Sie möchten eine Betriebsratswahl anfechten, weil Sie mit dem Ergebnis unzufrieden sind bzw. möchten prüfen, ob die Wahl sogar nichtig sein könnte? Oder müssen Sie als Betriebsrat in einem gerichtlichen Wahlanfechtungsverfahren die Wahl verteidigen?
Im Folgenden werden die Voraussetzungen der Anfechtung einer Betriebsratswahl (dazu unter 1.), die Folgen der Anfechtung (dazu unter 2.) und das grundsätzliche Verfahren einer Anfechtung (dazu unter 3.) sowie die Nichtigkeit einer Betriebsratswahl (dazu unter 4.) erklärt. Anschließend werden typische Fragen hierzu beantwortet (dazu unter 5.) und eine Auswahl relevanter Rechtsprechung dargestellt (dazu unter 6.).
1. Die Betriebsratswahl anfechten: Welche Gründe gibt es?
Eine Betriebsratswahl kann gemäß § 19 Abs. 1 BetrVG angefochten werden, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen und der Verstoß nicht rechtzeitig korrigiert worden ist. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Verstoß verschuldet oder unverschuldet entstanden ist.
Konnte die Wahl noch ordnungsgemäß ablaufen – nach Berichtigung des Fehlers – dann sind die Voraussetzungen für die Anfechtung einer Betriebsratswahl regelmäßig nicht mehr gegeben.
Betriebsratswahlen erfordern Konformität mit den Regelungen des Betriebsverfassungsgesetzes. Diese Regularien sind nicht unkompliziert, sodass viele Wahlen anfechtbar sind.
Welche Anfechtungsgründe gibt es? Nachfolgend stellen wir typische Beispiele dar.
a) Verstoß gegen das BR Wahlrecht
Ein Verstoß gegen das Betriebsratswahlrecht liegt vor, wenn das sogenannte „aktive Wahlrecht“ (Berechtigung zu wählen) der wahlberechtigten Arbeitnehmer verletzt wurde. Wahlberechtigt ist jeder Arbeitnehmer des Betriebs, der das 16. Lebensjahr vollendet hat. Arbeitnehmer eines anderen Arbeitgebers, die mindestens drei Monate im Betrieb eingesetzt worden sind, sind ebenfalls wahlberechtigt (Leiharbeitnehmer).
Beispiele für Verstöße:
- Wahlberechtigte Person wurde nicht zur Wahl zugelassen oder
- Nicht wahlberechtigte Person hat an der Wahl teilgenommen.
Ist die Wählerliste folglich unrichtig, muss hiergegen innerhalb von zwei Wochen seit Erlass des Wahlausschreibens beim Wahlvorstand durch die wahlberechtigten Arbeitnehmer ein Einspruch erfolgen. Die Betriebsratswahl kann ansonsten nicht mehr erfolgreich angefochten werden. Für Arbeitgeber hingegen ist eine Anfechtung wegen einer unrichtigen Wählerliste nur ausgeschlossen, wenn diese Unrichtigkeit auf den Angaben des Arbeitgebers beruht.
b) Verstoß gegen die Wählbarkeit des Betriebsrates
“Wählbarkeit“ meint das sogenannte passive Wahlrecht. Arbeitnehmer, die das 18. Lebensjahr vollendet haben und in dem Betrieb mindestens sechs Monate tätig sind, sind passiv wahlberechtigt. Befristet eingestellte Arbeitnehmer können in den Betriebsrat gewählt werden, Leiharbeitnehmer hingegen nicht. Auch gegen die Regelungen zur passiven Wählbarkeit kann in zweierlei Hinsicht verstoßen werden:
- Ein nicht wählbarer Arbeitnehmer wird als Wahlkandidat zugelassen.
