Sorgen Sie sich, dass vertrauliche Informationen Ihres Unternehmens an die Konkurrenz gelangen könnten? Fragen Sie sich, wie gut Ihre Geschäftsgeheimnisse geschützt sind? Oder überlegen Sie, welche rechtlichen Schritte Sie einleiten können, wenn ein Mitarbeiter ein Geschäftsgeheimnis preisgegeben hat?
Arbeitgeber haben häufig ein großes Interesse daran, dass Arbeitnehmer ihre Geschäftsgeheimnisse nicht weiterverwenden bzw. verraten. Dies insbesondere nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. In welchem Umfang Arbeitnehmer Informationen, die sie im Arbeitsverhältnis erlangt haben, preisgeben dürfen, hängt insbesondere davon ab, ob es sich um ein Geschäftsgeheimnis handelt.
Nachfolgend wird erläutert, was ein Geschäftsgeheimnis ist (dazu unter 1.), wann Geschäftsgeheimnisse geschützt sind (dazu unter 2.) und was als Verstoß gegen die Geheimhaltungspflicht gilt (dazu unter 3.). Außerdem erfahren Sie, welche Rechtsfolgen bei Verstößen drohen (dazu unter 4.), welche Informationen typischerweise als Geschäftsgeheimnisse gelten (dazu unter 5.) und welche Besonderheiten für Betriebsräte gelten (dazu unter 6.).
Schließlich werden typische Fragen zu diesem Thema beantwortet (dazu unter 7.) und relevante Rechtsprechung dargestellt (dazu unter 8.).
1. Was ist ein Geschäftsgeheimnis?
Die einzelnen Regelungen zu Geschäftsgeheimnissen finden sich in dem am 26. April 2019 in Kraft getretenen Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (GeschGehG).
Ein Geschäftsgeheimnis definiert § 2 GeschGehG als Information, die in den relevanten Kreisen nicht allgemein bekannt oder zugänglich und deshalb von wirtschaftlichem Wert ist, vom Inhaber in angemessenem Umfang geschützt wird und für deren Geheimhaltung ein berechtigtes Interesse besteht.
- Nicht allgemein bekannt oder zugänglich: Die Information darf nicht leicht zugänglich sein, sondern muss spezifisch und exklusiv sein.
- Wirtschaftlicher Wert: Die Information muss einen tatsächlichen oder potentiellen wirtschaftlichen Vorteil bieten, weil sie geheim ist.
- Angemessene Schutzmaßnahmen: Der Inhaber muss zumutbare Anstrengungen unternehmen, um die Information geheim zu halten.
Offenkundige Tatsachen, die sich jeder Interessierte ohne besondere Mühen beschaffen kann, zählen nicht zu den Geschäftsgeheimnissen.
Eine besonders problematische Frage ist, welche Geheimhaltungsmaßnahmen als „angemessen“ gelten, um Geschäftsgeheimnisse zu schützen (vgl. Weigert, NZA 2020, 209).
2. Wann sind Geschäftsgeheimnisse geschützt?
Sowohl während des Arbeitsverhältnisses als auch danach sind Arbeitnehmer bereits aufgrund ihrer Treuepflicht verpflichtet, Geschäftsgeheimnisse des Arbeitgebers zu wahren. Zu klären ist in diesem Zusammenhang, ob die Verschwiegenheitsvereinbarung qualifiziert ist, also so umfangreich, dass sie einem Wettbewerbsverbot gleichzusetzen ist. In diesem Fall wären die rechtlichen Voraussetzungen eines Wettbewerbsverbots zu prüfen (§ 74 ff. HGB). Die Vereinbarung einer Verschwiegenheit in Bezug auf Informationen, die den Arbeitnehmer in seinem beruflichen Fortkommen nicht hindern, ist dagegen uneingeschränkt zulässig.
3. Was gilt als Verstoß gegen die Geheimhaltungspflicht?
Ein Verstoß gegen die Geheimhaltungspflicht nach dem GeschGehG liegt vor, wenn bestimmte Handlungen in Bezug auf ein Geschäftsgeheimnis unrechtmäßig erfolgen. Das Gesetz unterscheidet dabei zwischen dem Erlangen, dem Nutzen und dem Offenlegen von Geschäftsgeheimnissen. Diese Handlungen sind im Einzelnen in § 4 GeschGehG geregelt und können sowohl durch den Arbeitnehmer als auch durch Dritte erfolgen.
a) Erlangen von Geschäftsgeheimnissen
Das unrechtmäßige Erlangen eines Geschäftsgeheimnisses liegt vor, wenn eine Person ein Geschäftsgeheimnis durch einen widerrechtlichen Zugang, durch Aneignung, Kopieren, oder eine andere unrechtmäßige Handlung erlangt. Dies umfasst beispielsweise das Hacking von Computersystemen, das Abfotografieren von vertraulichen Dokumenten oder das Mitnehmen von sensiblen Unterlagen ohne Genehmigung des Arbeitgebers. Auch die Täuschung oder die Ausnutzung einer Vertrauensstellung können als widerrechtliche Mittel angesehen werden.
