Haben Sie als Arbeitgeber Fragen zur rechtssicheren Gestaltung von Arbeitsverträgen in der Luftfahrt? Möchten Sie sicherstellen, dass Ihre Arbeitszeitregelungen den gesetzlichen Vorgaben und den spezifischen Anforderungen der Luftfahrt entsprechen? Oder sind Sie als Arbeitnehmer unsicher, welche Rechte und Pflichten Sie im Rahmen Ihrer Tätigkeit in der Luftfahrt haben?
Die Luftfahrtbranche ist eine hochkomplexe und stark regulierte Industrie, die spezifische arbeitsrechtliche Regelungen erfordert. Diese Regelungen betreffen nicht nur die Piloten und Flugbegleiter, sondern auch das Bodenpersonal, Techniker und andere Mitarbeiter, die im Luftverkehr tätig sind. Das Arbeitsrecht in der Luftfahrt umfasst nationale Gesetze, internationale Abkommen und spezielle Tarifverträge, die die besonderen Arbeitsbedingungen und Sicherheitsanforderungen in dieser Branche berücksichtigen.
Dieser Artikel behandelt die Besonderheiten des Arbeitsrechts in der Luftfahrt (dazu unter 1.), die typischen Herausforderungen bei der Gestaltung von Arbeitsverträgen und Arbeitsbedingungen (dazu unter 2.) sowie die wichtigsten arbeitsrechtlichen Bestimmungen, die in der Luftfahrt gelten (dazu unter 3.).
Abschließend werden häufige Fragen beantwortet (dazu unter 4.), um Ihnen einen umfassenden Überblick über die rechtlichen Anforderungen und Risiken in der Luftfahrt zu geben und relevante Rechtsprechung hierzu dargestellt (dazu unter 5.).
1. Besonderheiten des Arbeitsrechts in der Luftfahrt
Besatzungsmitglieder der Luftfahrt haben tätigkeitsbedingt, neben den allgemeinen, spezielle arbeitsrechtliche Regelungen. Auf diese findet zum Beispiel das Arbeitszeitgesetz keine Anwendung (§ 20 ArbZG), da gerade die Luftfahrtbranche von einer größeren Flexibilität der üblichen Arbeitszeiten abhängig ist als andere Branchen. Hingegen gelten in diesem Fall verschiedene luftfahrtspezifische Verordnungen.
Das Arbeitsrecht in der Luftfahrt unterscheidet sich in mehreren wesentlichen Punkten von den allgemeinen arbeitsrechtlichen Regelungen. Diese Unterschiede ergeben sich vor allem aus den spezifischen Anforderungen und Risiken, die mit dem Betrieb von Flugzeugen und dem internationalen Charakter der Branche verbunden sind.
a) Internationale und nationale Regelungen
Das Arbeitsrecht in der Luftfahrt ist durch eine Vielzahl von nationalen und internationalen Regelungen geprägt. Zu den wichtigsten internationalen Übereinkommen zählen die Standards der International Civil Aviation Organization (ICAO) sowie die Regelungen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO). Diese Abkommen legen grundlegende Standards für die Arbeitsbedingungen, Sicherheit und Gesundheitsschutz in der Luftfahrt fest.
Auf nationaler Ebene sind in Deutschland das Luftverkehrsgesetz (LuftVG) und das Luftsicherheitsgesetz (LuftSiG) von besonderer Bedeutung. Diese Gesetze regeln nicht nur den Betrieb von Luftfahrzeugen, sondern enthalten auch spezielle Bestimmungen zum Schutz der Arbeitnehmer in der Luftfahrt.
b) Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen
Die Luftfahrtbranche ist stark tarifvertraglich geprägt. Tarifverträge spielen eine zentrale Rolle bei der Festlegung von Arbeitsbedingungen, Gehältern und Arbeitszeiten. Große deutsche Fluggesellschaften wie die Lufthansa haben spezielle Tarifverträge für Piloten, Flugbegleiter und Bodenpersonal abgeschlossen, die auf die spezifischen Bedürfnisse und Herausforderungen der Branche zugeschnitten sind.
Neben den Tarifverträgen haben auch Betriebsvereinbarungen, die zwischen dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat ausgehandelt werden, eine hohe Bedeutung. Diese Vereinbarungen regeln häufig betriebliche Details, die in den Tarifverträgen nicht abgedeckt sind, und sorgen dafür, dass die Interessen der Belegschaft gewahrt bleiben.
