Sonderkündigungsschutz

Sind Sie Arbeitgeber und möchten wissen, ob Sie einen Arbeitnehmer mit Sonderkündigungsschutz kündigen können?

Oder genießen Sie Sonderkündigungsschutz, haben eine Kündigung Ihres Arbeitgebers erhalten und wollen sich informieren, wie Sie vorgehen können?

Die Arbeits- und Sozialgesetze in Deutschland sehen eine Reihe von Personengruppen als besonders schutzwürdig an und gewähren Ihnen einen besonderen Kündigungsschutz. Teilweise ist die ordentliche arbeitgeberseitige Kündigung ausgeschlossen oder Kündigungen sind an die Zustimmung der jeweils zuständigen Behörde gebunden. Ein besonderer Kündigungsschutz kann außerdem in einem Tarifvertrag geregelt sein und gilt unabhängig der Größe des Betriebs.

Nachfolgend wird auf die Besonderheiten des besonderen Kündigungsschutzes während der Schwangerschaft und Elternzeit (dazu unter 1.), als Schwerbehinderter (dazu unter 2.), als Betriebs- oder Personalrat (dazu unter 3.) sowie weiterer besonderer Personengruppen (dazu unter 4.) eingegangen.  Anschließend werden hierzu häufige Fragen beantwortet (dazu unter 5.) und eine Auswahl relevanter Rechtsprechung dargestellt (dazu unter 6.).

1. Besonderer Kündigungsschutz während Schwangerschaft und Elternzeit

Die Kündigung einer Frau in der Schwangerschaft und im Mutterschutz, mindestens jedoch bis vier Monate nach der Entbindung (§ 17 Abs. 1 MuSchG) ist grundsätzlich unzulässig.

Sie ist nur in besonderen Fällen mit Erlaubnis der zuständigen Behörde möglich. Der Kündigungsgrund darf jedoch nicht mit der Schwangerschaft zusammenhängen. Dem Arbeitgeber muss, für eine wirksame Kündigung, die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar sein. Die Interessen beider Parteien sind gegeneinander abzuwägen, wobei sich die zuständige Behörde besonders an den schutzwürdigen Interessen der schwangeren Arbeitnehmerin zu orientieren hat.

Verhaltensbedingte Gründe wie vorsätzliche Pflichtverstöße im Arbeitsverhältnis (zum Beispiel: Schwangere Arbeitnehmerin wird am Arbeitsplatz beim Diebstahl erwischt) oder erhebliche unentschuldigte Fehlzeiten können zum Beispiel einen „besonderen Fall“ begründen. Die psychische Verfassung der Arbeitnehmerin muss bei der Interessenabwägung mitberücksichtigt werden.

Auch dauerhafte Betriebsstillegungen, ohne anderweitige Weiterbeschäftigungsmöglichkeit, können eine wirksame Kündigung begründen.

Voraussetzung des Kündigungsverbots ist die positive Kenntnis des Arbeitgebers um die Schwangerschaft. Ist dem Arbeitgeber die Schwangerschaft bei Kündigungserklärung nicht bekannt, muss sie ihm innerhalb von zwei Wochen nach Zugang der Kündigung mitgeteilt werden.

Nach Überschreiten dieser Frist kann die Arbeitnehmerin die Mitteilung nachholen, wenn die Überschreitung auf einem von ihr nicht zu vertretenen Grund beruht. Die Frist ist „unverzüglich“ nachzuholen, ein Zeitraum von einer Woche wird dabei von der Rechtsprechung akzeptiert. Ob ein längerer Zeitraum ebenfalls anerkannt wird, ist vom Einzelfall abhängig. Ein von der schwangeren Arbeitnehmerin nicht zu vertretener Grund kann beispielsweise darin liegen, dass sie erst während der Mitteilungsfrist von ihrer Schwangerschaft erfährt.

