Arbeitnehmererfindungsgesetz

Es kommt häufig vor, dass Arbeitnehmer im Rahmen ihres Arbeitsverhältnisses Erfindungen entwickeln. Diese Erfindungen können alles umfassen, was patent- oder gebrauchsmusterfähig ist, sowie darüber hinausgehende technische Verbesserungsvorschläge. Grundsätzlich stehen Erfindungen, die im Dienst gemacht werden, dem Arbeitgeber zu. Allerdings regelt das Arbeitnehmererfindungsgesetz (ArbNErfG), dass Arbeitnehmern dafür ein Vergütungsanspruch zusteht. Da die Höhe dieser Vergütung nicht konkret festgelegt ist, entstehen oft Streitigkeiten über die angemessene Höhe der Vergütung von Diensterfindungen.

1. Was ist eine Arbeitnehmererfindung?

Eine Diensterfindung (§ 4 ArbNErfG) ist eine Erfindung, die ein Arbeitnehmer während der Dauer seines Arbeitsverhältnisses macht und die entweder aus seiner Tätigkeit resultiert oder maßgeblich auf Erfahrungen oder Arbeiten basiert, die im Rahmen seines Dienstverhältnisses gemacht wurden. Diese Erfindungen können patentfähig sein oder als Gebrauchsmuster geschützt werden. Darüber hinaus zählen auch technische Verbesserungsvorschläge zu den Arbeitnehmererfindungen. Dies gilt sowohl für Diensterfindungen im privaten als auch im öffentlichen Dienst. 

Im Gegensatz zu Diensterfindungen stehen freie Erfindungen. Diese werden nicht im Rahmen der dienstlichen Aufgaben des Arbeitnehmers gemacht und basieren nicht auf den Erfahrungen oder Arbeiten im Dienstverhältnis. Freie Erfindungen stehen grundsätzlich dem Arbeitnehmer zu, sind jedoch gemäß §§ 18, 19 ArbNErfG mitteilungs- und anbietungspflichtig.

2. Rechte des Arbeitgebers an Diensterfindungen

a.) Anspruch des Arbeitgebers

Erfindungen, die im Dienst gemacht werden, stehen dem Arbeitgeber zu. Der Arbeitgeber hat das Recht, die Erfindung in Anspruch zu nehmen (§ 6 ArbNErfG) und diese zum Patent oder Gebrauchsmuster anzumelden. Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, jede Diensterfindung unverzüglich dem Arbeitgeber zu melden.

b.) Meldepflicht des Arbeitnehmers

Die Meldung muss schriftlich erfolgen und alle notwendigen Angaben enthalten, die es dem Arbeitgeber ermöglichen, die Erfindung zu beurteilen. Dazu gehören detaillierte Beschreibungen der Erfindung, deren Funktionsweise und eventuelle Anwendungen. Versäumt der Arbeitnehmer diese Meldepflicht, kann er seine Ansprüche auf Vergütung verlieren.

3. Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers

a.) Gesetzliche Grundlage

Das ArbNErfG regelt den Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers für Diensterfindungen. Obwohl der Arbeitgeber die Erfindung beanspruchen kann, hat der Arbeitnehmer Anspruch auf eine “angemessene Vergütung” im Sinne des § 9 ArbNErfG. 

b.) Bestimmung der Vergütungshöhe

Die Höhe der Vergütung ist im ArbNErfG nicht festgelegt und muss daher im Einzelfall ausgehandelt werden. Faktoren, die dabei berücksichtigt werden, sind unter anderem der wirtschaftliche Wert der Erfindung, die Aufgabenstellung des Arbeitnehmers und der Beitrag des Arbeitgebers zur Erfindung.

Oftmals kommt es hier zu Streitigkeiten, da Arbeitgeber und Arbeitnehmer unterschiedliche Vorstellungen von der Angemessenheit der Vergütung haben. 

c.) Berechnungsgrundlagen

In der Praxis wird die Vergütung häufig auf Basis der Lizenzanalogie berechnet. Das bedeutet, es wird geschätzt, welche Lizenzgebühren ein Dritter für die Nutzung der Erfindung zahlen würde. Ein weiterer Ansatz kann die Berechnung auf Grundlage des Gewinns sein, den der Arbeitgeber durch die Erfindung erzielt.