Das Thema Arbeitsrecht in der Luftfahrt behandle ich im Einzelnen in meinem zugehörigen Whitepaper: “Arbeitsrecht in der Luftfahrt, Arbeitsrecht für Piloten und Flugbegleiter”.
2. Arbeitsverträge und Arbeitsbedingungen in der Luftfahrt
Die Gestaltung von Arbeitsverträgen und die Festlegung von Arbeitsbedingungen in der Luftfahrt müssen die spezifischen Anforderungen der Branche berücksichtigen. Dies betrifft insbesondere die Regelungen zur Arbeitszeit, zur Vergütung sowie zum Gesundheitsschutz und zur Sicherheit.
a) Arbeitsverträge für Luftfahrtpersonal
Arbeitsverträge in der Luftfahrt müssen die besonderen Anforderungen der Branche abbilden. Diese Verträge enthalten in der Regel detaillierte Regelungen zu
- den Einsatzzeiten,
- den Ruhezeiten,
- der Vergütung und
- den Sicherheitsanforderungen.
Besonders relevant sind hierbei die Vorgaben zur Einsatzflexibilität, da das fliegende Personal oft in unterschiedlichen Zeitzonen arbeitet und plötzliche Einsatzänderungen üblich sind.
Ein Arbeitsvertrag für Piloten, Flugbegleiter oder Techniker muss zudem den Regelungen der Tarifverträge und den gesetzlichen Bestimmungen entsprechen. Dazu gehört beispielsweise die Pflicht, die Höchstarbeitszeiten einzuhalten und regelmäßige medizinische Untersuchungen durchzuführen, um die Einsatzfähigkeit zu gewährleisten.
Verstöße gegen diese Pflichten können nicht nur arbeitsrechtliche Konsequenzen haben, sondern auch die Betriebserlaubnis des Unternehmens gefährden.
b) Arbeitszeit und Ruhezeiten
Die Regelungen zur Arbeitszeit und zu den Ruhezeiten in der Luftfahrt sind besonders strikt, da sie die Sicherheit des Flugbetriebs direkt betreffen. Piloten und Flugbegleiter dürfen nur eine bestimmte Anzahl von Stunden pro Tag, Woche oder Monat arbeiten, um Übermüdung zu verhindern.
Die Arbeitszeitregelungen in der Luftfahrt umfassen sowohl die Flugdienstzeit, also die Zeit, in der die Crew einsatzbereit ist, als auch die Flugzeit, die tatsächliche Zeit, die im Cockpit oder in der Kabine verbracht wird. Zwischen den Einsätzen müssen zwingend Ruhezeiten eingehalten werden. Beispielsweise muss, gemäß § 15 Zweiter Durchführungsverordnung zur Betriebsordnung für Luftfahrgeräte (2. DV LuftBO), jedem Besatzungsmitglied innerhalb einer Einsatzzeit von 24 Stunden eine zehnstündige Ruhezeit gewährt werden.
Verstöße gegen diese Vorschriften können zu Bußgeldern und zum Entzug der Betriebserlaubnis führen.
c) Gesundheitsschutz und Sicherheitsanforderungen
Gesundheitsschutz und Sicherheitsanforderungen nehmen im Arbeitsrecht der Luftfahrt einen herausragenden Platz ein. Die Gesundheit der Crewmitglieder muss regelmäßig überprüft werden, insbesondere bei Piloten, deren körperliche und geistige Fitness für die sichere Durchführung von Flügen entscheidend ist. Hierzu gehören medizinische Untersuchungen, die von zertifizierten Luftfahrtmedizinern durchgeführt werden müssen.
Die Sicherheitsanforderungen umfassen auch die Pflicht zur Teilnahme an regelmäßigen Schulungen und Fortbildungen, um sicherzustellen, dass alle Mitarbeiter über die neuesten Sicherheitsstandards und Verfahren informiert sind. Diese Schulungen sind nicht nur für das fliegende Personal, sondern auch für das Bodenpersonal obligatorisch, das mit sicherheitsrelevanten Aufgaben betraut ist.
3. Wichtige arbeitsrechtliche Bestimmungen in der Luftfahrt
Neben den allgemeinen arbeitsrechtlichen Bestimmungen gelten in der Luftfahrtbranche eine Reihe von speziellen Vorschriften, die den besonderen Bedingungen der Branche Rechnung tragen. Diese Regelungen betreffen unter anderem die Vergütung, die soziale Absicherung und die besonderen Rechte und Pflichten der Arbeitnehmer.