Ebenso darf Arbeitnehmern in Elternzeit (§ 18 BEEG) grundsätzlich nicht gekündigt werden. Selbst wenn sie in Teilzeit während der Elternzeit arbeiten, gilt der Sonderkündigungsschutz. Der Arbeitgeber kann auch hier ausnahmsweise und mit Zustimmung der zuständigen Behörde kündigen, wenn ein „besonderer Fall“ vorliegt. Ähnlich wie bei schwangeren Arbeitnehmerinnen, muss das weitere Fortsetzen des Arbeitsverhältnisses dem Arbeitgeber unter Abwägung beider Interessen, unzumutbar sein.

2. Besonderer Kündigungsschutz Schwerbehinderte

Schwerbehinderte und ihnen gleichgestellte Personen (§§ 168 ff. SGB IX) dürfen nur mit vorheriger Zustimmung des zuständigen Integrationsamtes gekündigt werden. Der auf die Kündigung bezogene Sachverhalt wird durch das Integrationsamt, innerhalb seines Ermessens, überprüft und aufgeklärt. Die Behörde wägt die beidseitigen Interessen gegeneinander ab. Dabei ist auf Seiten des Arbeitgebers die freie unternehmerische Entscheidung miteinzubeziehen. Auf Seiten des Arbeitnehmers hingegen das Vorliegen von, durch seine körperliche Stellung gegebenenfalls bedingten, Nachteilen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt.

Die Behörde stimmt der Kündigung zu, wenn kein Zusammenhang zur Schwerbehinderung besteht und die Kündigung nicht offensichtlich aus anderen Gründen unwirksam ist. Je weniger der Kündigungsgrund mit der Schwerbehinderung zusammenhängt, desto geringer wiegen die Interessen des Arbeitnehmers im Rahmen der behördlichen Abwägung. 

Schwerbehinderte Arbeitnehmer müssen mindestens sechs Monate beschäftigt sein, bevor der Sonderkündigungsschutz auf sie Anwendung findet.

Bei einer Kündigung kommt es nicht auf die Kenntnis des Arbeitgebers in Bezug auf die Schwerbehinderteneigenschaft an. Dennoch muss der Arbeitnehmer nach Zugang der Kündigung seinen Arbeitgeber innerhalb einer angemessenen Frist darüber informieren, ansonsten verwirkt er seinen Sonderkündigungsschutz. Auf diese Frist kommt es nicht an, wenn die Schwerbehinderung für den Arbeitgeber offensichtlich war oder sie ihm bekannt war.

Erteilt das Integrationsamt die Zustimmung zur Kündigung, kann der Arbeitgeber innerhalb von vier Wochen die Kündigung erklären, bei einer außerordentlichen Kündigung innerhalb von zwei Wochen.

Die Schwerbehindertenvertretung (§ 179 Abs. 3 SGB IX) ist ebenfalls vom Sonderkündigungsschutz umfasst und kann nur mit Zustimmung des Betriebs- oder Personalrats gekündigt werden. Der Betriebsrat hat dabei kein Ermessen, sondern muss prüfen, ob die Kündigungsgründe der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung unter Berücksichtigung aller Umstände gerechtfertigt sind.

Bei rechtswidriger Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats kann der Arbeitgeber, gemäß § 103 Abs. 2 BetrVG, gerichtlich beantragen die Zustimmung ersetzen zu lassen.

3. Besonderer Kündigungsschutz Betriebsräte, Personalräte

Betriebsräte, Personalräte und Mitglieder der Jugend- und Auszubildendenvertretung (§ 15 Abs. 1 KSchG) genießen ebenfalls einen Sonderkündigungsschutz ab Beginn der Amtszeit. Ordentlich kann nicht wirksam gekündigt werden (außer bei Betriebs- und Teilbetriebsschließung). Außerordentliche Kündigungen bedürfen der Zustimmung des Personal- bzw. Betriebsrates. Dieser besondere Kündigungsschutz wirkt ein Jahr nach Beendigung des Amtes fort.

Eine außerordentliche Kündigung eines Amtsträgers könnte beispielsweise wegen einer Pflichtverletzung aus dem Arbeitsverhältnis (zum Beispiel: unrichtige Spesenabrechnung oder Manipulation der Zeiterfassung) wirksam sein, nicht jedoch wegen Pflichtverletzungen in Bezug auf die Amtsführung.

