Sind Sie krank und fragen sich, ob Sie während Ihrer Arbeitsunfähigkeit weiterhin Anspruch auf Ihr volles Gehalt haben? Möchten Sie wissen, welche Pflichten Sie als Arbeitnehmer haben, wenn Sie erkrankt sind, und wie Sie Ihre Rechte auf Entgeltfortzahlung geltend machen können?
Dieser Artikel gibt Ihnen einen Überblick über die wesentlichen Regelungen des Entgeltfortzahlungsgesetzes (dazu unter 1.), die Voraussetzungen für den Anspruch auf Entgeltfortzahlung bei Krankheit (dazu unter 2.), die Pflichten der Arbeitnehmer bei Arbeitsunfähigkeit (dazu unter 3.) sowie die Regelungen zur Entgeltfortzahlung bei Urlaub und Folgeerkrankungen (dazu unter 4.).
Abschließend werden häufig gestellte Fragen beantwortet (dazu unter 5.), um Ihnen eine umfassende Orientierung zu diesem wichtigen Thema des Arbeitsrechts zu geben und relevante Rechtsprechung dargestellt (dazu unter 6.).
1. Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall
Das Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) regelt die Ansprüche von Arbeitnehmern auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall sowie an Feiertagen. Die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ist ein zentrales Element des Arbeitsrechts in Deutschland und sichert Arbeitnehmern ihr Einkommen, wenn sie aufgrund von Krankheit nicht arbeiten können. Dieses Recht ist jedoch an bestimmte Voraussetzungen und Pflichten gebunden, die sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber beachten müssen.
Das EFZG stellt sicher, dass Arbeitnehmer im Falle einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit ihr Entgelt bis zu sechs Wochen lang in voller Höhe weitergezahlt bekommen. Ziel des Gesetzes ist es, Arbeitnehmer vor dem finanziellen Risiko einer Erkrankung zu schützen und gleichzeitig klare Regelungen zur Lohnfortzahlung zu schaffen.
Grundsatz der Entgeltfortzahlung: Arbeitnehmer haben gemäß § 3 Abs. 1 EFZG Anspruch auf Fortzahlung ihres regelmäßigen Entgelts, wenn sie aufgrund einer Krankheit arbeitsunfähig sind. Dieser Anspruch besteht für die Dauer von maximal sechs Wochen.
Höhe der Entgeltfortzahlung: Die Entgeltfortzahlung umfasst das volle Gehalt, einschließlich etwaiger Zulagen, Boni oder Überstundenvergütungen, die normalerweise anfallen würden. Arbeitgeber dürfen also keine Abzüge vornehmen, solange der Anspruch auf Entgeltfortzahlung besteht.
Entgeltfortzahlung an Feiertagen: Nach § 2 EFZG besteht auch ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung an gesetzlichen Feiertagen, an denen der Arbeitnehmer arbeitsfrei hätte. Diese Regelung ist unabhängig von einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit.
2. Voraussetzungen für den Anspruch auf Entgeltfortzahlung bei Krankheit
Damit ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall besteht, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein:
Krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit: Die Arbeitsunfähigkeit muss auf einer Krankheit beruhen, die den Arbeitnehmer daran hindert, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Dabei ist die Frage der Arbeitsunfähigkeit nicht absolut zu beurteilen, sondern hängt vom Inhalt der geschuldeten Arbeitsleistung ab. Ein Arbeitnehmer gilt als arbeitsunfähig, wenn er seine arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit aufgrund seiner gesundheitlichen Beeinträchtigung nicht mehr oder nur unter der Gefahr einer erheblichen Verschlechterung seines Zustands ausüben kann.
Ausschließlichkeit der Krankheitsursache: Die Krankheit muss der alleinige Grund für die Arbeitsunfähigkeit sein. Bestehen andere Gründe für das Fernbleiben von der Arbeit – etwa eine Freistellung, eine Kündigung oder Urlaub –, besteht kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Beispiel: Hätte der Arbeitnehmer auch dann nicht gearbeitet, wenn er gesund gewesen wäre, weil er beispielsweise Urlaub genommen hat oder gekündigt wurde, hat er keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung.
