Sie vermuten, dass Sie aufgrund Ihres Geschlechts für eine gleichwertige Arbeit weniger verdienen als Ihre Kolleginnen oder Kollegen? Möchten Sie wissen, welche Rechte Ihnen das Entgelttransparenzgesetz gewährt und welche Schritte Sie unternehmen können, um für Lohngleichheit zu sorgen?
Dieser Artikel gibt einen Überblick über die wesentlichen Bestimmungen des Entgelttransparenzgesetzes (dazu unter 1.), die Kriterien für gleiche und gleichwertige Tätigkeiten (dazu unter 2.), die Rechte von Arbeitnehmern bei vermuteter Entgeltdiskriminierung (dazu unter 3.) und die rechtlichen Schritte bei Feststellung einer geschlechtsspezifischen Lohndiskriminierung (dazu unter 4.).
Abschließend werden häufig gestellte Fragen beantwortet (dazu unter 5.), um Ihnen eine umfassende Orientierung zu diesem wichtigen Thema des Arbeitsrechts zu geben und relevante Rechtsprechung dargestellt (dazu unter 6.).
1. Zielsetzung und Anwendungsbereich des Entgelttransparenzgesetzes
Das Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG), welches am 6. Juli 2017 in Kraft getreten ist, ist ein zentrales Instrument zur Sicherstellung der Gleichbehandlung im Arbeitsrecht. Sein Hauptziel ist es, das Prinzip des gleichen Entgelts für weibliche und männliche Arbeitskräfte durchzusetzen, die die gleiche oder eine gleichwertige Tätigkeit ausüben (§ 1 EntgTranspG). Es geht dabei um die Beseitigung der geschlechtsspezifischen Lohnungleichheit und die Förderung der Entgelttransparenz innerhalb von Unternehmen.
Das Entgelttransparenzgesetz dient der Umsetzung des Grundsatzes “gleicher Lohn für gleiche oder gleichwertige Arbeit” und richtet sich sowohl an private als auch an öffentliche Arbeitgeber. Im Zentrum steht die Verpflichtung der Arbeitgeber, Transparenz hinsichtlich der Entgeltstrukturen zu schaffen und sicherzustellen, dass kein Arbeitnehmer oder keine Arbeitnehmerin aufgrund des Geschlechts benachteiligt wird.
Geltungsbereich: Das EntgTranspG findet Anwendung auf alle Unternehmen mit in der Regel mehr als 200 Beschäftigten, wobei diese Grenze auf den jeweiligen Betrieb und nicht auf das Unternehmen als Ganzes abzustellen ist. Kleinere Unternehmen sind nicht direkt vom Auskunftsanspruch betroffen, können jedoch durch Tarifverträge oder betriebliche Vereinbarungen Regelungen zur Entgelttransparenz vorsehen.
Grundsatz der Entgeltgleichheit: Gemäß § 3 EntgTranspG haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Anspruch auf gleiches Entgelt für die gleiche oder eine gleichwertige Arbeit. Dies bedeutet, dass Unterschiede im Entgelt, die auf das Geschlecht zurückzuführen sind, rechtswidrig sind und beseitigt werden müssen.
Definition von “Entgelt”: Unter Entgelt versteht das Gesetz nicht nur das Grundgehalt, sondern auch alle geldwerten Vorteile, die im Zusammenhang mit der Tätigkeit gezahlt werden, wie beispielsweise Boni, Zulagen, Prämien und Sachleistungen (§ 5 EntgTranspG).
2. Kriterien für gleiche und gleichwertige Tätigkeiten
Das Entgelttransparenzgesetz differenziert zwischen gleicher Arbeit und gleichwertiger Arbeit (§ 4 EntgTranspG). Diese Unterscheidung ist entscheidend für die Bewertung, ob eine Lohndiskriminierung vorliegt.
Gleiche Arbeit: Eine Tätigkeit wird als gleich angesehen, wenn an unterschiedlichen Arbeitsplätzen identische Tätigkeiten verrichtet werden. Dies umfasst Fälle, in denen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen im gleichen Job unter den gleichen Bedingungen arbeiten.
Gleichwertige Arbeit: Eine Tätigkeit ist gleichwertig, wenn sie in Bezug auf bestimmte Kriterien vergleichbar ist, selbst wenn die Tätigkeiten nicht identisch sind. Entscheidend sind hierbei folgende Kriterien:
- Art der Arbeit: Umfasst die inhaltliche Tätigkeit und die damit verbundenen Aufgaben.
- Bedingungen der Arbeit: Bezieht sich auf die äußeren Umstände der Arbeit, wie beispielsweise Arbeitsumgebung und -zeit.
- Anforderungen der Arbeitsstelle: Betrachtet die Qualifikation, Ausbildung, Erfahrung und Fähigkeiten, die für die Arbeit erforderlich sind.