Auch Ersatzmitgliedern dieser Arbeitnehmervertretungen kommt ab Beginn ihrer Tätigkeit im Amt so lange, wie sie ein zeitweilig verhindertes ordentliches Mitglied des Betriebsrats vertreten oder für ein ausgeschiedenes Betriebsratsmitglied nachrücken, der besondere Kündigungsschutz zugute (§ 25 Abs. 1 BetrVG). Ein Vertretungsfall des Ersatzmitglieds bei einem verhinderten Mitglied ist anzunehmen, wenn diesem die Ausübung seines Amtes nicht möglich ist (zum Beispiel: Krankheit). Ersatzmitglieder sind ebenfalls ein Jahr nach Beendigung des Amtes geschützt.

Dieser nachträgliche Kündigungsschutz findet nur nach tatsächlicher Wahrnehmung der Aktivitäten eines Ersatzmitglieds Anwendung.

Wahlvorstand, Wahlbewerber (§ 15 Abs. 3 KSchG) und Arbeitnehmer, die zu der Betriebsrats- oder Personalratswahl (sogenannte Wahlinitiatoren) eingeladen oder die Bestellung des Wahlvorstands beantragt haben (§ 15 Abs. 3a KSchG), erhalten mindestens bis zur Bekanntgabe des Wahlergebnisses den besonderen Kündigungsschutz.

Der Kündigungsschutz beginnt bei Wahlbewerbern nach Aufstellung des gültigen Wahlvorschlags, bei Wahlvorstandsmitgliedern ab wirksamer Bestellung. Wahlinitiatoren sind nach ordnungsgemäßer Ladung in der Betriebsversammlung geschützt.

4. Besonderer Kündigungsschutz anderer Personengruppen

Auch Personen, die Pflegezeit (§ 5 PflegeZG) in Anspruch nehmen, werden von einem Sonderkündigungsschutz erfasst. Der Sonderkündigungsschutz gilt von Beginn der Ankündigung der Inanspruchnahme von Pflegezeit bis zur Beendigung oder Pflegezeit. Ausnahmsweise kann bei der zuständigen Behörde in besonderen Fällen die außerordentliche Kündigung für zulässig erklärt werden. Ein besonderer Fall liegt beispielsweise vor, wenn die Abteilung des Betriebs, in welchem der Arbeitnehmer tätig war, stillgelegt wird. Der Kündigungsschutz gilt auch für Arbeitnehmer, die sich in der Probezeit befinden.  

Wehrdienstleistende (§ 2 ArbPlSchG) sind beginnend mit Zustellung des Einberufungsbescheides bis zum Abschluss Ihrer Grundwehrdienstzeit nicht ordentlich, also nur außerordentlich kündbar.

Ein Ausbildungsverhältnis (§ 22 BBiG) darf während der Probezeit vom Arbeitgeber jederzeit gekündigt werden. Nach Ablauf der Probezeit kann der Arbeitgeber nur außerordentlich aus wichtigem Grund wirksam kündigen, eine Kündigungsfrist muss er dabei nicht einhalten. Dem Arbeitgeber muss dabei die Fortsetzung des Ausbildungsverhältnisses unzumutbar sein. Das Vorliegen eines „wichtigen Grundes“ wurde von der Rechtsprechung beispielswiese bei groben Beleidigungen des Auszubildenden gegenüber dem Ausbildenden, Diebstahl oder rassistischem Verhalten angenommen.

Der interne Datenschutzbeauftragte sowie sein Stellvertreter (§§ 38 Abs. 2, 6 Abs. 4 BDSG), sofern dieser als Datenschutzbeauftragter tätig geworden ist, genießen ebenfalls Sonderkündigungsschutz. Ab dem Zeitpunkt der Wirksamkeit der Benennung des Datenschutzbeauftragten kann das Arbeitsverhältnis daher nur außerordentlich gekündigt werden. Dies gilt auch während der Probezeit. Der besondere Kündigungsschutz gilt nach Beendigung des Amts noch für ein Jahr weiter.

5. Häufige Fragen zum Thema Sonderkündigungsschutz

a) Gilt der Sonderkündigungsschutz trotz nichtiger Betriebsratswahl?