- Ein wählbarer Arbeitnehmer wird nicht zugelassen.
c) Verstoß gegen das Wahlverfahren des Betriebsrates
Eine Betriebsratswahl kann ferner bei einem wesentlichen Verstoß gegen das in den §§ 9 ff. BetrVG geregelte und oftmals fehleranfällige Wahlverfahren angefochten werden. Eine Verletzung des Wahlverfahrens liegt beispielsweise in folgenden Fällen vor:
- Der Wahlvorstand wird falsch zusammengesetzt, zum Beispiel bei einer geraden Zahl an Mitgliedern.
- Eine Wählerliste fehlt.
- Das Wahlgeheimnis wird verletzt, zum Beispiel durch die Befragung des Wahlberechtigten, ob er an der Wahl teilgenommen hat.
2. Welche Folgen hat die Anfechtung einer Betriebsratswahl?
Die Folgen einer erfolgreichen Anfechtung einer Betriebsratswahl sind – je nach Antrag – beispielsweise die Feststellung des korrekten Wahlergebnisses oder der Unwirksamkeit der Betriebsratswahl.
Bei der Korrektur des Wahlergebnisses wird durch das Gericht das richtige Wahlergebnis festgestellt. Im Falle der unwirksamen Betriebsratswahl entsteht ein betriebsratsloser Betrieb und es sind Neuwahlen durchzuführen, der Betriebsrat führt die Geschäfte nicht bis zu den Neuwahlen weiter.
Die Betriebsratswahlanfechtung entfaltet jedoch keine rückwirkende Kraft, das bedeutet, dass die Maßnahmen, die der Betriebsrat in dieser Zeit vorgenommen hat, wirksam sind. Dies gilt beispielsweise auch für mit dem Arbeitgeber getroffenen Betriebsvereinbarungen. Der besondere Kündigungsschutz, gemäß §§ 15 KSchG, 103 BetrVG, der Betriebsratsmitglieder entfällt erst mit der gerichtlichen Entscheidung.
3. Das Verfahren einer Betriebsratswahlanfechtung
a) Wer darf eine Betriebsratswahl anfechten?
Zu einer Anfechtung sind nach § 19 Abs. 2 BetrVG folgende Personen berechtigt:
- Mindestens drei Wahlberechtigte,
- eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft oder
- der Arbeitgeber.
b) Welche Frist ist bei einer Betriebsratswahlanfechtung zu beachten?
Die Betriebsratswahl muss innerhalb von zwei Wochen ab Bekanntgabe des Wahlergebnisses angefochten werden. Wird die Geltendmachung innerhalb dieser Frist versäumt, bleibt der neugewählte Betriebsrat für die gesamte Amtsperiode im Amt.
Die Anfechtung einer Betriebsratswahl muss am Arbeitsgericht im Beschlussverfahren beantragt werden. Der Anfechtungsgegner ist dabei der Betriebsrat. Der Antrag kann darauf zielen, dass das Wahlergebnis korrigiert werden oder die Unwirksamkeit der Wahl des Betriebsrats festgestellt werden soll.
4. Wann ist eine Betriebsratswahl nichtig?
a) Voraussetzungen der Nichtigkeit einer Betriebsratswahl
Eine Betriebsratswahl ist auf Grund der weitreichenden Folgen, die dadurch entstehen, nur in Ausnahmefällen nichtig. Es muss ein grober und offensichtlicher Verstoß gegen wesentliche Wahlregeln des BetrVG vorliegen. Jeder, der ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Nichtigkeit hat, darf diese am Arbeitsgericht geltend machen. Hierzu gehören zumindest die nach § 19 Abs. 2 BetrVG Anfechtungsberechtigten (siehe unter 3.), einzelne Arbeitnehmer des Betriebs können ebenso ein berechtigtes Interesse haben. Eine Frist ist, im Gegensatz zu der Anfechtung, nicht zu beachten.
b) Folgen der Nichtigkeit einer Betriebsratswahl
Die Nichtigkeit einer Betriebsratswahl wirkt sich rückwirkend auf die Wahl aus. Der Betriebsrat, der durch eine im Nachhinein für nichtig erklärte Wahl gewählt wurde, hat daher rechtlich nie existiert. Betriebsvereinbarungen und sonstige Abreden, die mit diesem Betriebsrat vereinbart wurden, sind unwirksam. Dies hat zur Folge, dass die unwirksame Betriebsvereinbarung keinerlei Rechtswirkungen entfaltet und Arbeitgeber sowie Arbeitnehmer sich somit nicht auf Rechtspositionen aus dieser Betriebsvereinbarung stützen können.
