Sind Sie unsicher, ob Ihre Praxis der Arbeitnehmerüberlassung rechtskonform ist? Möchten Sie erfahren, welche rechtlichen Anforderungen und Risiken bei der Beschäftigung von Leiharbeitnehmern bestehen? Oder möchten Sie sicherstellen, dass Ihre Werk- oder Dienstverträge keine verdeckte Arbeitnehmerüberlassung darstellen?
Dieser Artikel beleuchtet die wesentlichen gesetzlichen Rahmenbedingungen der Arbeitnehmerüberlassung (dazu unter 1.), die Unterschiede zwischen rechtlichem und faktischem Arbeitsverhältnis (dazu unter 2.), typische Problematiken und Risiken der verdeckten Arbeitnehmerüberlassung (dazu unter 3.) sowie die Folgen einer rechtswidrigen Arbeitnehmerüberlassung (dazu unter 4.).
Abschließend werden häufig gestellte Fragen beantwortet (dazu unter 5.), um Ihnen eine fundierte Übersicht über die rechtlichen Herausforderungen und Fallstricke der Arbeitnehmerüberlassung zu geben und relevante Rechtsprechung dargestellt (dazu unter 6.).
1. Rechtliche Grundlagen der Arbeitnehmerüberlassung
Die Arbeitnehmerüberlassung (oftmals auch als “Leiharbeit” oder “Zeitarbeit” bezeichnet) stellt in der Praxis ein äußerst komplexes und vielschichtiges arbeitsrechtliches Thema dar. Diese Form der Beschäftigung erlaubt es Unternehmen, Arbeitnehmer von einem Dritten – dem sogenannten Verleiher – für einen bestimmten Zeitraum zu übernehmen, um kurzfristige personelle Engpässe zu überbrücken oder flexibler auf Marktschwankungen zu reagieren.
Während das Konzept der Arbeitnehmerüberlassung viele Vorteile bietet, birgt es auch erhebliche rechtliche Risiken, insbesondere wenn es um die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben und den Schutz der Rechte der Leiharbeitnehmer geht.
Die Arbeitnehmerüberlassung wird in Deutschland durch das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) geregelt. Dieses Gesetz legt fest, unter welchen Bedingungen ein Unternehmen (Verleiher) seine Arbeitnehmer einem anderen Unternehmen (Entleiher) zur Arbeitsleistung überlassen kann. Die wesentlichen Anforderungen umfassen:
Erlaubnispflicht: Unternehmen, die Arbeitnehmerüberlassung betreiben möchten, benötigen grundsätzlich eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung durch die Bundesagentur für Arbeit (§ 1 AÜG). Ohne eine solche Erlaubnis ist die Arbeitnehmerüberlassung rechtswidrig.
Höchstüberlassungsdauer: Ein Leiharbeitnehmer darf nur für maximal 18 aufeinanderfolgende Monate an denselben Entleiher überlassen werden (§ 1 AÜG). Eine längere Überlassung ist unzulässig, es sei denn, es gibt abweichende tarifliche Regelungen.
Equal Pay und Equal Treatment: Nach dem Grundsatz des „Equal Pay“ haben Leiharbeitnehmer nach einer Einsatzdauer von neun Monaten Anspruch auf das gleiche Entgelt wie die vergleichbaren Stammmitarbeiter des Entleihers (§ 8 AÜG). Auch hinsichtlich der Arbeitsbedingungen gilt das Prinzip des „Equal Treatment“, wonach Leiharbeitnehmer im Vergleich zu Stammarbeitnehmern nicht benachteiligt werden dürfen.
Informationspflichten und Kennzeichnungspflicht: Der Verleiher ist verpflichtet, den Leiharbeitnehmer und den Entleiher schriftlich darauf hinzuweisen, dass es sich um eine Arbeitnehmerüberlassung handelt (§ 11 AÜG). Ebenso müssen die wesentlichen Vertragsbedingungen klar definiert und kommuniziert werden.
Verstöße gegen diese Vorschriften können erhebliche zivilrechtliche, bußgeldrechtliche und strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen und zu einem gesetzlichen Arbeitsverhältnis zwischen dem Leiharbeitnehmer und dem Entleiher führen.
2. Unterschied zwischen rechtlichem und faktischem Arbeitsverhältnis
Im Kontext der Arbeitnehmerüberlassung muss zwischen dem rechtlichen Arbeitsverhältnis und dem faktischen Arbeitsverhältnis unterschieden werden:
Rechtliches Arbeitsverhältnis: Das rechtliche Arbeitsverhältnis besteht zwischen dem Verleiher und dem Leiharbeitnehmer. Der Verleiher bleibt der vertragliche Arbeitgeber des Leiharbeitnehmers und ist verantwortlich für die Zahlung des Arbeitsentgelts, die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall sowie für die Abführung von Sozialabgaben und Steuern. Der Verleiher muss zudem die arbeitsvertraglichen Rechte und Pflichten des Leiharbeitnehmers wahren und sicherstellen, dass der Leiharbeitnehmer unter fairen und rechtssicheren Bedingungen arbeitet.
