Crashkurs “Abmahnung” – Typische Fehler und Tipps für Arbeitsgeber und Personalreferenten

Abmahnungen sind das gängigste disziplinarische Personalführungsinstrument. Gleichwohl machen Arbeitgeber bei Abmahnungen häufig Fehler, sowohl strategischer als auch inhaltlicher Art. Wirksame Abmahnungen sind in der Praxis eher die Ausnahme. Nachfolgend wird in aller Kürze zusammengefasst, worauf Arbeitgeber bei Abmahnungen achten sollten.

Es wird dargestellt, ob Ermahnungen oder Abmahnungen ausgesprochen werden sollen (dazu unter 1.), welchen Inhalt Abmahnungen haben müssen (dazu unter 2.), welche typischen Fehler gemacht werden (dazu unter 3.), wann ohne vorherige Abmahnung gekündigt werden kann (dazu unter 4.) und welche Pflichtverletzungen als typische Verhaltensvorwürfe in Betracht kommen (dazu unter 5.).

 

1. Ermahnung oder Abmahnung

In Disziplinarfällen stellt sich in der Regel die Frage, ob eine Ermahnung oder eine Abmahnung ausgesprochen werden soll. Der einzige Unterschied ist, dass die Ermahnung keine Kündigungsdrohung enthält. Damit fehlt ihr die Warnfunktion, die zur Vorbereitung einer späteren Kündigung erforderlich ist.

Typischerweise wählen Arbeitgeber die Ermahnung in Fällen, die einerseits zu schwerwiegend sind, um es bei einem Rügegespräch zu belassen aber andererseits zu geringfügig für eine Abmahnung. Das ist nicht zu empfehlen. Stattdessen sollten Arbeitgeber konsequent entscheiden, ob es bei einem Rügegespräch bleiben oder eine Abmahnung ausgesprochen werden soll. Aus folgendem Grund: Ein Rügegespräch erhöht die Chance, dass der Arbeitnehmer einsichtig ist und keine atmosphärischen Spannungen entstehen. Allerdings fehlt ihr jede Rechtswirkung. Eine Abmahnung entfaltet eine rechtliche Wirkung im Hinblick auf eine etwaige Kündigung – dafür führt sie praktisch immer zu atmosphärischen Spannungen. Eine Ermahnung verbindet die Nachteile beider Wege: Auch sie ist ein autoritärer Akt, der zu Spannungen führen kann – eignet sich aber nicht zur Kündigungsvorbereitung. Nach alledem sollten sich Arbeitgeber grundsätzlich entscheiden, ob sie das Problem im Diskurs oder autoritär lösen wollen und diese Entscheidung konsequent umsetzen.

Sinnvoll ist eine Ermahnung nur, wenn man sicher weiß, dass eine Abmahnung ohnehin unwirksam wäre. Das wäre etwa der Fall, wenn keine konkrete Pflichtverletzung vorliegt, aber man gleichwohl dokumentieren möchte, dass sich der Arbeitnehmer z.B. „mehr Mühe geben“ soll.

Merke

Entscheiden Sie sich nur für eine Ermahnung, wenn die Abmahnung definitiv rechtsunwirksam wäre!

2. Inhalt einer Abmahnung

Eine wirksame Abmahnung könnte etwa folgenden Aufbau und Inhalt haben:

1

Pflichtbenennung

Sie sind gemäß § 2 Abs. 1 Ihres Arbeitsvertrages verpflichtet, zu den von uns festgelegten Dienstzeiten zur Arbeit zu erscheinen.

2

Pflichtverletzung

Am [Tag, Datum] sind Sie erst um 10:00 Uhr zur Arbeit erschienen, obwohl Sie ab 9:00 Uhr im Dienstplan zur Arbeit eingeteilt waren.

3

Abmahnung

Aus diesem Grund erteilen wir Ihnen eine Abmahnung.

4

Erwartungshaltung

Wir erwarten, dass Sie sich in Zukunft an Ihre von uns festgelegten Arbeitszeiten halten und pünktlich zur Arbeit erscheinen.

5

Kündigungsdrohung

Im Falle einer Wiederholung dieses oder eines gleich gelagerten Pflichtenverstoßes müssen Sie damit rechnen, dass wir Ihr Arbeitsverhältnis ordentlich oder ggf. außerordentlich kündigen werden.