Nein, in diesen Fällen hat das gewählte Betriebsratsmitglied von vornherein keinen besonderen Kündigungsschutz erworben. Es gilt nur der nachträgliche Kündigungsschutz als Wahlbewerber.

b) Was passiert, wenn die Zustimmung des Integrationsamts vor Kündigung eines Schwerbehinderten nicht eingeholt worden ist?

Die Kündigung ist unwirksam, eine nachträgliche Genehmigung durch das Integrationsamt ist nicht möglich. Der Arbeitnehmer muss trotzdem gemäß § 4 KSchG innerhalb von drei Wochen gegen die unwirksame Kündigung vorgehen, ansonsten gilt die Kündigung als wirksam.

c) Findet der Sonderkündigungsschutz auch auf befristete Verträge Anwendung?

Nein, nach Ablauf der Befristung endet das Arbeitsverhältnis.

d) Kann ich auch mehrfachen Kündigungsschutz haben?

Ja, die Sonderkündigungsrechte schließen sich nicht gegenseitig aus, sondern ergänzen sich (zum Beispiel: Ein Betriebsrat in Elternzeit hat einen zweifachen Sonderkündigungsschutz).

e) Haben Sie weitere Fragen?

Bei weiteren Fragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.

6. Rechtsprechung zum Thema Sonderkündigungsschutz

  • Nach § 174 Abs. 5 SGB IX kann eine außerordentliche Kündigung auch nach Ablauf der Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB erfolgen, wenn sie unverzüglich nach Erteilung der Zustimmung des Integrationsamtes erklärt wird. Nach einer Zeitspanne von mehr als einer Woche ist ohne das Vorliegen besonderer Umstände grundsätzlich keine Unverzüglichkeit mehr gegeben (BAG 27.02.2020 – 2 AZR 390/19).
  • Der Sonderkündigungsschutz für schwangere Arbeitnehmerinnen gem. § 17 Abs. 1 MuSchG knüpft am tatsächlichen Vorliegen einer Schwangerschaft zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung an. Will die Arbeitnehmerin das Vorliegen der Schwangerschaft über eine statistische Wahrscheinlichkeit herleiten, ist dies über einen Anscheinsbeweis möglich, der aber nur bei typischen Geschehensabläufen greifen kann (LAG Baden-Württemberg 01.12.2021 – 4 Sa 32/21).
  • Die zweiwöchige Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB ist gewahrt, wenn der Arbeitgeber im Falle von Mutterschutz oder Elternzeit die behördliche Zulässigkeitserklärung innerhalb Frist beantragt hat, gegen die Versagung der Zulässigkeitserklärung rechtzeitig Widerspruch bzw. Klage erhoben hat und sodann die außerordentliche Kündigung unverzüglich nach Kenntnisnahme vom Wegfall des Zustimmungserfordernisses (Ende des Mutterschutzes oder der Elternzeit) ausspricht (LAG Mecklenburg-Vorpommern 15.03.2022 – 5 Sa 122/21).
  • Mit einem vor Zugang der Kündigung erfolgten Hinweis auf einen Antrag auf Feststellung einer (Schwer-)Behinderung ist der Arbeitgeber hinreichend in die Lage versetzt, sich auf einen möglichen Schutztatbestand einzurichten, insbesondere im Fall der beabsichtigten Kündigung vorsorglich die Zustimmung des Integrationsamtes einzuholen (BAG 09.06.2011 − 2 AZR 703/09).
  • Das Kündigungsverbot gemäß § 17 Abs. 1 MuSchG gilt auch für eine nach Vertragsabschluss, aber vor der vereinbarten Tätigkeitsaufnahme erklärte Kündigung des Arbeitgebers (BAG 27.02.2020 – 2 AZR 498/19).

 

Wenn Sie sich nicht sicher sind, ob Ihr Sonderkündigungsschutz greift oder wie Sie eine Erlaubnis bei den zuständigen Behörden zu einer außerordentlichen Kündigung trotz Sonderkündigungsschutz einholen können, bin ich Ihnen gern behilflich.

Dr. Daniel Weigert, LL.M. (Lund)
Rechtsanwalt · Fachanwalt für Arbeitsrecht
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