Das Thema “drittbezogener Personaleinsatz” gewinnt in der modernen Arbeitswelt zunehmend an Bedeutung, insbesondere angesichts des wachsenden Bedarfs an Flexibilisierung und Spezialisierung in Unternehmen. In diesem Kontext stellt sich oft die Frage, unter welchen rechtlichen Rahmenbedingungen fremdes Personal eingesetzt werden darf und welche Gestaltungsmöglichkeiten Unternehmen zur Verfügung stehen, um betriebsfremde Mitarbeiter rechtssicher in die eigenen betrieblichen Abläufe zu integrieren.
Nachfolgend wird erläutert, was unter drittbezogenem Personaleinsatz zu verstehen ist (dazu unter 1.), welche spezifischen Formen des drittbezogenen Personaleinsatzes existieren (dazu unter 2.), und welche rechtlichen Anforderungen bei der Umsetzung zu beachten sind (dazu unter 3.). Schließlich werden typische Fragen zum Thema beantwortet (dazu unter 4.) und relevante Rechtsprechung dargestellt (dazu unter 5.).
1. Begriff und Bedeutung des drittbezogenen Personaleinsatzes
Drittbezogener Personaleinsatz bezeichnet Konstellationen, in denen Unternehmen auf die Arbeitskraft von Mitarbeitern Dritter zurückgreifen, um eigene unternehmerische Zwecke zu verfolgen.
Diese Strategie erlaubt es Unternehmen,
- auf externe Expertise zuzugreifen,
- personelle Engpässe zu überbrücken und
- Betriebskosten zu senken.
Der Einsatz von Fremdpersonal kann dabei verschiedene rechtliche Formen annehmen, darunter Arbeitnehmerüberlassung, Werk- und Dienstverträge, freie Mitarbeit sowie Gemeinschaftsbetriebe und Crowdwork.
2. Formen des drittbezogenen Personaleinsatzes
a) Arbeitnehmerüberlassung
Arbeitnehmerüberlassung, auch als “Leiharbeit” bezeichnet, ist eine weit verbreitete Form des drittbezogenen Personaleinsatzes. Hierbei stellt ein Verleiherunternehmen (z.B. eine Zeitarbeitsfirma) seine Arbeitnehmer einem Entleihunternehmen für eine bestimmte Zeit zur Verfügung. Der Leiharbeitnehmer bleibt formal beim Verleiher angestellt, wird aber im Betrieb des Entleihers eingesetzt und unterliegt dessen Weisungen. Die rechtlichen Grundlagen der Arbeitnehmerüberlassung sind im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) geregelt.
Das AÜG stellt strenge Anforderungen an die Verleihunternehmen, einschließlich der Notwendigkeit einer behördlichen Erlaubnis. Zudem gelten für Leiharbeitnehmer grundsätzlich die gleichen Arbeitsbedingungen wie für die Stammbelegschaft des Entleihers (Equal-Pay-Prinzip). Missachtungen dieser Vorschriften können sowohl für den Verleiher als auch für den Entleiher erhebliche rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen, einschließlich Bußgeldern und Nachforderungen an Sozialversicherungsbeiträgen. Informationen zur Arbeitnehmerüberlassung finden Sie hier.
b) Freie Mitarbeit
Freie Mitarbeiter sind selbstständige Unternehmer, die auf der Grundlage von Dienst- oder Werkverträgen für ein Unternehmen tätig werden. Die Zusammenarbeit mit freien Mitarbeitern bietet Unternehmen Flexibilität, da sie keine Arbeitgeberpflichten wie Sozialversicherungsbeiträge übernehmen müssen.
Allerdings birgt die Zusammenarbeit mit freien Mitarbeitern das Risiko der Scheinselbstständigkeit. Scheinselbstständigkeit liegt vor, wenn der freie Mitarbeiter de facto wie ein Arbeitnehmer in die Betriebsorganisation integriert ist und Weisungen des Auftraggebers unterliegt. Wenn eine solche Scheinselbstständigkeit festgestellt wird, können erhebliche rechtliche Konsequenzen drohen, darunter Nachzahlungen von Sozialversicherungsbeiträgen und mögliche Bußgelder.
c) Werkverträge und Dienstverträge
Werk- und Dienstverträge bieten eine weitere Möglichkeit, drittbezogenes Personal einzusetzen. Bei einem Werkvertrag verpflichtet sich der Auftragnehmer, ein bestimmtes Werk herzustellen, z.B. die Renovierung eines Gebäudes. Beim Dienstvertrag hingegen erbringt der Auftragnehmer eine Dienstleistung, ohne ein konkretes Arbeitsergebnis zu schulden, wie z.B. Beratungsleistungen.