6

Hinweis Personalakte

Eine Kopie dieser Abmahnung fügen wir Ihrer Personalakte hinzu.

7

Unterschrift

[Unterschrift einer weisungsbefugten (nicht notwendig: kündigungsberechtigten) Person]

 

Merke

Benennen Sie die Pflicht, bevor Sie die Pflichtverletzung benennen. Das macht deutlich, worauf es bei der Pflichtverletzung ankommt und vermeidet überflüssige Ausführungen.

3. Vermeidung typischer Fehler

Jeder Mangel einer Abmahnung macht diese insgesamt unwirksam. In der Praxis resultieren Fehler immer wieder aus denselben Gründen, nämlich Folgenden:

 

a) Vermeidung von Sammelabmahnungen

Häufig beinhaltet eine „Vorwurfs-Gesamtsituation“ mehrere Einzelvorwürfe. Typischerweise werden diese der Einfachheit halber in einer Abmahnung zusammengefasst. Daraus resultiert das Risiko, dass die Abmahnung insgesamt unwirksam wird, wenn auch nur ein Vorwurf nicht stimmt. Inwieweit eine unwirksame Abmahnung gleichwohl ihre Warnfunktion erfüllt, ist umstritten: Bsp. BAG 21.05.1992 – 2 AZR 551/91.

Risikobehaftet wäre etwa eine Abmahnung mit folgendem Inhalt:

Sie sind am [Datum] 30 Minuten zu spät zur Arbeit erschienen. Aus der Mittagspause kamen Sie mit 15 Minuten Verspätung zurück. Am darauffolgenden Tag kamen Sie erneut 20 Minuten zu spät und am übernächsten Tag haben Sie ohne Erlaubnis 30 Minuten zu früh Feierabend gemacht.“

Darin sind vier Einzelvorwürfe enthalten. Es sollten deshalb vier Abmahnungen ausgesprochen werden.

Merke

Durchsuchen Sie ihre Vorwurfszusammenfassung nach Verben. Jede Pflichtverletzung ist eine Handlung. In der Regel entspricht also jedes Verb einer Pflichtverletzung.

b) Vermeidung unbestimmter Vorwürfe

Zahlreichen Abmahnungen mangelt es an der Konkretisierung des Vorwurfs. Der Arbeitnehmer muss wissen, welches konkrete Verhalten von ihm verlangt wird. Etwa die Forderungen, „ordentlich zu arbeiten“ oder ein Projekt „zu unterstützen“ wären nicht konkret genug. Wirksam wäre der Vorwurf, die „Leistungsfähigkeit nicht voll auszuschöpfen“ oder „die Weisungen des Projektleiters zu befolgen“.

 

c) Pflichtverletzung vor Pflichtbenennung

Die meisten Abmahnungen und auch empfohlene Abmahnungsmuster beginnen mit der Pflichtverletzung, also einer Zusammenfassung des Fehlverhaltens. Das erhöht das Fehlerrisiko und ist deshalb nicht empfehlenswert.

Beginnt eine Abmahnung mit der Pflichtverletzung, neigt man zu weitlaufenden Darstellungen („Am [Datum] hat sich folgender Sachverhalt zugetragen: ….“). Jeder unnötige Satz erhöht das Unwirksamkeitsrisiko.

Beginnt man stattdessen die Abmahnung mit der Benennung der Pflicht („Sie sind gemäß…verpflichtet…“), macht man sich den konkreten Vorwurf bewusst. Es ist dann fast ein Automatismus, dass man danach kurz und präzise die Pflichtverletzung benennt.

