Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats

Sind Sie als Arbeitgeber oder Betriebsrat unsicher, wie Sie die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats effektiv nutzen oder respektieren können? Oder möchten Sie überprüfen, ob eine bestimmte Maßnahme gegen das Betriebsverfassungsgesetz verstößt?

Im Folgenden werden die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats im Detail dargestellt (dazu unter 1.), typische Konfliktpunkte und Anwendungsfälle erläutert (dazu unter 2.), sowie praktische Tipps für die Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat gegeben (dazu unter 3.). Anschließend werden häufige Fragen zu diesem Thema beantwortet (dazu unter 4.) und relevante Rechtsprechung dargestellt (dazu unter 5.).

1. Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats

Der Betriebsrat hat umfangreiche Mitbestimmungsrechte, die sicherstellen sollen, dass die Interessen der Arbeitnehmer im Betrieb berücksichtigt werden. Diese Rechte sind im Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) verankert und umfassen verschiedene Bereiche.

a) Soziale Angelegenheiten

Im Bereich der sozialen Angelegenheiten hat der Betriebsrat ein starkes Mitbestimmungsrecht (§ 87 BetrVG). Hier kann er bei vielen Entscheidungen des Arbeitgebers mitbestimmen und diese sogar blockieren, wenn keine Einigung erzielt wird.

Zu den sozialen Angelegenheiten gehören unter anderem:

  • Arbeitszeitregelungen: Dazu zählen Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit, Pausenregelungen, Überstunden und deren Vergütung.
  • Urlaubsgrundsätze: Der Betriebsrat hat ein Mitbestimmungsrecht bei der Festlegung der Urlaubsgrundsätze, um sicherzustellen, dass die Urlaubswünsche der Arbeitnehmer berücksichtigt werden.
  • Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen: Technische Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen, bedürfen der Zustimmung des Betriebsrats.
  • Betriebliche Ordnung: Regelungen zur betrieblichen Ordnung, wie etwa Verhaltensrichtlinien und Maßnahmen zur Arbeitssicherheit, unterliegen ebenfalls der Mitbestimmung des Betriebsrats.

b) Personelle Angelegenheiten

Auch in personellen Angelegenheiten hat der Betriebsrat umfangreiche Mitbestimmungsrechte (§§ 92 ff. BetrVG). Diese umfassen unter anderem:

  • Personelle Einzelmaßnahmen: Der Betriebsrat hat ein Mitbestimmungsrecht bei Einstellungen, Versetzungen, Eingruppierungen und Kündigungen. Hierbei kann er zustimmen oder Einwände erheben, die der Arbeitgeber berücksichtigen muss.
  • Betriebliche Bildungsmaßnahmen: Der Betriebsrat hat ein Mitbestimmungsrecht bei der Planung und Durchführung von betrieblichen Bildungsmaßnahmen, um sicherzustellen, dass die Weiterbildung der Arbeitnehmer gefördert wird.
  • Personalplanung: Der Betriebsrat hat das Recht, bei der Personalplanung mitzuwirken und Vorschläge zur Sicherung und Förderung der Beschäftigung zu machen.

c) Wirtschaftliche Angelegenheiten

In wirtschaftlichen Angelegenheiten hat der Betriebsrat Informations- und Beratungsrechte (§§ 106 ff. BetrVG). Diese umfassen unter anderem:

  • Wirtschaftsausschuss: In größeren Unternehmen (in der Regel ab 100 Beschäftigten) ist ein Wirtschaftsausschuss zu bilden, der den Betriebsrat über wirtschaftliche Angelegenheiten informiert. Hierzu gehören etwa die wirtschaftliche Lage und Entwicklung des Unternehmens sowie geplante Betriebsänderungen.
  • Betriebsänderungen: Bei geplanten Betriebsänderungen, die wesentliche Nachteile für die Belegschaft mit sich bringen könnten (wie Betriebsschließungen, Massenentlassungen, Fusionen), hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht und kann einen Interessenausgleich und Sozialplan verhandeln.