Eine klare Abgrenzung zur Arbeitnehmerüberlassung ist hierbei entscheidend. Wenn der Auftraggeber den Arbeitnehmern des beauftragten Unternehmens Weisungen erteilt und diese wie eigene Arbeitnehmer einsetzt, könnte dies als verdeckte Arbeitnehmerüberlassung eingestuft werden, was rechtlich unzulässig wäre. Die rechtlichen Folgen einer solchen Fehleinstufung können gravierend sein und umfassen unter anderem Schadensersatzforderungen sowie Nachzahlungen von Sozialversicherungsbeiträgen.
d) Gemeinschaftsbetrieb
Ein Gemeinschaftsbetrieb liegt vor, wenn mehrere Unternehmen ihre Arbeitnehmer in einem gemeinsamen Betrieb unter einer einheitlichen Leitung einsetzen. Ein Beispiel hierfür wäre der gemeinsame Betrieb einer Kantine durch zwei Unternehmen, bei dem die Mitarbeiter beider Unternehmen gemeinsam arbeiten.
Ein Gemeinschaftsbetrieb ist weder als Werkvertrag noch als Arbeitnehmerüberlassung einzuordnen, sondern stellt eine eigenständige betriebliche Struktur dar. Die rechtliche Einordnung eines Gemeinschaftsbetriebs erfordert eine genaue Prüfung der organisatorischen und rechtlichen Rahmenbedingungen, insbesondere im Hinblick auf die Arbeitnehmermitbestimmung und die Verantwortlichkeiten der beteiligten Unternehmen.
e) Crowdwork
Crowdwork ist eine moderne Form des drittbezogenen Personaleinsatzes, bei der Unternehmen Aufgaben an eine große Zahl von externen, selbstständigen Arbeitskräften auslagern, die über Online-Plattformen vermittelt werden. Diese Arbeitskräfte, sogenannte Crowdworker, erbringen ihre Leistungen meist projektbezogen und werden nicht direkt beim Unternehmen angestellt.
Während Crowdwork eine hohe Flexibilität und Kosteneffizienz bietet, gibt es rechtliche Unsicherheiten, insbesondere im Hinblick auf die Frage, ob und inwieweit Crowdworker als Arbeitnehmer eingestuft werden können. Die rechtliche Absicherung von Crowdwork erfordert daher eine sorgfältige Vertragsgestaltung und eine genaue Einhaltung der rechtlichen Rahmenbedingungen.
3. Rechtliche Anforderungen und Risiken beim drittbezogenen Personaleinsatz
Der Einsatz von Fremdpersonal bietet viele Vorteile, ist jedoch auch mit erheblichen rechtlichen Herausforderungen verbunden. Unternehmen, die drittbezogenes Personal einsetzen, müssen sicherstellen, dass sie die jeweiligen arbeits-, sozial- und steuerrechtlichen Vorschriften einhalten. Dazu gehört insbesondere die korrekte Einstufung der eingesetzten Arbeitskräfte (z.B. als Arbeitnehmer, Selbstständige oder Werkunternehmer) sowie die ordnungsgemäße Vertragsgestaltung.
Fehler in diesen Bereichen können zu erheblichen rechtlichen und finanziellen Risiken führen, einschließlich der Rückforderung von Sozialversicherungsbeiträgen, Bußgeldern und Schadenersatzforderungen. Eine rechtliche Beratung ist daher unerlässlich, um die verschiedenen Optionen des drittbezogenen Personaleinsatzes rechtssicher umzusetzen und mögliche Risiken zu minimieren.
4. Typische Fragen zum Thema drittbezogener Personaleinsatz
a) Welche rechtlichen Folgen drohen bei einer Fehleinstufung von freien Mitarbeitern als Scheinselbstständige?
Wenn freie Mitarbeiter als Scheinselbstständige eingestuft werden, können erhebliche rechtliche Konsequenzen drohen. Dazu gehören die Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen für die gesamte Dauer des Vertragsverhältnisses, Bußgelder sowie mögliche Schadensersatzforderungen der betroffenen Mitarbeiter.
Es besteht auch das Risiko, dass die gesamte Vertragsbeziehung rückwirkend als Arbeitsverhältnis gewertet wird, was zusätzliche Ansprüche der Mitarbeiter, etwa auf Lohnnachzahlungen, Urlaubsgeld und Kündigungsschutz, zur Folge haben könnte.
b) Wie kann sich ein Unternehmen gegen den Vorwurf der verdeckten Arbeitnehmerüberlassung absichern?
Unternehmen können sich gegen den Vorwurf der verdeckten Arbeitnehmerüberlassung absichern, indem sie klare vertragliche Vereinbarungen treffen, die die Abgrenzung zwischen Werk- und Dienstverträgen sowie der Arbeitnehmerüberlassung deutlich machen.
Es ist wichtig, dass der Auftragnehmer seine Arbeit eigenverantwortlich und ohne Weisungsgebundenheit durch den Auftraggeber erbringt. Eine sorgfältige Vertragsgestaltung und die regelmäßige Überprüfung der tatsächlichen Arbeitsbedingungen sind dabei entscheidend.
c) Welche Vorteile bietet der Einsatz von Crowdworkern, und welche rechtlichen Risiken bestehen dabei?
