen, wenn er einen solchen Anspruch hat. Umgekehrt bezahlt der Arbeitgeber nichts, was er nicht unbedingt bezahlen muss.

Ob es sich um eine funktionale oder dysfunktionale Zusammenarbeit der Betriebspartner handelt, hängt erfahrungsgemäß von der jeweils individuellen, persönlichen Ebene ab. Wenn Sie als einer der beiden Betriebspartner das Bedürfnis haben, die Zusammenarbeit im Sinne eines Verhandlungstrainings zu optimieren, empfehle ich insoweit mein spezielles Verhandlungstraining für Betriebspartner.

 

7. Zusammenfassung

Es gibt verschiedene Möglichkeiten für den Betriebsrat, Rechtsberatung in Anspruch zu nehmen. Die Voraussetzungen sind jeweils unterschiedlich. Wenn Sie Beratung zum Kostenrecht haben oder ein Verhandlungstraining für die Betriebspartner Ihres Betriebs benötigen, stehe ich jederzeit gern zur Verfügung.

 

Dr. Daniel Weigert, LL.M. (Lund)
Rechtsanwalt · Fachanwalt für Arbeitsrecht
Data Protection Risk Manager
Wirtschaftsmediator

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