Der Arbeitnehmererfinder hat bei fehlender Vereinbarung zwischen ihm und den Arbeitgeber einen Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung und ist in die Lage zu versetzen, prüfen zu können, welche der grundsätzlich in Betracht kommenden Berechnungsmethoden zur Ermittlung einer angemessenen Vergütung tatsächlich möglich ist und welche hiervon die Geeignetste ist (OLG Karlsruhe 13.10.2021 – 6 U 130/19).

4. Streitigkeiten und Lösungsansätze 

Idealerweise einigen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf eine angemessene Vergütung. Eine schriftliche Vereinbarung schafft hier Klarheit und Rechtssicherheit für beide Seiten.

Kommt es zu keiner Einigung, können Schiedsstellen oder Gerichte angerufen werden. Das Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA) bietet eine Schiedsstelle für Arbeitnehmererfindungen an, die bei der Vermittlung zwischen den Parteien hilft. Gerichte können im Streitfall eine Entscheidung über die angemessene Vergütung treffen.

5. Rechtsprechung:

  • Die Regelungen des ArbNErfG finden auf sogenannte Organerfinder wie den GmbH-Geschäftsführer dem Grunde nach keine Anwendung; Organerfinder können allerdings vertraglich – im vorliegenden Fall mit dem Geschäftsführeranstellungsvertrag – im Hinblick auf Diensterfindungen einem Arbeitnehmer gleichgestellt werden. Eine entsprechende Gleichstellung kann nur erreicht werden, wenn auf das entsprechende Rechtsverhältnis auch die in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zu den die gesetzlichen Ansprüche flankierenden Hilfsansprüchen Anwendung finden. Für die Frage, ob der Arbeitgeber von der erfinderischen Lehre des Arbeitnehmers Gebrauch macht, ist nicht entscheidend, ob und ggf. welche weiteren Patente des Arbeitgebers verwendet werden; es kommt allein darauf an, dass das fragliche Produkt die technischen Merkmale der Arbeitnehmer-Diensterfindung verwirklicht (LG München I 09.12.2020 – 21 O 10149/19).
  • Fehlt es an einer ordnungsgemäßen Meldung der Diensterfindung durch den Arbeitnehmererfinder, kann die vom Arbeitgeber einzuhaltende Frist zur Inanspruchnahme mit der Anmeldung der Erfindung zum Schutzrecht zu laufen beginnen. Bei der Frist zur Inanspruchnahme einer Diensterfindung handelt es sich um eine Ausschlussfrist (BGH 04.04.2006 – X ZR 155/03).
  • Die Frist zur Inanspruchnahme einer Diensterfindung wird, wenn es an einer schriftlichen Erfindungsmeldung des Diensterfinders fehlt, grundsätzlich nur in Gang gesetzt, wenn der Arbeitgeber, insbesondere durch eine Patentanmeldung und die Benennung des Arbeitnehmers als Erfinder, dokumentiert, dass es keiner Erfindungsmeldung mehr bedarf, weil er über die Erkenntnisse bereits verfügt, die ihm der Diensterfinder durch die Erfindungsmeldung verschaffen soll. Hat der Arbeitnehmer die Diensterfindung unberechtigt zum Patent angemeldet, bedarf es nach Inanspruchnahme der Diensterfindung durch den Arbeitgeber gemäß §§ 6, 7 ArbNErfG einer Übertragung und nicht nur einer Umschreibung der Anmeldung oder eines hierauf erteilten Patents auf den Arbeitgeber (BGH 12.04.2011 – X ZR 72/10).
  • Ein Arbeitgeber ist nach einer Mitteilung im Sinne von § 16 Abs. 1 ArbNErfG nur dann zur Übertragung des Rechts an den Arbeitnehmer verpflichtet, wenn dieser ein entsprechendes Verlangen fristgerecht äußert. Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitgeber an seiner Absicht, die Schutzrechtsanmeldung bzw. das Schutzrecht aufzugeben, nicht mehr festhält (BGH 27.07.2021 – X ZR 61/20).

 

Bei Fragen zum ArbNErfG und zur Vergütung von Diensterfindungen stehe ich Ihnen jederzeit gerne zur Verfügung. Unsere Kanzlei bietet umfassende Beratung und Unterstützung in allen Fragen rund um Arbeitnehmererfindungen. Kontaktieren Sie mich für eine individuelle Beratung.

Dr. Daniel Weigert, LL.M. (Lund)
Rechtsanwalt · Fachanwalt für Arbeitsrecht
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