Merke

Der Betriebsrat hat umfassende Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechte in betrieblichen Angelegenheiten, die unmittelbare Auswirkungen auf den Arbeitsplatz haben können. Zum Beispiel:

  • Informations­rechte (Beispiel: Einstellung eines neuen Mitarbeiters)
  • Vorschlagsrechte (Beispiel: Vorschläge zur Verbesserung der Sicherheitsvorkehrungen am Arbeitsplatz)
  • Anhörungs­rechte (Beispiel: Anhörung vor jeder Kündigung)
  • Beratungsrechte (Beispiel: Beratung zu Arbeitszeitregelungen)
  • Initiativrechte (Beispiel: Einführung flexibler Arbeitszeitmodelle)
  • Zustimmungsverweigerungsrechte (Beispiel: Versetzung eines Arbeitnehmers)

2. Typische Konfliktpunkte und Anwendungsfälle

a) Arbeitszeitregelungen

Ein häufiger Konfliktpunkt betrifft die Arbeitszeitregelungen. Der Betriebsrat hat gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht bei der Festlegung der Arbeitszeiten. Dies umfasst sowohl die Einführung und Ausgestaltung von Schichtarbeit und Gleitzeitmodellen als auch die Regelung von Überstunden. Arbeitgeber und Betriebsrat müssen sich einigen, um eine einvernehmliche Lösung zu finden, die sowohl den betrieblichen Bedürfnissen als auch den Interessen der Arbeitnehmer gerecht wird.

b) Einführung neuer Technologien

Die Einführung neuer Technologien, insbesondere solcher, die das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer überwachen, unterliegt ebenfalls der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG. Der Betriebsrat kann die Einführung blockieren, wenn Datenschutzbedenken oder andere negative Auswirkungen auf die Belegschaft bestehen. In solchen Fällen müssen Arbeitgeber und Betriebsrat eine einvernehmliche Lösung finden, die den technologischen Fortschritt ermöglicht und gleichzeitig die Rechte der Arbeitnehmer schützt.

c) Kündigungen und Versetzungen

Kündigungen und Versetzungen sind sensible Themen, bei denen der Betriebsrat gemäß §§ 99 und 102 BetrVG ein starkes Mitbestimmungsrecht hat. Konflikte entstehen oft, wenn der Betriebsrat einer Kündigung oder Versetzung nicht zustimmt und der Arbeitgeber diese dennoch durchsetzen möchte. Der Betriebsrat kann seine Zustimmung verweigern, wenn die Maßnahme gegen geltende Gesetze verstößt oder sozial ungerechtfertigt ist. 

d) Betriebsänderungen

Bei geplanten Betriebsänderungen wie Umstrukturierungen, Betriebsschließungen oder Massenentlassungen hat der Betriebsrat nach § 111 BetrVG ein weitreichendes Mitbestimmungsrecht. Hier können häufig Konflikte entstehen, da der Betriebsrat weitreichende Verhandlungen über einen Interessenausgleich und Sozialplan führen kann. Diese Verhandlungen sollen sicherstellen, dass die wirtschaftlichen Nachteile für die betroffenen Arbeitnehmer so weit wie möglich abgemildert werden.

Diese typischen Konfliktpunkte zeigen die vielfältigen Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats auf und unterstreichen die Notwendigkeit einer engen und konstruktiven Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.

3. Praktische Tipps für die Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat

  • Frühzeitige Einbindung: Arbeitgeber sollten den Betriebsrat frühzeitig in die Planungen einbeziehen, um eine konstruktive Zusammenarbeit zu fördern.
  • Klare Kommunikation: Eine offene und transparente Kommunikation ist entscheidend, um Missverständnisse zu vermeiden und gemeinsame Lösungen zu finden.
  • Schulung und Weiterbildung: Der Betriebsrat sollte regelmäßig geschult und über aktuelle rechtliche Entwicklungen informiert werden, um seine Aufgaben kompetent wahrnehmen zu können.
  • Gemeinsame Ziele definieren: Arbeitgeber und Betriebsrat sollten gemeinsame Ziele definieren und auf eine partnerschaftliche Zusammenarbeit hinarbeiten.

Merke

Im Rahmen der sog. “vertrauensvollen Zusammenarbeit” (§ 2 Abs. 1 BetrVG) zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ist ein klarer und regelmäßiger Austausch beidseitig zu empfehlen!

4. Häufige Fragen zu den Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats

a) Welche Maßnahmen erfordern die Zustimmung des Betriebsrats?