Faktisches Arbeitsverhältnis: Das faktische Arbeitsverhältnis hingegen besteht zwischen dem Entleiher und dem Leiharbeitnehmer. Der Entleiher übernimmt die tatsächliche Weisungsbefugnis und setzt den Leiharbeitnehmer in seinem Betrieb ein. Er trägt die Verantwortung dafür, dass die Arbeitssicherheit und die gesetzlichen Arbeitszeitregelungen eingehalten werden. Da der Entleiher das „Hausrecht“ über den Leiharbeitnehmer ausübt, muss er sicherstellen, dass der Leiharbeitnehmer im Betrieb weder diskriminiert wird noch benachteiligt ist.
Diese Dualität der Arbeitsverhältnisse führt in der Praxis häufig zu rechtlichen Unsicherheiten und Missverständnissen. Arbeitgeber müssen sicherstellen, dass die Abgrenzung der Verantwortlichkeiten klar geregelt ist, um Konflikte und rechtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden.
3. Problematik und Risiko der verdeckten Arbeitnehmerüberlassung
Eine besondere Herausforderung der Arbeitnehmerüberlassung besteht in der Abgrenzung zu anderen Vertragsformen, wie beispielsweise dem Werkvertrag oder dem Dienstvertrag. In der Praxis kommt es immer wieder vor, dass diese Vertragsformen genutzt werden, um die gesetzlichen Vorgaben der Arbeitnehmerüberlassung zu umgehen.
Dies kann schwerwiegende rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen:
Verdeckte Arbeitnehmerüberlassung: Von einer verdeckten Arbeitnehmerüberlassung spricht man, wenn die Überlassung eines Arbeitnehmers formal als Dienst- oder Werkvertrag ausgestaltet wird, in der tatsächlichen Umsetzung jedoch der Arbeitnehmer wie ein eigener Mitarbeiter des Auftraggebers behandelt wird. Hierzu gehört beispielsweise die Eingliederung in die Betriebsorganisation, die Ausübung des Weisungsrechts durch den Auftraggeber oder die Nutzung betrieblicher Arbeitsmittel des Auftraggebers.
Folgen der verdeckten Arbeitnehmerüberlassung: Wird eine verdeckte Arbeitnehmerüberlassung festgestellt, hat dies zur Folge, dass ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Leiharbeitnehmer und dem Entleiher kraft Gesetzes entsteht (§ 10 Abs. 1 AÜG). Dies bedeutet, dass der Entleiher dann als rechtlicher Arbeitgeber anzusehen ist, mit allen damit verbundenen Pflichten und Risiken (wie beispielsweise Lohnzahlung, Sozialversicherungsbeiträge).
Strafrechtliche und bußgeldrechtliche Konsequenzen: Arbeitgeber, die eine Arbeitnehmerüberlassung ohne die erforderliche Erlaubnis durchführen oder die gesetzlichen Bestimmungen missachten, riskieren erhebliche Bußgelder bis zu EUR 500.000 sowie strafrechtliche Konsequenzen bei vorsätzlicher Umgehung der AÜG-Regelungen (§ 16 AÜG).
Um das Risiko einer verdeckten Arbeitnehmerüberlassung zu minimieren, sollten Unternehmen sorgfältig prüfen, ob ihre Verträge und deren tatsächliche Durchführung den gesetzlichen Anforderungen des AÜG entsprechen.
4. Rechtsfolgen einer rechtswidrigen Arbeitnehmerüberlassung
Liegt eine rechtswidrige Arbeitnehmerüberlassung vor, kann dies zu schwerwiegenden Konsequenzen führen:
Begründung eines Arbeitsverhältnisses: Wie bereits erwähnt, entsteht in solchen Fällen zwischen dem Leiharbeitnehmer und dem Entleiher ein Arbeitsverhältnis kraft Gesetzes. Der Entleiher wird dann zum rechtlichen Arbeitgeber des Leiharbeitnehmers und übernimmt die damit verbundenen Verpflichtungen.
Bußgeldverfahren: Verstöße gegen die AÜG-Bestimmungen können empfindliche Bußgelder nach sich ziehen. Dies betrifft insbesondere Fälle, in denen die Arbeitnehmerüberlassung ohne Erlaubnis erfolgt oder die Überlassungsdauer überschritten wird.
Reputationsschäden: Zusätzlich zu den rechtlichen Konsequenzen kann eine rechtswidrige Arbeitnehmerüberlassung erhebliche Reputationsschäden für das betroffene Unternehmen nach sich ziehen. Vertrauen von Geschäftspartnern, Kunden und Arbeitnehmern kann verloren gehen, was langfristige Auswirkungen auf die Geschäftstätigkeit haben kann.
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5. Häufige Fragen zur Arbeitnehmerüberlassung
a) Was ist der Unterschied zwischen Arbeitnehmerüberlassung und Werkvertrag?