Im Detail gehe ich auf die typischen arbeitsrechtlichen Herausforderungen für Piloten und Flugbegleiter hier ein.
a) Vergütung und Sozialleistungen
Die Vergütung in der Luftfahrtbranche ist stark reguliert und richtet sich in der Regel nach den einschlägigen Tarifverträgen. Piloten und Flugbegleiter erhalten in der Regel eine Kombination aus Grundgehalt und variablen Bestandteilen, die von der Anzahl der geflogenen Stunden, dem Einsatzort und der Dienstzeit abhängen.
Zusätzlich zur Vergütung haben die Arbeitnehmer in der Luftfahrtbranche Anspruch auf besondere Sozialleistungen. Dazu gehören unter anderem
- Beiträge zur zusätzlichen Altersversorgung,
- Unfallversicherungen sowie
- spezielle Absicherungen
für den Fall von Flugunfähigkeit oder anderen berufsbedingten gesundheitlichen Einschränkungen.
b) Besondere Rechte und Pflichten der Arbeitnehmer
Arbeitnehmer in der Luftfahrtbranche haben besondere Rechte und Pflichten, die über das allgemeine Arbeitsrecht hinausgehen. Dazu gehört das Recht auf Ruhezeiten und die Verpflichtung zur Einhaltung von Sicherheitsstandards. Arbeitnehmer sind auch verpflichtet, die Vorschriften zur Arbeitssicherheit strikt einzuhalten, da Verstöße nicht nur persönliche Konsequenzen haben, sondern auch die Sicherheit des Flugbetriebs insgesamt gefährden können.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Verpflichtung zur regelmäßigen Fortbildung. Piloten, Flugbegleiter und Techniker müssen sich regelmäßig weiterbilden, um ihre Kenntnisse auf dem neuesten Stand zu halten und die Lizenzanforderungen zu erfüllen. Diese Fortbildungen sind nicht nur eine arbeitsrechtliche Pflicht, sondern auch eine Voraussetzung für den Erhalt der Flugtauglichkeit und der Einsatzbereitschaft.
Arbeitet ein Pilot auf selbstständiger Basis, kann das Problem der Scheinselbstständigkeit entstehen. Vor allem, wenn dieser in das jeweilige Unternehmen eingegliedert ist, sollte die neuste Rechtsprechung beachtet werden.
4. Häufige Fragen zum Arbeitsrecht in der Luftfahrt
a) Welche Besonderheiten gelten bei der Arbeitszeitregelung für Piloten?
Die Arbeitszeitregelungen für Piloten sind durch europäische Verordnungen und nationale Gesetze streng reglementiert. Diese Vorschriften sollen Übermüdung verhindern und die Sicherheit des Flugbetriebs gewährleisten. Die zulässige Flugzeit ist begrenzt und variiert je nach Einsatzplan, Tageszeit und Anzahl der Flugsegmente. Zwischen den Einsätzen müssen festgelegte Ruhezeiten eingehalten werden.
b) Was passiert, wenn ein Pilot die Flugtauglichkeit verliert?
Wenn ein Pilot die Flugtauglichkeit verliert, beispielsweise durch eine Krankheit oder einen Unfall, hat er in der Regel Anspruch auf eine spezielle Absicherung. Dies kann eine Berufsunfähigkeitsversicherung umfassen, die im Rahmen des Arbeitsvertrages oder durch die Tarifverträge geregelt ist. Zudem gibt es häufig Übergangsregelungen, die den Piloten finanziell absichern, bis eine alternative Beschäftigungsmöglichkeit gefunden wird.
c) Welche Rechte haben Flugbegleiter bei einer Versetzung in eine andere Basis?
Flugbegleiter, die an eine andere Basis versetzt werden, haben in der Regel Anspruch auf Unterstützung durch den Arbeitgeber, wie etwa Umzugskosten oder eine Ausgleichszahlung. Die genauen Regelungen hängen vom individuellen Arbeitsvertrag und den geltenden Tarifverträgen ab. In einigen Fällen kann eine Versetzung auch eine einvernehmliche Änderung des Arbeitsvertrages erfordern. Es besteht zudem die Möglichkeit, eine Versetzung unter bestimmten Umständen abzulehnen, wenn sie eine unzumutbare Härte darstellen würde.
d) Welche besonderen Schutzrechte haben schwangere Arbeitnehmerinnen in der Luftfahrt?