Wartezeit von vier Wochen: Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung entsteht nach einer ununterbrochenen Beschäftigungsdauer von vier Wochen im Betrieb (§ 3 Abs. 3 EFZG). Bei kürzeren Beschäftigungszeiten besteht ein Anspruch auf Krankengeld durch die Krankenkasse.
3. Pflichten der Arbeitnehmer bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit
Arbeitnehmer haben bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit bestimmte Mitteilungs- und Nachweispflichten zu erfüllen, um ihren Anspruch auf Entgeltfortzahlung zu sichern:
Unverzügliche Anzeige der Arbeitsunfähigkeit: Gemäß § 5 Abs. 1 EFZG muss der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber unverzüglich seine Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer mitteilen. Diese Pflicht besteht unabhängig davon, ob eine ärztliche Bescheinigung vorliegt oder nicht.
Nachweispflicht durch ärztliches Attest: Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Kalendertage, ist der Arbeitnehmer verpflichtet, dem Arbeitgeber spätestens am vierten Tag eine ärztliche Bescheinigung über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer vorzulegen (§ 5 Abs. 1 Satz 2 EFZG). Der Arbeitgeber kann diese Bescheinigung auch früher verlangen.
Verlängerung der Arbeitsunfähigkeit: Sollte die Arbeitsunfähigkeit über die ursprünglich bescheinigte Dauer hinaus fortbestehen, muss der Arbeitnehmer eine neue ärztliche Bescheinigung vorlegen, die die weitere Dauer der Arbeitsunfähigkeit bestätigt.
Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung aus Papier wurde 2023 durch die elektronische AU abgelöst. Lesen Sie gerne hierzu meinen Artikel zum Thema “Krankmeldung per Whatsapp – Was bedeutet die neue „Online-Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung“ arbeitsrechtlich?”.
4. Entgeltfortzahlung bei Urlaub und Folgeerkrankungen
Das Entgeltfortzahlungsgesetz enthält auch Regelungen zur Entgeltfortzahlung im Zusammenhang mit Urlaub und Folgeerkrankungen:
Erkrankung während des Urlaubs: Wird ein Arbeitnehmer während seines genehmigten Urlaubs krank und ist durch ärztliches Attest arbeitsunfähig, so werden die Krankheitstage nicht auf den Urlaub angerechnet. Der Arbeitnehmer hat Anspruch auf Nachgewährung der Urlaubstage, da er während der Krankheit den Erholungszweck des Urlaubs nicht erreichen kann (§ 9 BUrlG).
Neuerkrankung während laufender Entgeltfortzahlung: Die Dauer der Entgeltfortzahlung ist auf sechs Wochen beschränkt. Dies gilt jedoch nur für dieselbe Erkrankung. Tritt während der bestehenden Arbeitsunfähigkeit eine neue, eigenständige Erkrankung auf, kann ein neuer Anspruch auf Entgeltfortzahlung für weitere sechs Wochen bestehen. Hierbei muss die zweite Erkrankung jedoch unabhängig von der ersten sein und zur alleinigen Ursache der Arbeitsunfähigkeit werden.
- Erneute Erkrankung infolge derselben Krankheit: Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung infolge derselben Krankheit entsteht erneut, wenn der Arbeitnehmer mindestens sechs Monate nicht infolge derselben Krankheit arbeitsunfähig war oder eine Frist von 12 Monaten seit der ersten Erkrankung abgelaufen ist (§ 3 EFZG).
5. Häufige Fragen zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall
a) Wann beginnt mein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall?
Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung beginnt nach einer vierwöchigen ununterbrochenen Beschäftigungsdauer im Unternehmen. Wird ein Arbeitnehmer bereits in den ersten vier Wochen der Beschäftigung krank, besteht kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber, sondern auf Krankengeld durch die Krankenkasse.
b) Wie lange habe ich Anspruch auf Entgeltfortzahlung?
Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall besteht grundsätzlich für eine Dauer von bis zu sechs Wochenpro Erkrankung. Dauert die Erkrankung länger als sechs Wochen, endet die Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber, und der Arbeitnehmer hat Anspruch auf Krankengeld durch seine Krankenkasse.
c) Was passiert, wenn ich während des Urlaubs krank werde?