Bei der Arbeitnehmerüberlassung wird ein Arbeitnehmer einem Dritten zur Arbeitsleistung überlassen, wobei der Dritte das Weisungsrecht ausübt. Beim Werkvertrag verpflichtet sich der Auftragnehmer hingegen zur Herstellung eines bestimmten Werkes oder zur Erbringung einer Dienstleistung, ohne dass der Auftraggeber ein direktes Weisungsrecht über die eingesetzten Arbeitnehmer hat (§ 631 BGB).
b) Welche Pflichten hat der Verleiher im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung?
Der Verleiher bleibt der rechtliche Arbeitgeber des Leiharbeitnehmers und ist verantwortlich für
- die Zahlung des Lohns,
- die Gewährleistung des Arbeitsschutzes und
- die Einhaltung der sozialversicherungsrechtlichen Pflichten.
Er muss zudem sicherstellen, dass alle gesetzlichen Bestimmungen des AÜG eingehalten werden.
c) Welche Rechte haben Leiharbeitnehmer?
Leiharbeitnehmer haben Anspruch auf gleiches Entgelt (Equal Pay) und gleiche Arbeitsbedingungen (Equal Treatment) wie vergleichbare Stammmitarbeiter des Entleihers. Zudem haben sie Anspruch auf Einhaltung der Arbeitszeitregelungen und des Arbeitsschutzes.
d) Was passiert, wenn keine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung vorliegt?
Fehlt die erforderliche Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung, kann ein Bußgeld verhängt werden, und es entsteht ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Leiharbeitnehmer und dem Entleiher kraft Gesetzes.
e) Wann handelt es sich um eine verdeckte Arbeitnehmerüberlassung?
Eine verdeckte Arbeitnehmerüberlassung liegt vor, wenn ein Vertrag formal als Werk- oder Dienstvertrag ausgestaltet ist, in der praktischen Durchführung jedoch Arbeitnehmer in die Arbeitsorganisation des Auftraggebers eingegliedert und dessen Weisungen unterstellt werden.
6. Rechtsprechung zur Arbeitnehmerüberlassung (AÜG):
- Arbeitnehmerüberlassung – gemeinschaftlicher Betrieb: Kennzeichnend für Gemeinschaftsbetrieb iSd. § 1 Abs. 1 Satz 2 BetrVG ist die Errichtung eines gemeinsamen Betriebsrats. Existieren in einem Betrieb aufgrund tarifvertraglicher Vorgaben mehrere Betriebsräte, die jeweils für die Arbeitnehmer eines Arbeitgebers zuständig sind, kann dies einen wesentlichen Hinweis darauf geben, dass die im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer lediglich in formaler Hinsicht einer einheitlichen Leitung, tatsächlich aber einer nach Vertragsarbeitgebern getrennten Personalführung unterliegen (…) Eine Überlassung zur Arbeitsleistung iSd. § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG liegt nicht vor, wenn der Arbeitnehmer in einem Gemeinschaftsbetrieb beschäftigt wird, zu dessen gemeinsamer Führung sich sein Arbeitgeber und ein Dritter rechtlich verbunden haben (BAG 24.05.2022 – 9 AZR 337/21).
- Unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung mit Auslandsbezug: Ein Verleiher iSv. § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG aF, der seinen Sitz im Ausland hat, bedarf der Erlaubnis, wenn er Leiharbeitnehmer ins Inland überlässt. (…) Neben einem im Ausland fortbestehenden Arbeitsverhältnis mit dem Verleiher wird kein weiteres Arbeitsverhältnis des Leiharbeitnehmers mit dem Entleiher im Inland begründet, wenn ein Leiharbeitnehmer aus dem Ausland unerlaubt ins Inland überlassen wird. Ein Nebeneinander von Leiharbeitsvertrag und fingiertem Arbeitsverhältnis ist ausgeschlossen (BAG 26.04.2022 – 9 AZR 228/21).
- Mitbestimmung und Arbeitnehmerüberlassung: Beabsichtigt der Entleiher, einen Leiharbeitnehmer mehr als vorübergehend zu beschäftigen, kann der Betriebsrat des Entleiherbetriebs die Zustimmung zur Übernahme verweigern (BAG 10.07.2013 – 7 ABR 91/11).
- Offenlegung und Konkretisierung der Arbeitnehmerüberlassung: Die Erfüllung der Offenlegungspflicht und der Konkretisierungspflicht (§ 1 Abs. 1 AÜG) setzt das Bestehen eines formwirksamen Arbeitnehmerüberlassungsvertrags im Zeitpunkt des Überlassungsbeginns voraus (BAG 05.03.2024 – 9 AZR 204/23).
Wenn Sie Leiharbeiter beschäftigen oder verleihen wollen oder wenn Sie Sorge haben, eine rechtswidrige Arbeitnehmerüberlassung zu betreiben, sprechen Sie mich gern an.
Dr. Daniel Weigert, LL.M. (Lund)
Rechtsanwalt · Fachanwalt für Arbeitsrecht
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Data Protection Risk Manager
Wirtschaftsmediator (IHK)
Negotiator (EBS) · Negotiation Master Class (Harvard)
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