Schwangere Arbeitnehmerinnen in der Luftfahrt genießen besonderen Schutz. Sie dürfen ab einem bestimmten Zeitpunkt der Schwangerschaft nicht mehr fliegen, da die Arbeitsbedingungen in der Luftfahrt als gesundheitlich belastend gelten können. Schwangere haben Anspruch auf eine alternative Beschäftigungsmöglichkeit am Boden, die keine gesundheitlichen Risiken birgt.
e) Wie ist das Verfahren bei arbeitsrechtlichen Konflikten in der Luftfahrt?
Arbeitsrechtliche Konflikte in der Luftfahrt werden in der Regel zunächst durch interne Schlichtungsstellen, die auf tarifvertraglicher Grundlage eingerichtet sind, bearbeitet. Falls keine Einigung erzielt wird, können die Konflikte vor den Arbeitsgerichten verhandelt werden. Insbesondere in tarifgebundenen Unternehmen haben die Betriebsräte und Gewerkschaften eine zentrale Rolle bei der Vertretung der Arbeitnehmerinteressen.
f) Welche besonderen Bestimmungen gelten für das Bodenpersonal in der Luftfahrt?
Auch das Bodenpersonal in der Luftfahrt unterliegt speziellen arbeitsrechtlichen Regelungen. Diese betreffen insbesondere die Arbeitszeiten, die aufgrund des Schichtbetriebs in Flughäfen flexibel und teilweise unregelmäßig sein können. Darüber hinaus gelten besondere Sicherheitsanforderungen, insbesondere für Personal, das in sicherheitsrelevanten Bereichen arbeitet. Hierbei müssen auch die Vorgaben des LuftSiG beachtet werden, das umfangreiche Überprüfungen und Schulungen des Bodenpersonals vorsieht.
5. Rechtsprechung zu Arbeitsrecht in der Luftfahrt:
- Zuweisung Arbeitsort im Ausland – Pilot: Unterliegt wie jede Ausübung des Weisungsrechts des Arbeitgebers nach § 106 S. 1 GewO, gemäß § 315 I BGB einer gerichtlichen Billigkeitskontrolle. Sofern die Weisung auf einer unternehmerischen Entscheidung beruht, kommt dieser besonderes Gewicht zu, ohne dass das unternehmerische Konzept auf seine Zweckmäßigkeit zu überprüfen wäre (…) Der Arbeitgeber kann aufgrund seines Weisungsrechts (…) dem Arbeitnehmer grundsätzlich auch einen Arbeitsplatz im Ausland zuweisen, wenn die möglichen Arbeitsorte nicht durch Arbeitsvertrag, Betriebsvereinbarung, Tarifvertrag oder gesetzliche Vorschriften auf das Inland begrenzt sind (BAG 30.11.2022 – 5 AZR 336/21).
- Scheinselbstständigkeit bei Freelance-Pilot: Ein Pilot der auf selbstständiger Basis für ein Unternehmen tätig wird, das Flugzeug von dem Unternehmen kostenlos am Einsatztag zur Verfügung gestellt bekommt und in den Betrieb eingegliedert ist, ist zumindest an den jeweiligen Einsatztagen als Scheinselbstständiger einzustufen und sozialversicherungspflichtig (BSG 23.04.2024 – B 12 BA 9/22).
- Betriebs(teil)übergang – Massenentlassung: Wesentliche Kriterien bei der Beurteilung, ob im Luftverkehr ein Betriebs(teil)übergang vorliegt sind unter anderem der Übergang von Material, eine Übernahme von Ausrüstungsgegenständen, ein Eintritt in bestehende Charterflugverträge, eine Ausweitung von Flügen auf vom etwaigen Veräußerer bediente Routen sowie eine Reintegration von Beschäftigten und deren Einsatz für Tätigkeiten, die mit ihren bisherigen Aufgaben übereinstimmen (BAG 27.02.2020 – 8 AZR 215/19).
- Altersgrenze bei Piloten: Die Einschränkung der Berufsfreiheit durch die Altersgrenze von 65 Jahren bei im gewerblichen Luftverkehr tätigen Piloten ist verhältnismäßig. Hintergrund ist die unbestreitbare Abnahme der für den Beruf des Verkehrspiloten erforderlichen körperlichen Fähigkeiten mit zunehmendem Alter (EuGH 05.07.2017 – C-190/16).
Haben Sie Fragen? Gern stehe ich Ihnen zur Beantwortung in allen Fragen bezüglich des Seearbeitsrechts für Kapitäne und Seeleute zur Verfügung.
Dr. Daniel Weigert, LL.M. (Lund)
Rechtsanwalt · Fachanwalt für Arbeitsrecht
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Wirtschaftsmediator (IHK)
Negotiator (EBS) · Negotiation Master Class (Harvard)
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