Verhandlung von Betriebsvereinbarungen

Sind Sie als Arbeitgeber oder Betriebsrat unsicher, wie Sie Betriebsvereinbarungen erfolgreich verhandeln können? Oder möchten Sie mehr über die rechtlichen Rahmenbedingungen und die praktische Umsetzung von Betriebsvereinbarungen erfahren?

Im Folgenden werden die Grundlagen und der Ablauf der Verhandlung von Betriebsvereinbarungen (dazu unter 1.), typische Konfliktpunkte und Herausforderungen (dazu unter 2.), sowie praktische Tipps für erfolgreiche Verhandlungen gegeben (dazu unter 3.).

Anschließend werden häufige Fragen zu diesem Thema beantwortet (dazu unter 4.) und relevante Rechtsprechung dargestellt (dazu unter 5.).

1. Grundlagen und Ablauf der Verhandlung von Betriebsvereinbarungen

Viele Umstände, die das Arbeitsumfeld, die Zusammenarbeit und die allgemeinen Voraussetzungen des Arbeitsverhältnisses bestimmen, werden nicht individualrechtlich mit jedem einzelnen Mitarbeiter abgestimmt. Stattdessen werden sie oft durch für alle Mitarbeiter geltende Betriebsvereinbarungen geregelt. 

a) Definition und rechtliche Grundlagen

Betriebsvereinbarungen sind verbindliche Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat, die betriebliche Regelungen festlegen (§ 77 Abs. 2 BetrVG). Sie dienen dazu, Arbeitsbedingungen und betriebliche Abläufe einvernehmlich zu regeln.

Eine Betriebsvereinbarung muss schriftlich niedergelegt und, wenn diese nicht auf einem Spruch der Einigungsstelle beruht, von Arbeitgeber und Betriebsrat unterschrieben werden. Die rechtlichen Grundlagen für Betriebsvereinbarungen finden sich im Betriebsverfassungsgesetz. 

b) Themen von Betriebsvereinbarungen

Betriebsvereinbarungen können eine Vielzahl von Themen abdecken, darunter:

  • Arbeitszeitregelungen: Festlegung von Arbeitszeiten, Pausenregelungen, Überstunden und Schichtarbeit.
  • Urlaubsregelungen: Regelungen zu Urlaubsdauer, Urlaubsplanung und Urlaubsgewährung.
  • Arbeitsplatzgestaltung: Regelungen zur Gestaltung der Arbeitsplätze, einschließlich Ergonomie und Arbeitsplatzsicherheit.
  • Entgeltregelungen: Festlegung von Entgeltstrukturen, Prämien und anderen Vergütungsbestandteilen.
  • Soziale Leistungen: Regelungen zu betrieblichen Sozialleistungen, wie betriebliche Altersvorsorge und Gesundheitsförderung.
  • Weiterbildung und Qualifizierung: Regelungen zur beruflichen Weiterbildung und Qualifizierung der Mitarbeiter.

Ein Katalog der mitbestimmungspflichtigen Themen ist in § 87 Abs. 1 BetrVG geregelt. Das sind:

  • Fragen der Ordnung des Betriebs (z.B. Rauchverbote)
  • Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit (z.B. Dienstpläne, Arbeitszeitrahmen)
  • Vorübergehende Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit (z.B. Kurzarbeit, Überstunden)
  • Zeit, Ort und Art der Auszahlung der Arbeitsentgelte
  • Urlaubsplan
  • Einführung und Anwendung technischer Einrichtungen, die zur Überwachung geeignet sind
  • Gesundheitsschutz
  • Sozialeinrichtungen (z.B. Kantine)
  • Dienstwohnungen
  • Betriebliche Lohngestaltung
  • Leistungsbezogene Vergütung
  • Betriebliches Vorschlagswesen
  • Gruppenarbeit
  • Mobile Arbeit

Der Katalog des § 87 BetrVG ist nicht abschließend. Die Betriebspartner können grundsätzlich auch alle anderen Themen per Betriebsvereinbarung regeln (§ 88 BetrVG).

c) Ablauf der Verhandlungen

Die Verhandlung über diese Betriebsvereinbarung findet zwischen Vertretern des Arbeitgebers und dem Betriebsrat statt. Üblicherweise haben beide Parteien eine anwaltliche Vertreter. Diese nehmen – wenn sie professionelle Verhandler sind und über die nötige persönliche Reife verfügen – die Emotionalität der Betriebspartner heraus und leiten die Gespräche einer für beide Seiten sachgerechten Lösung und insbesondere rechtswirksamen Formulierungen zu.