Der Betrieb ist daher betriebsratslos und es sind – wie auch bei einer erfolgreichen Betriebsratswahlanfechtung – Neuwahlen durchzuführen.
Die Betriebsratsmitglieder einer nichtigen Betriebsratswahl sind nicht vom besonderen Kündigungsschutz umfasst, sie können sich lediglich auf den für den Wahlvorstand gemäß § 15 Abs. 3 KSchG geltenden Kündigungsschutz berufen.
5. Häufige Fragen zu der Wahlanfechtung und Nichtigkeit von Betriebsratswahlen
a) Auf welche Fristen muss ich bei der BR Wahlanfechtung achten?
Die Anfechtung einer Betriebsratswahl hat innerhalb von zwei Wochen ab Bekanntgabe des Wahlergebnisses zu erfolgen.
b) Wer darf die Betriebsratswahl anfechten?
Anfechtungsberechtigt sind entweder drei Wahlberechtigte, eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft oder der Arbeitgeber.
c) Muss der Arbeitgeber die Kosten des Wahlanfechtungsverfahrens tragen?
Ja, der Arbeitgeber hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
d) Wie lange dauert das Wahlanfechtungsverfahren?
Die Anfechtung einer Betriebswahl kann – wenn der Antrag bei Gericht nicht zuvor zurückgenommen wird – ca. zwei bis drei Jahre dauern. Dies hängt im Einzelfall davon ab, wie lange die Instanzen für ihre Entscheidungen brauchen und ob die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen wird.
e) Was passiert mit Beschlüssen des Betriebsrats, wenn das Arbeitsgericht die Unwirksamkeit der Betriebsratswahl feststellt?
Eine erfolgreiche Anfechtung der Betriebsratswahl wirkt für die Zukunft, hat also keine Rückwirkung, die sich auf die Beschlüsse des Betriebsrats auswirken könnte. Alle vom Betriebsrat vorgenommenen Rechtshandlungen bleiben somit wirksam.
f) Was passiert mit dem besonderen Kündigungsschutz, wenn das Arbeitsgericht die Unwirksamkeit der Betriebsratswahl feststellt?
Der besondere Kündigungsschutz der Betriebsratsmitglieder nach den §§ 15 KSchG, 103 BetrVG bleibt bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung des Arbeitsgerichts bestehen, aber entfällt im Zeitpunkt der Unwirksamkeit der Wahl.
g) Kann der Betriebsrat während des Verfahrens seiner Tätigkeit weiter nachgehen?
Ja, der Betriebsrat kann während des laufenden Wahlanfechtungsverfahrens weiter normal tätig sein.
h) Muss der Arbeitgeber während des Wahlanfechtungsverfahrens Schulungskosten tragen?
Ja, die Kostentragungspflicht des Arbeitgebers in Bezug auf die Schulungskosten des Betriebsrats richtet sich während des Wahlanfechtungsverfahrens weiterhin nach den allgemeinen Grundsätzen gemäß § 37 BetrVG.
i) Was passiert, wenn das Arbeitsgericht die Betriebsratswahl für nichtig erklärt?
Wird eine Betriebsratswahl für nichtig erklärt, hat dieser gewählte Betriebsrat rechtlich zu keinem Zeitpunkt bestanden. Vereinbarungen, die dieser Betriebsrat in der Zwischenzeit abgeschlossen hat, sind unwirksam.
j) Haben Sie weitere Fragen?
Bei weiteren Fragen zur Veteidigung oder Anfechtung der Betriebsratswahl stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.