b) Nutzen von Geschäftsgeheimnissen
Ein Verstoß gegen die Geheimhaltungspflicht liegt auch dann vor, wenn eine Person ein Geschäftsgeheimnis, das auf unrechtmäßige Weise erlangt wurde, verwendet. Das Nutzen kann in unterschiedlichen Formen geschehen, etwa durch die Verwertung von Produktionsmethoden, das Anbieten von Produkten auf Basis der erlangten Informationen oder die Verwendung von Geschäftsstrategien, die auf geheimen Informationen beruhen. Auch der Versuch, durch das erlangte Geschäftsgeheimnis einen wirtschaftlichen Vorteil zu erlangen, wird als Nutzung verstanden.
c) Offenlegen von Geschäftsgeheimnissen
Das Offenlegen eines Geschäftsgeheimnisses ist ebenfalls untersagt, wenn es unrechtmäßig erfolgt. Dies ist der Fall, wenn eine Person das Geschäftsgeheimnis an Dritte weitergibt, ohne dazu berechtigt zu sein. Ein typisches Beispiel wäre die Weitergabe von vertraulichen Informationen an Wettbewerber oder die Veröffentlichung in der Öffentlichkeit. Hierbei spielt es keine Rolle, ob die Weitergabe mündlich, schriftlich oder auf anderem Wege erfolgt.
d) Was hingegen sind erlaubte Handlungen?
Erlaubte Handlungen gemäß § 3 GeschGehG sind die Erlangung des Geschäftsgeheimnisses durch
- eigenständige Entdeckung oder Schöpfung,
- Beobachten, Untersuchen, Rückbauen oder Testen eines Produkts oder Gegenstands, das öffentlich verfügbar gemacht wurde (sog. “Reverse-Engineering”, unter Beachtung etwaiger anderer Schutzrechte wie beispielsweise Patentrechte) oder
- den rechtmäßigen Besitz des Beobachtenden, Untersuchenden, Rückbauenden oder Testenden und wenn dieser keine Pflicht zur Beschränkung des Geschäftsgeheimnisses unterliegt,
- die Ausübung der Informations- und Anhörungsrecht der Arbeitnehmer oder Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmervertretungen, wie beispielsweise Betriebs-/Personalrat.
In bestimmten Fällen können auch das Whistleblowing oder das Handeln im öffentlichen Interesse eine Rechtfertigung bieten. In solchen Fällen wird das Geheimhaltungsinteresse des Unternehmens hinter dem öffentlichen Interesse zurückgestellt.
4. Rechtsfolgen bei Verstößen
Verstößt ein Arbeitnehmer gegen die Geheimhaltungspflicht, können verschiedene Rechtsfolgen eintreten:
- Auskunftsansprüche: Der Arbeitgeber kann Auskunft über den Umfang der rechtswidrigen Nutzung oder Weitergabe verlangen.
- Schadensersatzansprüche: Der Arbeitgeber kann den durch die Verletzung entstandenen Schaden ersetzt verlangen.
- Unterlassungsansprüche: Der Arbeitgeber kann verlangen, dass der Arbeitnehmer die Nutzung oder Weitergabe unterlässt.
- Kündigung: Während des Arbeitsverhältnisses kann der Verstoß den Arbeitgeber grundsätzlich zur fristlosen Kündigung berechtigen.
- Strafbarkeit: In schweren Fällen kann eine Strafbarkeit gemäß § 23 GeschGehG vorliegen.
5. Typische Geschäftsgeheimnisse
Typische Geschäftsgeheimnisse umfassen beispielsweise:
- Kundenlisten: Informationen über bestehende oder potenzielle Kunden.
- Herstellungsverfahren: Techniken und Prozesse zur Produktion von Waren.
- Preiskalkulationen: Interne Berechnungen zur Preisgestaltung.
- Marketingpläne: Strategien zur Markterschließung und -pflege.
- Umsatzlisten: Aufstellungen über erzielte Umsätze.
- Unterlagen zur Finanzlage: Detaillierte Informationen über die finanzielle Situation des Unternehmens.
- Marktanalysen: Studien und Berichte über Marktbedingungen und -trends.
- Gehaltslisten: Informationen über die Vergütung der Mitarbeiter.
- Formeln und Rezepte: Spezielle Zusammensetzungen und Herstellungsweisen von Produkten.
6. Besonderheiten für Betriebsräte
Nach § 5 Nr. 3 GeschGehG ist es Arbeitnehmern erlaubt, die jeweilige Arbeitnehmervertretung über Geschäftsgeheimnisse zu informieren, wenn dies zur Aufgabenerfüllung des Betriebsrats erforderlich ist.
Betriebsratsmitglieder selbst sind nach § 79 Abs. 1 BetrVG zur Geheimhaltung verpflichtet, soweit ihnen Informationen aufgrund ihrer Zugehörigkeit zum Betriebsrat bekannt geworden sind und der Arbeitgeber sie als geheimhaltungsbedürftig bezeichnet hat. Das Verbot richtet sich an das Gremium und jedes seiner Mitglieder. Allerdings kann der Arbeitgeber nicht etwa mitgeteilte Personalabbaupläne als solche per se zu einem Geschäftsgeheimnis erklären.