Crowdwork bietet Unternehmen Flexibilität und Zugang zu einer globalen Arbeitskraftbasis. Allerdings bestehen rechtliche Risiken, insbesondere hinsichtlich der Einstufung von Crowdworkern als Arbeitnehmer oder Selbstständige. Eine falsche Einstufung kann zu ähnlichen Konsequenzen wie bei der Scheinselbstständigkeit führen, einschließlich der Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen und möglichen arbeitsrechtlichen Ansprüchen der Crowdworker. Eine sorgfältige rechtliche Prüfung und klare vertragliche Regelungen sind daher unerlässlich.
d) Welche Mitbestimmungsrechte haben Arbeitnehmer in einem Gemeinschaftsbetrieb?
In einem Gemeinschaftsbetrieb haben die Arbeitnehmer grundsätzlich die gleichen Mitbestimmungsrechte wie in einem eigenständigen Betrieb. Dies umfasst das Recht zur Wahl eines Betriebsrats, der die Interessen der Arbeitnehmer gegenüber den beteiligten Unternehmen vertritt. Die Mitbestimmungsrechte können jedoch je nach Struktur des Gemeinschaftsbetriebs und den jeweiligen Vereinbarungen zwischen den beteiligten Unternehmen variieren. Es ist wichtig, dass die Mitbestimmungsrechte im Gemeinschaftsbetrieb klar geregelt und umgesetzt werden, um rechtliche Konflikte zu vermeiden.
e) Welche Rolle spielt die Vertragsgestaltung bei Werk- und Dienstverträgen im Vergleich zur Arbeitnehmerüberlassung?
Die Vertragsgestaltung ist entscheidend, um eine klare Abgrenzung zwischen Werk- und Dienstverträgen und der Arbeitnehmerüberlassung sicherzustellen. Bei Werkverträgen steht das Ergebnis der Arbeit im Vordergrund, während bei Dienstverträgen die Erbringung einer Dienstleistung im Mittelpunkt steht.
Im Gegensatz dazu ist die Arbeitnehmerüberlassung durch die Eingliederung des Leiharbeitnehmers in die Betriebsorganisation des Entleihers und dessen Weisungsrecht gekennzeichnet.
f) Welche sozialversicherungsrechtlichen Pflichten haben Unternehmen bei der Arbeitnehmerüberlassung?
Unternehmen, die Arbeitnehmerüberlassung betreiben, müssen sicherstellen, dass für die überlassenen Arbeitnehmer ordnungsgemäß Sozialversicherungsbeiträge abgeführt werden. Der Verleiher trägt die Verantwortung für die Anmeldung und Beitragszahlung. Fehler in der Beitragszahlung können zu Nachforderungen und Zinsen führen. Darüber hinaus ist der Entleiher verpflichtet, zu prüfen, ob der Verleiher eine gültige Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung besitzt, da andernfalls erhebliche Haftungsrisiken entstehen können.
5. Rechtsprechung zu Drittbezogenen Personaleinsatz
- Eine nach Maßgabe des § 1 Abs. 1b Satz 3 und Satz 5 AÜG aufgrund eines Tarifvertrags der Einsatzbranche durch Betriebsvereinbarung auf 48 Monate verlängerte Überlassungshöchstdauer hält sich im Rahmen dessen, was als „vorübergehend“ iSd. § 1 Abs. 1 Satz 4 AÜG iVm. Art. 1 Abs. 1 Richtlinie 2008/104/EG anzusehen ist (BAG 08.11.2022 – 9 AZR 486/21).
- Die Geltung eines Tarifvertrags nach § 1 Abs. 1b Satz 3 AÜG, durch den die gesetzlich festgelegte Überlassungshöchstdauer abweichend geregelt wird, erfordert allein die Tarifgebundenheit der Entleiherin. Der Gesetzgeber hat den Tarifvertragsparteien der Einsatzbranche eine von den im Tarifvertragsgesetz vorgesehenen Arten von Tarifnormen und deren Bindungswirkung abweichende Regelungsbefugnis eingeräumt. Für die Verleiherin und den überlassenen Arbeitnehmer gilt die tarifliche Regelung unabhängig von deren Tarifgebundenheit (BAG 14.09.2022 – 4 AZR 83/21).
- Die kontinuierliche Durchführung einer Vielzahl von Kleinstaufträgen („Mikrojobs“) durch Nutzer einer Online-Plattform (“Crowdworker”) auf der Grundlage einer mit dem Betreiber („Crowdsourcer“) getroffenen Rahmenvereinbarung kann im Rahmen der gebotenen Gesamtbetrachtung zur Annahme eines Arbeitsverhältnisses führen, wenn der Crowdworker zur persönlichen Leistungserbringung verpflichtet ist, die geschuldete Tätigkeit ihrer Eigenart nach einfach gelagert und ihre Durchführungen inhaltlich vorgegeben sind sowie die Auftragsvergabe und die konkrete Nutzung der Online-Plattform im Sinne eines Fremdbestimmens durch den Crowdsourcer gelenkt wird (BAG 01.12.2020 – 9 AZR 102/20).
Dr. Daniel Weigert, LL.M. (Lund)
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