Der Ablauf der Verhandlungen von Betriebsvereinbarungen umfasst mehrere Schritte:

  • Initiierung: Die Verhandlungen werden entweder vom Arbeitgeber oder vom Betriebsrat initiiert. Beide Seiten können Vorschläge für Themen und Inhalte einbringen.
  • Vorbereitung: Beide Seiten bereiten sich auf die Verhandlungen vor, indem sie relevante Informationen sammeln, Positionen abstimmen und gegebenenfalls externe Berater hinzuziehen.
  • Verhandlung: Die eigentlichen Verhandlungen finden in mehreren Sitzungen statt. Beide Seiten diskutieren die vorgeschlagenen Regelungen und versuchen, einen Konsens zu finden.
  • Abschluss: Wenn eine Einigung erzielt wird, wird die Betriebsvereinbarung schriftlich niedergelegt und von beiden Seiten unterzeichnet.
  • Umsetzung: Die vereinbarten Regelungen werden in die betriebliche Praxis umgesetzt. Beide Seiten sind verpflichtet, die Betriebsvereinbarung einzuhalten.

Merke

Betriebsvereinbarungen sind verbindliche Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat. Betriebsvereinbarungen können etwa Arbeitszeit, Schichtpläne, Zulagen, Pausenzeiten, mobile Arbeit und vieles mehr regeln. Ein Katalog der mitbestimmungspflichtigen Themen ist gesetzlich geregelt, auch alle anderen Themen können in einer Betriebsvereinbarung geregelt werden. 

2. Herausforderungen und Lösungsansätze bei Verhandlungen

Ein häufiger Konfliktpunkt bei der Verhandlung von Betriebsvereinbarungen sind die unterschiedlichen Interessen und Erwartungen von Arbeitgeber und Betriebsrat. Während der Arbeitgeber oft auf Kostenkontrolle und Flexibilität bedacht ist, setzt sich der Betriebsrat für die Interessen und Bedürfnisse der Mitarbeiter ein.

Die Themen von Betriebsvereinbarungen sind oft komplex und erfordern detaillierte Regelungen. Dies kann zu Schwierigkeiten führen, wenn beide Seiten unterschiedliche Auffassungen über die Ausgestaltung der Regelungen haben.

Die Verhandlungen von Betriebsvereinbarungen können zeitaufwendig sein und unter hohem Verhandlungsdruck stehen. Dies kann zu Stress und Spannungen zwischen den Verhandlungspartnern führen.

3. Praktische Tipps für erfolgreiche Verhandlungen

Eine gründliche Vorbereitung ist entscheidend für erfolgreiche Verhandlungen. Beide Seiten sollten relevante Informationen sammeln, ihre Positionen abstimmen und klare Ziele formulieren.

Eine offene und transparente Kommunikation ist wichtig, um Missverständnisse zu vermeiden und Vertrauen aufzubauen. Beide Seiten sollten ihre Standpunkte klar und verständlich darlegen und bereit sein, Kompromisse einzugehen.

In komplexen Verhandlungen kann die Einbeziehung externer Berater (zum Beispiel: Sachverständige) hilfreich sein. Anwälte oder Mediatoren können dabei unterstützen, Lösungen zu finden und Konflikte zu moderieren.

Kreative Lösungsansätze können helfen, festgefahrene Verhandlungen zu lösen. Beide Seiten sollten bereit sein, innovative und unkonventionelle Ideen zu diskutieren und zu prüfen.

Betriebsvereinbarungen sollten regelmäßig überprüft und bei Bedarf angepasst werden. Dies gewährleistet, dass die Regelungen stets den aktuellen betrieblichen Anforderungen und gesetzlichen Vorgaben entsprechen. Insoweit ist eine anwaltliche Betreuung beiderseitig stets anzuraten. 

Merke

Externe Berater wie sachkundige Experten zu dem jeweiligen Thema der Betriebsvereinbarung können beispielsweise bei komplexeren Themen helfen, eine sachgerechte und schnelle Lösung zu finden. 

4. Häufige Fragen zur Verhandlung von Betriebsvereinbarungen

a) Wer kann eine Betriebsvereinbarung initiieren?

Sowohl der Arbeitgeber als auch der Betriebsrat können die Verhandlungen einer Betriebsvereinbarung initiieren. Beide Seiten können Vorschläge für Themen und Inhalte einbringen.

b) Wie lange dauert die Verhandlung einer Betriebsvereinbarung?