6. Rechtsprechung zu der Wahlanfechtung und Nichtigkeit von Betriebsratswahlen
- Bewerben sich bei einer Betriebsratswahl weniger Arbeitnehmer um einen Betriebsratssitz als Betriebsratsmitglieder zu wählen sind, kann ein „kleinerer“ Betriebsrat errichtet werden. (…) Das folgt vor allem aus dem in § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ausgedrückten Willen des Gesetzgebers, dass in Betrieben mit in der Regel mindestens fünf ständig wahlberechtigten Arbeitnehmern, von denen drei wählbar sind, Betriebsräte gewählt werden (BAG 24.04.2024 – 7 ABR 26/23).
- Keine Neutralitätspflicht bei Betriebsratswahl für Arbeitgeber. Aus dem in § 20 Abs. 3 BetrVG normierten Verbot, die Wahl des Betriebsrats durch Zufügung oder Androhung von Nachteilen oder durch Gewährung oder Versprechen von Vorteilen zu beeinflussen, ergibt sich nicht die Verpflichtung des Arbeitgebers, sich jeder kritischen Äußerung über den bestehenden Betriebsrat oder einzelne seiner Mitglieder im Hinblick auf eine zukünftige Wahl zu enthalten (BAG 25.10.2017 – 7 ABR 10/16).
- Eine Stimmabgabe erfordert die Verwendung von Wahlumschlägen, die vom Wahlvorstand zur Verfügung zu stellen sind. Verstößt der Wahlvorstand hiergegen, indem er die Stimmabgabe ohne Verwendung von Wahlumschlägen durchführen lässt, kann dies unter den Voraussetzungen des § 19 BetrVG zur Anfechtung der Betriebsratswahl berechtigen (BAG 20.01.2021 – 7 ABR 3/20).
- Zeitpunkt der Prüfpflicht – Auswirkung eines Verstoßes auf Wahlergebnis: Ein Verstoß gegen § 7 Abs. 2 BetrVGDV1WO liegt vor, wenn der Wahlvorstand eine am letzten Tag der Einreichungsfrist eingereichte Vorschlagsliste nicht unmittelbar auf Fehler prüft, sondern die Fehlerprüfung auf den Tag nach Ablauf der Einreichungsfrist ansetzt (BAG 18.07.2012 – 7 ABR 21/11).
- Fehlende schriftliche Zustimmungserklärung eines Wahlbewerbers zur Aufnahme in die Liste: Wird der Mangel hierzu nicht binnen einer Frist von drei Arbeitstagen beseitigt und setzt der Wahlvorstand eine Frist, die nicht den Vorgaben des § 8 Abs. 2 BetrVGDV1WO entspricht, kann dies bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen des § 19 BetrVG die Anfechtung der Wahl rechtfertigen (BAG 20.10.2021 – 7 ABR 36/20).
- Eine Betriebsratswahl kann durch einstweilige Verfügung nur abgebrochen werden, wenn sie voraussichtlich nichtig ist. Das setzt einen so eklatanten Verstoß gegen allgemeine Grundsätze jeder ordnungsgemäßen Wahl voraus, dass auch der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl nicht mehr besteht. Die Nichtigkeit kann geltend machen, wer nach § 19 BetrVG zur Wahlanfechtung berechtigt ist. (…) Der Erlass einer einstweiligen Verfügung ist nur möglich, wenn durch die Korrektur des Wahlfehlers eine erfolgreiche Wahlanfechtung mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann. Das ist nicht der Fall, wenn ungeklärte Rechtsfragen entscheidungserheblich sind (LAG Berlin-Brandenburg, 14.12.2021 – 21 TaBVGa 1658/21).
Gern prüfe ich, ob in Ihrem Betrieb die Möglichkeit einer Anfechtung einer Betriebsratswahl besteht oder ob diese nichtig sein könnte. Nehmen Sie hierzu jederzeit gern Kontakt zu mir auf.
Dr. Daniel Weigert, LL.M. (Lund)
Rechtsanwalt · Fachanwalt für Arbeitsrecht
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Data Protection Risk Manager
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Negotiator (EBS) · Negotiation Master Class (Harvard)
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