- Verantwortung und körperliche Anforderungen: Berücksichtigt die Verantwortung, Risiken und Belastungen, die mit der Tätigkeit verbunden sind.
Das EntgTranspG unterscheidet weiterhin zwischen einer unmittelbaren und einer mittelbaren Entgeltbenachteiligung:
- Eine unmittelbare Benachteiligung liegt hiernach vor, wenn eine Beschäftigte oder ein Beschäftigter wegen des Geschlechts bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit ein geringeres Entgelt erhält, als eine Beschäftigte oder ein Beschäftigter des jeweils anderen Geschlechts erhält, erhalten hat oder erhalten würde (§ 3 Abs. 2 EntgTranspG).
- Eine mittelbare Benachteiligung hingegen, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Beschäftigte wegen des Geschlechts gegenüber Beschäftigten des jeweils anderen Geschlechts in Bezug auf das Entgelt in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich (§ 3 Abs. 3 EntgTranspG).
3. Rechte von Arbeitnehmern bei vermuteter Entgeltdiskriminierung
Arbeitnehmer, die vermuten, dass sie aufgrund ihres Geschlechts geringer bezahlt werden als vergleichbare Arbeitskräfte des anderen Geschlechts, haben das Recht, bestimmte Schritte einzuleiten:
Auskunftsanspruch nach § 10 EntgTranspG: Beschäftigte haben das Recht, von ihrem Arbeitgeber Auskunft über das Durchschnittsgehalt der Vergleichsgruppe des anderen Geschlechts zu erhalten. Dieser Anspruch gilt für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Unternehmen mit mehr als 200 Beschäftigten.
Definition der Vergleichsgruppe: Eine Vergleichsgruppe muss aus mindestens sechs Arbeitskräften des anderen Geschlechts bestehen, die dieselbe oder eine gleichwertige Tätigkeit ausüben. Die Vergütung dieser Vergleichsgruppe wird zur Ermittlung eines Durchschnittsgehalts herangezogen.
Verfahren zur Geltendmachung des Auskunftsanspruchs: Der Arbeitnehmer muss den Auskunftsanspruch schriftlich geltend machen. Der Arbeitgeber ist dann verpflichtet, innerhalb von drei Monaten eine Antwort zu erteilen. In der Praxis erfolgt die Beantwortung häufig durch den Betriebsrat, wenn ein solcher im Unternehmen besteht.
Inhalt der Auskunft: Die Auskunft umfasst das Durchschnittsentgelt der Vergleichsgruppe sowie Informationen über die maßgeblichen Entgeltbestandteile und die Entgeltkriterien.
4. Rechtliche Schritte bei Feststellung einer geschlechtsspezifischen Lohndiskriminierung
Stellt sich nach der Auskunftserteilung heraus, dass eine geschlechtsspezifische Lohndiskriminierung vorliegt, stehen den betroffenen Arbeitnehmern verschiedene rechtliche Möglichkeiten offen:
Anspruch auf Anpassung des Entgelts: Der betroffene Arbeitnehmer kann den Arbeitgeber auffordern, das Entgelt anzupassen, sodass es dem Entgelt der Vergleichsgruppe entspricht. Sollte der Arbeitgeber dieser Aufforderung nicht nachkommen, kann der Arbeitnehmer seinen Anspruch gerichtlich geltend machen.
Schadenersatz- und Entschädigungsansprüche: Neben dem Anspruch auf Entgeltnachzahlung können betroffene Arbeitnehmer auch Schadenersatz- und Entschädigungsansprüche nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) geltend machen. Der Arbeitgeber muss nachweisen, dass keine geschlechtsbedingte Ungleichbehandlung vorliegt, um von der Haftung befreit zu werden.
Einschaltung des Betriebsrats oder einer externen Stelle: In Unternehmen mit einem Betriebsrat kann dieser ebenfalls als Vermittler eingeschaltet werden, um den Anspruch auf Entgeltgleichheit durchzusetzen. Alternativ können Arbeitnehmer auch externe Beratungsstellen oder Gewerkschaften um Unterstützung bitten.
Gerichtliche Klärung: Sollte eine außergerichtliche Einigung nicht möglich sein, steht den Betroffenen der Rechtsweg offen. Zuständig sind die Arbeitsgerichte. Arbeitnehmer sollten sich hierbei anwaltlich vertreten lassen, um ihre Ansprüche effektiv durchzusetzen.
Wenn Sie mehr über das AGG erfahren möchten, lesen Sie gerne meinen Artikel zum Thema “Typische Indizien für eine Diskriminierung im Sinne des AGG”.
5. Häufige Fragen zum Entgelttransparenzgesetz
a) Wer kann einen Auskunftsanspruch nach dem Entgelttransparenzgesetz geltend machen?
Alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Betrieben mit mehr als 200 Beschäftigten haben das Recht, einen Auskunftsanspruch geltend zu machen. In kleineren Unternehmen besteht dieser Anspruch grundsätzlich nicht, es sei denn, es gibt abweichende Regelungen in Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen.
b) Was ist eine Vergleichsgruppe und wie wird das Durchschnittsentgelt ermittelt?
Eine Vergleichsgruppe besteht aus mindestens sechs Arbeitskräften des anderen Geschlechts, die gleiche oder gleichwertige Tätigkeiten ausüben. Das Durchschnittsentgelt wird auf Grundlage dieser Vergleichsgruppe berechnet und den anfragenden Arbeitnehmern mitgeteilt.
c) Welche Schritte sind notwendig, wenn ich eine Lohndiskriminierung vermute?
Der erste Schritt ist die Geltendmachung des Auskunftsanspruchs. Erhalten Sie keine befriedigende Auskunft oder wird ein geringeres Entgelt festgestellt, können Sie eine Anpassung des Entgelts verlangen oder gerichtlich gegen den Arbeitgeber vorgehen.
d) Was passiert, wenn der Arbeitgeber keine ausreichende Auskunft erteilt?
Unterlässt der Arbeitgeber die Auskunft oder gibt er eine unvollständige oder falsche Auskunft, können Sanktionen drohen. Zudem kann dies in einem Gerichtsverfahren zu einer Beweislastumkehr führen, die zu Lasten des Arbeitgebers geht.
e) Kann auch eine Entschädigung gefordert werden?
Ja, Arbeitnehmer, die aufgrund ihres Geschlechts diskriminiert werden, können neben der Anpassung des Entgelts auch Schadenersatz und Entschädigung verlangen. Dies gilt insbesondere bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Diskriminierung.
6. Rechtsprechung zum Entgelttransparenzgesetz:
- Arbeitnehmer und arbeitnehmerähnliche Personen haben einen individuellen Auskunftsanspruch zur Überprüfung der Einhaltung des Entgeltgleichheitsgebots nach Maßgabe der §§ 11 ff. EntgTranspG. Das Auskunftsverlangen ist an den Arbeitgeber oder – soweit vorhanden – Betriebs- bzw. Personalrat zu stellen. Eine nicht ordnungsgemäße Adressierung stellt die Ordnungsgemäßheit ihres Verlangens nicht in Frage. Der Begriff „einzelne Entgeltbestandteile“ in § 10 Abs. 1 Satz 3 EntgTranspG ist dahin auszulegen, dass sowohl gezielt nach bestimmten Entgeltbestandteilen gefragt werden kann, bei denen eine Ungleichbehandlung vermutet wird, als auch nach vergleichbaren Entgeltbestandteilen, die eine Gruppe bilden (BAG 25.06.2020 – 8 AZR 145/19).
- Klagt eine Frau auf gleiches Entgelt für gleiche oder gleichwertige Arbeit begründet der Umstand, dass ihr Entgelt geringer ist als das vom Arbeitgeber nach §§ 10 ff. EntgTranspG mitgeteilte Vergleichsentgelt (Median-Entgelt) der männlichen Vergleichsperson(en), regelmäßig die – vom Arbeitgeber widerlegbare – Vermutung, dass die Benachteiligung beim Entgelt wegen des Geschlechts erfolgt ist (BAG 21.01.2021 – 8 AZR 488/19).
- Eine Entgeltbenachteiligung wegen des Geschlechts wird nach § 22 AGG vermutet, wenn eine Partei darlegt und beweist, dass ihr Arbeitgeber ihr ein niedrigeres Entgelt zahlt als ihren zum Vergleich herangezogenen Kollegen/Kolleginnen des anderen Geschlechts und dass sie die gleiche oder eine gleichwertige Arbeit verrichtet. Der Umstand, dass sich die Parteien eines Arbeitsvertrags im Rahmen ihrer Vertragsfreiheit auf ein höheres Entgelt verständigen als der Arbeitgeber mit einer Arbeitskraft des anderen Geschlechts mit gleicher oder gleichwertiger Arbeit vereinbart, ist für sich allein betrachtet nicht geeignet, die Vermutung einer geschlechtsbezogenen Entgeltbenachteiligung zu widerlegen (BAG 16.02.2023 – 8 AZR 450/21).
- Aus dem entgeltlistenbezogenen Einsichts- und Auswertungsrecht des § 13 Abs. 2 Satz 1 EntgTranspG folgt kein Anspruch des Betriebsrats auf dauerhafte Überlassung der Listen über die Bruttolöhne und -gehälter (BAG 29.09.2020 – 1 ABR 32/19).
Wenn Sie weitere Fragen zum Entgelttransparenzgesetz haben, dann kontaktieren Sie mich gerne.
Dr. Daniel Weigert, LL.M. (Lund)
Rechtsanwalt · Fachanwalt für Arbeitsrecht
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