Die Dauer der Verhandlungen hängt von der Komplexität der Themen und der Verhandlungsbereitschaft beider Seiten ab. In der Regel dauern die Verhandlungen mehrere Wochen bis Monate.

c) Was passiert, wenn keine Einigung erzielt wird?

Wenn keine Einigung erzielt wird, kann eine Einigungsstelle eingeschaltet werden. Die Einigungsstelle besteht aus Vertretern beider Seiten und einem neutralen Vorsitzenden und versucht, eine Einigung herbeizuführen.

d) Sind Betriebsvereinbarungen verbindlich?

Ja, Betriebsvereinbarungen sind verbindlich. Beide Seiten sind verpflichtet, die vereinbarten Regelungen einzuhalten und umzusetzen.

e) Können Betriebsvereinbarungen gekündigt werden?

Ja, Betriebsvereinbarungen können gekündigt werden. Die Kündigung muss schriftlich erfolgen und kann, soweit nichts anderweitiges vereinbart wurde, mit einer Frist von drei Monaten gekündigt werden (§ 77 Abs. 5 BetrVG). Nach der Kündigung gilt die Betriebsvereinbarung jedoch weiter, bis eine neue Vereinbarung abgeschlossen wird (Nachwirkung).

5. Rechtsprechung zum Thema Betriebsvereinbarungen: 

  • Der Anspruch auf eine Sonderzahlung, die auch Gegenleistung für bereits erbrachte Arbeitsleistung ist, kann regelmäßig nicht von einer Stichtagsregelung in einer Betriebsvereinbarung abhängig gemacht werden, die den Bestand des Arbeitsverhältnisses bis zum Ende des Bezugszeitraums voraussetzt. Eine solche Norm ist unwirksam, weil sie Arbeitnehmern bereits verdiente Vergütung entzieht und ihnen ihr Kündigungsrecht erschwert (BAG 15.11.2023 – 10 AZR 288/22).
  • Eine vom Betriebsratsvorsitzenden ohne Beschluss des Gremiums abgegebene Erklärung zum Abschluss einer Betriebsvereinbarung kann dem Betriebsrat nicht nach den Grundsätzen einer Anscheinsvollmacht zugerechnet werden (BAG 08.02.2022 – 1 AZR 233/21).
  • Eine Regelung in einer Betriebsvereinbarung, die für die Gewährung einer Jahresprämie lediglich Vorgaben für die Ermittlung eines unternehmensweiten Gesamtbudgets vorsieht, welches vom Arbeitgeber an alle in den (beiden) Betrieben des Unternehmens beschäftigten anspruchsberechtigten Arbeitnehmer – unter Berücksichtigung deren jeweiliger Bewertung – zu verteilen ist, ist mangels Regelungskompetenz der örtlichen Betriebsräte unwirksam (BAG 09.11.2021 – 1 AZR 206/20).
  • Eine Betriebsvereinbarung zur betrieblichen Altersversorgung kann auch teilweise gekündigt werden. Die anhand des dreistufigen Prüfungsschemas ermittelten Eingriffsstufen sowie die Schließung eines Versorgungswerks für Neueintritte stellen regelmäßig natürliche und immanente Grenzen des zur Verfügung gestellten Dotierungsrahmens dar. Hieran hat sich die Teilkündigung zu orientieren. Ob sie Wirkungen entfaltet, hängt dann davon ab, ob der durch sie bedingte Eingriff nach dem dreistufigen Prüfungsschema gerechtfertigt ist (BAG 08.12.2020 – 3 ABR 44/19).
  • Die Unwirksamkeit einer gegen die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG verstoßenden Betriebsvereinbarung über die dauerhafte Verlängerung der regelmäßigen Arbeitszeit kann zur Folge haben, dass eine zeitgleich geschlossene, mit der Arbeitszeitverlängerung aufgrund spezifischer Umstände untrennbar verknüpfte Betriebsvereinbarung über die Einführung von Arbeitszeitkonten gegenstandlos ist (BAG 17.08.2021 – 1 AZR 175/20). 

Gerne berate ich Sie zu allen Fragen rund um die Verhandlung von Betriebsvereinbarungen und unterstütze Sie bei der erfolgreichen Umsetzung betrieblicher Regelungen.

Dr. Daniel Weigert, LL.M. (Lund)
Rechtsanwalt · Fachanwalt für Arbeitsrecht
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