Maßnahmen, die die sozialen Angelegenheiten (z. B. Arbeitszeitregelungen, Urlaubsgrundsätze) oder personellen Angelegenheiten (z. B. Einstellungen, Versetzungen, Kündigungen) betreffen, erfordern die Zustimmung des Betriebsrats.

b) Was passiert, wenn der Betriebsrat seine Zustimmung verweigert?

Wenn der Betriebsrat seine Zustimmung verweigert, kann der Arbeitgeber die Einigungsstelle anrufen. Diese versucht, eine Einigung zu erzielen. Kommt keine Einigung zustande, entscheidet die Einigungsstelle verbindlich.

Der Arbeitgeber kann ebenso gerichtlich im Rahmen eines Zustimmungsersetzungsverfahrens beantragen, die Zustimmung des Betriebsrats ersetzen zu lassen. Geht es beispielsweise um eine personelle Maßnahme (Beispiel: Einstellung eines neuen Mitarbeiters) und hat der Arbeitgeber die Zustimmung des Betriebsrats rechtskräftig ersetzen lassen, dann kann der Arbeitgeber die personelle Maßnahme durchführen.  

c) Wie oft muss der Betriebsrat informiert werden?

Der Betriebsrat muss regelmäßig und rechtzeitig informiert werden, insbesondere bei geplanten Maßnahmen, die seine Mitbestimmungsrechte betreffen. Die Informationspflicht umfasst sowohl die wirtschaftliche Lage des Unternehmens als auch personelle Maßnahmen.

d) Kann der Betriebsrat Entscheidungen des Arbeitgebers blockieren?

Ja, der Betriebsrat kann bestimmte Entscheidungen des Arbeitgebers blockieren, wenn diese seine Mitbestimmungsrechte betreffen. In solchen Fällen muss der Arbeitgeber, wenn er keine einvernehmliche Lösung mit dem Betriebsrat finden kann, die Einigungsstelle anrufen, um eine verbindliche Entscheidung zu erzielen.

5. Rechtsprechung zum Thema Mitbestimmungsrechte: 

  • Dem Betriebsrat steht kein Mitbestimmungsrecht zu, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmern die private Nutzung von Smartphones während der Arbeitszeit untersagt, um eine ordnungsgemäße Arbeitsleistung sicherzustellen (BAG 17.10.2023 – 1 ABR 24/22).
  • Nicht das „Ob“ mobiler Arbeit, sondern nur das „Wie“ unterliegt der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG. Zum „Ob“ zählt auch noch die grundsätzliche Bemessung des Kontingents an mobiler Arbeit (LAG München 10.08.2023 – 8 TaBVGa 6/23).
  • Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG über Beginn und Ende der Arbeitszeit sowie die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage erfasst nicht nur die Vereinbarung von Dienstplänen für bestimmte innerbetriebliche Fallgestaltungen, sondern darüber hinaus auch die Zuordnung der einzelnen Arbeitnehmer zu einem solchen mitbestimmten Dienstplan (BAG 22.08.2017 – 1 ABR 4/16).
  • Der Betriebsrat eines Verleiherbetriebs hat regelmäßig kein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG für Regelungen über die Anforderungen an eine Schutzkleidung, die der Entleiher bei ihm tätigen Leiharbeitnehmern aufgrund öffentlich-rechtlicher Arbeitsschutzbestimmungen bereitzustellen hat (BAG 07.06.2016 – 1 ABR 25/14).
  • Soll die jahrelang praktizierte Arbeitsfreistellung am Karnevalsdienstag für die Zukunft aufgehoben werden, liegt darin jedenfalls keine vorübergehende Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit i. S. d. § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG (BAG 26.10.2004 – 1 ABR 31/03).
  • Ein dem Betriebsrat bei der Verletzung eines Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 BetrVG gegen den Arbeitgeber zustehender Beseitigungsanspruch erfasst nur die Beendigung des betriebsverfassungswidrigen Zustands, nicht aber die Rückgängigmachung sich aus der Verletzung des Mitbestimmungsrechts ergebender Folgen (BAG 23.03.2021 – 1 ABR 31/19).

Gerne berate ich Sie zu betriebsverfassungsrechtlichen Themen oder unterstütze Sie bei der Aushandlung einer Betriebsvereinbarung.

Dr. Daniel Weigert, LL.M. (Lund)
Rechtsanwalt · Fachanwalt für Arbeitsrecht
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