7. Häufige Fragen zum Thema Schutz von Geschäftsgeheimnissen:
a) Was passiert, wenn ein Arbeitnehmer ein Geschäftsgeheimnis preisgibt?
Wenn ein Arbeitnehmer ein Geschäftsgeheimnis unbefugt preisgibt, kann der Arbeitgeber rechtliche Schritte einleiten, darunter Auskunfts-, Schadensersatz- und Unterlassungsansprüche. Bei schwerwiegenden Verstößen ist auch eine fristlose Kündigung und unter Umständen eine strafrechtliche Verfolgung möglich.
b) Darf ein Arbeitnehmer Geschäftsgeheimnisse nach der Kündigung nutzen?
Ein Arbeitnehmer darf Geschäftsgeheimnisse auch nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht unbefugt nutzen oder offenlegen. Diese Pflicht besteht aufgrund der Treuepflicht fort und wird durch Verschwiegenheitsvereinbarungen zusätzlich gestärkt.
c) Welche Maßnahmen muss ein Arbeitgeber ergreifen, um Geschäftsgeheimnisse zu schützen?
Der Arbeitgeber muss angemessene Maßnahmen ergreifen, um Geschäftsgeheimnisse zu schützen. Dies können physische Schutzmaßnahmen, wie Zugangsbeschränkungen, oder rechtliche Maßnahmen, wie Verschwiegenheitsvereinbarungen, sein. Was als „angemessen“ gilt, hängt von der Art und dem Wert der Information sowie den üblichen Sicherheitsstandards in der Branche ab.
d) Welche Informationen zählen nicht als Geschäftsgeheimnisse?
Informationen, die allgemein bekannt oder leicht zugänglich sind, zählen nicht als Geschäftsgeheimnisse. Dies schließt offenkundige Tatsachen und allgemein verfügbare Daten ein.
e) Kann ein Arbeitgeber sämtliche Informationen als Geschäftsgeheimnisse deklarieren?
Nein, ein Arbeitgeber kann nicht wahllos alle Informationen als Geschäftsgeheimnisse deklarieren. Nur Informationen, die die Kriterien des § 2 GeschGehG erfüllen, können als Geschäftsgeheimnisse geschützt werden. Dazu müssen sie wirtschaftlichen Wert haben, nicht allgemein bekannt oder zugänglich sein und angemessen geschützt werden.
f) Wie lange gilt die Pflicht zur Geheimhaltung von Geschäftsgeheimnissen?
Die Pflicht zur Geheimhaltung von Geschäftsgeheimnissen gilt grundsätzlich auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses fort, solange die Informationen weiterhin die Kriterien eines Geschäftsgeheimnisses erfüllen und der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse an deren Geheimhaltung hat.
8. Rechtsprechung zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen:
- Angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen im Sinne des § 2 GeschGehG können je nach den Umständen des Einzelfalles auch dann vorliegen, wenn die für den Inhaber des Geschäftsgeheimnisses handelnden Personen keine ausdrückliche Vertraulichkeitsvereinbarung getroffen haben und vertragliche Verschwiegenheitsklauseln unwirksam sind. Ein allein im Individualinteresse des Rechtsverletzers ausgeübtes „Whistleblowing“ begründet kein berechtigtes Interesse zur Nutzung des Geschäftsgeheimnisses i.S.d. § 5 GeschGehG (OLG Schleswig-Holstein 28.04.2022 – 6 U 39/21).
- § 6 Satz 2 IFG schützt jedenfalls im Sinne eines Mindeststandards Geschäftsgeheimnisse nach § 2 GeschGehG. Das Bekanntwerden eines zwischen einer gesetzlichen Krankenkasse und einem pharmazeutischen Unternehmer nach vereinbarten Rabattes wäre geeignet, wirtschaftliche Interessen der Sozialversicherungen zu beeinträchtigen (BVerwG 17.06.2020 – 10 C 22/19).
- Liegt ein mögliches Geschäftsgeheimnis vor, ist in aller Regel nur eine Einstufung als geheimhaltungsbedürftig ermessensfehlerfrei. Etwas anderes kommt allenfalls bei eindeutig rechtsmissbräuchlichen Anträgen in Betracht. Für das Vorliegen eines Geschäftsgeheimnisses genügt die Glaubhaftmachung der tatbestandlichen Voraussetzungen. Davon ist auszugehen, wenn nach freier Würdigung eine überwiegende Wahrscheinlichkeit besteht (LAG Baden-Württemberg 22.09.2023 – 7 Ta 1/22).
Wenn Sie Hilfe in Bezug auf den Schutz Ihrer Geschäftsgeheimnisse benötigen, etwa bei der Gestaltung vertraglicher Geheimnisschutzregelungen, sprechen Sie uns gern an.

Dr. Daniel Weigert, LL.M. (Lund)
Rechtsanwalt · Fachanwalt für Arbeitsrecht
MBA
Data Protection Risk Manager
Wirtschaftsmediator (IHK)
Negotiator (EBS) · Negotiation Master Class (Harvard)
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