Wenn Sie während Ihres Urlaubs krank werden und dies durch ein ärztliches Attest nachweisen können, werden die Krankheitstage nicht auf Ihren Urlaub angerechnet. Die Krankheitstage werden Ihrem Urlaubskonto gutgeschrieben, da Sie aufgrund der Arbeitsunfähigkeit den Erholungszweck des Urlaubs nicht wahrnehmen können.
d) Was muss ich tun, wenn ich krank bin und nicht arbeiten kann?
Sie müssen Ihren Arbeitgeber unverzüglich über Ihre Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer informieren. Bei einer Arbeitsunfähigkeit von mehr als drei Kalendertagen müssen Sie spätestens am vierten Tag eine ärztliche Bescheinigung vorlegen, die die Arbeitsunfähigkeit und deren Dauer bestätigt.
e) Kann der Arbeitgeber die Entgeltfortzahlung verweigern?
Der Arbeitgeber kann die Entgeltfortzahlung verweigern, wenn der Arbeitnehmer seine Mitteilungs- und Nachweispflichten nicht erfüllt oder wenn die Krankheit nicht der alleinige Grund für die Arbeitsunfähigkeit ist. Bei Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit kann der Arbeitgeber eine unabhängige Untersuchung durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) verlangen.
6. Rechtsprechung zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall (EFZG):
- Darlegungslast bei Fortsetzungserkrankung: Der Arbeitnehmer trägt im Vergütungsprozess die initiale Darlegungslast dafür, dass eine erneute Arbeitsunfähigkeit nicht auf „derselben Krankheit“ im Sinne des § 3 EFZG beruht. Hierzu gehört im Regelfall die Offenlegung der einzelnen zur Arbeitsunfähigkeit führenden Erkrankungen im maßgeblichen Zeitraum, unions- noch verfassungsrechtlichen Bedenken liegen nicht vor (BAG 18.01.2023 – 5 AZR 93/22).
- Symptomlose COVID-19 Infektion: Eine Krankheit iSv. § 3 EFZG liegt auch bei symptomloser COVID-19 Erkrankung vor. Diese führt zur Arbeitsunfähigkeit, wenn es dem Arbeitnehmer infolge einer behördlichen Absonderungsanordnung rechtlich unmöglich ist, die geschuldete Tätigkeit bei dem Arbeitgeber zu erbringen und eine Arbeitsleistung in der häuslichen Umgebung nicht in Betracht kommt (BAG 20.03.2024 – 5 AZR 234/23).
- Erschütterung Beweiswert Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU): Wird ein Arbeitnehmer, der sein Arbeitsverhältnis kündigt, am Tag der Kündigung arbeitsunfähig krankgeschrieben, kann dies den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung insbesondere dann erschüttern, wenn die bescheinigte Arbeitsunfähigkeit passgenau die Dauer der Kündigungsfrist umfasst (BAG 08.09.2021 – 5 AZR 149/21); Die bloße Tatsache, dass eine Arbeitsunfähigkeit kurze Zeit nach Erteilung einer Abmahnung begonnen hat, ist nicht geeignet, den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu erschüttern (LAG Köln 25.06.2020 – 6 Sa 664/19); Eine zu Beginn der Erkrankung angetretene rund zehnstündige Bahnfahrt eines als Chefarzt beschäftigten Arbeitnehmers zum Familienwohnsitz, um dort die Hausärztin aufzusuchen, lässt ohne Hinzutreten weiterer Umstände die attestierte Arbeitsunfähigkeit nicht fragwürdig erscheinen (LAG Mecklenburg-Vorpommern 13.07.2023 – 5 Sa 1/23).
- Einheitlicher Verhinderungsfall: Nach dem Grundsatz der Einheit des Verhinderungsfalls ist der Anspruch auf Entgeltfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit auf die Dauer von sechs Wochen begrenzt, wenn während einer bestehenden Arbeitsunfähigkeit eine neue Krankheit auftritt, die ebenfalls Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat. Regelmäßig dann gegeben, wenn zwischen “Erst- und Zweiterkrankung” ein zeitlicher Zusammenhang liegt (BAG 11.12.2019 – 5 AZR 505/18).
Wenn Sie Fragen zur Entgeltfortzahlung haben, sprechen Sie mich gern an.
Dr. Daniel Weigert, LL.M. (Lund)
Rechtsanwalt · Fachanwalt für Arbeitsrecht
MBA
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Wirtschaftsmediator (IHK)
Negotiator (EBS) · Negotiation Master Class (Harvard)
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