 

d) Vermeidung überflüssiger Inhalte

Aus dem Voranstehenden folgt, dass zahlreiche Abmahnungen überflüssige Inhalte bergen. Dies vermutlich zumeist aufgrund der Befürchtung, etwas wichtiges zu vergessen. Gute Abmahnungen bestehen jedoch selten aus mehr als einer Din-A-4 Seite. Es genügt etwa die Formulierung:

Sie sind nach § 242 BGB verpflichtet, auf die Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen und insbesondere Vorgesetzte nicht zu beleidigen. Am [Datum] haben Sie Herrn Müller ‚Arschloch‘ genannt.“

Damit sind die Pflicht und die Verletzungshandlung bereits hinreichend benannt. Weitere Ausführungen können mündlich erläutert werden, aber nicht in der Abmahnung. Etwa der Kontext der Beleidigung, die Anwesenheit weiterer Personen oder der Anlass ist für den Vorwurf unerheblich. Auch etwa der Vorwurf „Sie sind zu spät gekommen und wirkten noch nicht einmal einsichtig“ ist zu umfassend: Das Zu-Spät-Kommen wird unabhängig von einer späteren Einsicht gerügt.

Merke

Fragen Sie sich bei all Ihren zusätzlichen Ausführungen: Wäre es auch eine Pflichtverletzung, wenn XY nicht passiert wäre? (Also etwa: Wäre das Zu-Spät-Kommen auch eine Pflichtverletzung, wenn der Arbeitnehmer einsichtig gewesen wäre?) Streichen Sie alles, was kein notwendiges Merkmal der Pflichtverletzung ist.

e) Vermeidung zu häufiger Abmahnungen

Es ist ein weit verbreitetes Gerücht, dass man erst nach der dritten Abmahnung kündigen könne. Das ist unzutreffend. Im Gegenteil erschwert es Kündigungen, wenn man ein Verhalten mehrfach abmahnt. Denn nach der Rechtsprechung verliert eine Abmahnung ihre Warnfunktion, wenn mehrfach mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen gedroht, diese aber nie gezogen werden (BAG 15.11.2001 – 2 AZR 609/00). Es sollte deshalb ggf. ab der dritten Abmahnung diese ausdrücklich als die „letztmalige“ gekennzeichnet werden, um den notwendigen Warneffekt zu entfalten.

Merke

Mahnen Sie grundsätzlich dasselbe Verhalten nicht öfter als einmal ab! Bei jedem weiteren Mal sollten Sie sich konkret fragen, wieso statt einer Kündigung ausnahmsweise eine weitere Abmahnung nötig ist.

4. Kündigung ohne vorherige Abmahnung?

Vor verhaltensbedingten Kündigungen ist grundsätzlich eine Abmahnung erforderlich. Teilweise wird auch vor krankheitsbedingten Kündigungen eine Abmahnung ausgesprochen. Das ist nicht erforderlich: Schließlich stellt eine Erkrankung kein steuerbares Verhalten des Arbeitnehmers dar.

Vor verhaltensbedingten Kündigungen ist eine Abmahnung ausnahmsweise entbehrlich, wenn das Verhalten so schwerwiegend war, dass der Arbeitnehmer mit einer sofortigen Kündigung rechnen musste (z.B. Tätlichkeiten) oder, wenn es sich um ein heimliches Verhalten handelt (z.B. Diebstahl, Arbeitszeitbetrug).

 

5. Pflichtverletzungen

Oftmals stellen sich Personaler die Frage, ob eine unerwünschte Situation ein abmahnungs- oder kündigungsrelevantes Verhalten enthält. Einige übliche Kündigungsgründe sind Folgende:

Tätigkeitsbezogene Vorwürfe

Arbeitsunfähigkeitsbezogen

Straftaten

· Alkohol/Drogen

· Arbeitsverweigerung

· Bestechlichkeit

· Konkurrenztätigkeit

· Loyalitätsverstoß

· Mobbing

· Nebentätigkeit (unerlaubt)

· Schadensabwehrpflicht

· Schlechtleistung

· Selbstbeurlaubung

· Unpünktlichkeit

· Verschwiegenheitspflichtverl.

· Weisungswidrigkeit

 

· Angekündigte Krankschreibung („Drohung“ mit AU)

· Genesungswidriges Verhalten

· Verspätete AU-Anzeige

· Verspätetes Attest

· Vorgetäuschte Arbeitsunfähigkeit

· Arbeitszeitbetrug (falsche Zeitaufschreibung etc.)

· Belästigung

· Beleidigung

· Diebstahl

· Drohung

· Tätlichkeit

Dr. Daniel Weigert, LL.M. (Lund)
Rechtsanwalt · Fachanwalt für Arbeitsrecht
Data Protection Risk Manager
Wirtschaftsmediator

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