Umgang mit hohen Krankenständen

Haben Sie als Arbeitgeber Fragen zur rechtssicheren Bewältigung hoher Krankenstände in Ihrem Unternehmen? Möchten Sie sicherstellen, dass Ihre Maßnahmen zur Gesundheitsförderung und Krankheitsprävention den gesetzlichen Vorgaben entsprechen? Oder sind Sie unsicher, wie Sie arbeitsrechtlich korrekt mit krankheitsbedingten Fehlzeiten umgehen können?

Hohe Krankenstände stellen für Unternehmen eine erhebliche wirtschaftliche Belastung dar und können zudem betriebliche Abläufe stören. Der Umgang mit häufigen oder langen Krankheitszeiten von Mitarbeitern erfordert daher eine sorgfältige rechtliche Abwägung und strategische Planung. Arbeitgeber müssen einerseits ihren gesetzlichen Pflichten nachkommen und die Rechte der Arbeitnehmer wahren, andererseits jedoch auch wirksame Maßnahmen ergreifen, um „Blaumachern“ entgegenzuwirken und die Arbeitsfähigkeit des Betriebs aufrechtzuerhalten.

Dieser Artikel behandelt die rechtlichen Rahmenbedingungen für den Umgang mit hohen Krankenständen (dazu unter 1.), die strategischen Maßnahmen zur Reduzierung von Fehlzeiten (dazu unter 2.) sowie die arbeitsrechtlichen Konsequenzen bei Missbrauch von Krankmeldungen (dazu unter 3.).

Abschließend werden häufige Fragen beantwortet (dazu unter 4.), um Ihnen einen umfassenden Überblick über die rechtlichen Anforderungen und Risiken im Umgang mit hohen Krankenständen zu geben und relevante Rechtsprechung (dazu unter 5.) dargestellt. 

1. Rechtliche Rahmenbedingungen bei hohen Krankenständen

a) Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall

Das deutsche Arbeitsrecht sieht vor, dass Arbeitnehmer im Krankheitsfall Anspruch auf Entgeltfortzahlung haben. Gemäß § 3 Abs. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) muss der Arbeitgeber bis zu sechs Wochen lang das volle Gehalt weiterzahlen, wenn der Arbeitnehmer unverschuldet arbeitsunfähig erkrankt ist. Dieser Anspruch besteht grundsätzlich für jede neue Krankheit, die nicht auf derselben Ursache beruht wie eine vorangegangene Erkrankung.

b) Nachweispflicht des Arbeitnehmers

Gemäß § 5 EFZG ist der Arbeitnehmer verpflichtet, dem Arbeitgeber spätestens am vierten Tag der Arbeitsunfähigkeit eine ärztliche Bescheinigung vorzulegen, die die Dauer der Erkrankung bestätigt. Der Arbeitgeber hat das Recht, diese Bescheinigung bereits ab dem ersten Krankheitstag zu verlangen, was insbesondere bei wiederholten Kurzzeiterkrankungen sinnvoll sein kann, um möglichen Missbrauch frühzeitig entgegenzuwirken.

Seit dem 01. Januar 2023 wurde die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung in Papierform durch eine elektronische Version abgelöst. 

c) Langzeiterkrankungen und betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM)

Bei Langzeiterkrankungen von mehr als sechs Wochen innerhalb eines Jahres ist der Arbeitgeber nach § 167 Abs. 2 SGB IX verpflichtet, ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) anzubieten. Ziel des BEM ist es, die Arbeitsfähigkeit des erkrankten Mitarbeiters wiederherzustellen und einer erneuten Arbeitsunfähigkeit vorzubeugen. Das BEM erfordert eine sorgfältige Planung und Durchführung, wobei der Datenschutz und die Freiwilligkeit für den Arbeitnehmer zu beachten sind.

d) Kündigung wegen häufiger oder langer Krankheitszeiten

Eine Kündigung wegen Krankheit ist grundsätzlich möglich, jedoch nur unter strengen Voraussetzungen. Die Rechtsprechung unterscheidet zwischen der personenbedingten Kündigung wegen Langzeiterkrankung und der Kündigung wegen häufiger Kurzzeiterkrankungen. In beiden Fällen muss der Arbeitgeber eine

  • negative Gesundheitsprognose,
  • erhebliche betriebliche Beeinträchtigungen und
  • eine umfassende Interessenabwägung nachweisen.

Eine Kündigung ist nur dann zulässig, wenn keine anderen milderen Mittel, wie z.B. eine Versetzung oder Änderung der Arbeitsbedingungen, zur Verfügung stehen.

2. Strategische Maßnahmen zur Reduzierung von Fehlzeiten

Die Gründe für hohe Krankenstände sind vielfältig. Dementsprechend müssen Arbeitgeber besonnen und kreativ, aber auch konsequent mit dem Thema umgehen. In Betracht kommen sowohl positive Unterstützungsmaßnahmen (Gesundheitsförderung) als auch repressive Maßnahmen (gegen “Blaumacher“).

a) Gesundheitsförderung und Prävention

Arbeitgeber sind gut beraten, in die betriebliche Gesundheitsförderung zu investieren. Maßnahmen wie

  • ergonomische Arbeitsplätze,
  • Gesundheitskurse oder
  • psychologische Unterstützung

können dazu beitragen, das Wohlbefinden der Mitarbeiter zu verbessern und krankheitsbedingte Fehlzeiten zu reduzieren. Derartige Maßnahmen stärken nicht nur die Gesundheit der Belegschaft, sondern können auch das Betriebsklima verbessern und die Mitarbeiterbindung fördern.

b) Betriebliches Fehlzeitenmanagement

Ein strukturiertes Fehlzeitenmanagement hilft, auffällige Krankheitsmuster frühzeitig zu erkennen und gezielt gegenzusteuern. Hierbei ist es wichtig, dass das Fehlzeitenmanagement transparent und fair durchgeführt wird, um das Vertrauen der Belegschaft zu erhalten. Regelmäßige Auswertungen der Fehlzeiten und Feedback-Gespräche mit betroffenen Mitarbeitern sind zentrale Elemente eines erfolgreichen Fehlzeitenmanagements.

c) Konsequenter Umgang mit „Blaumachern“

Um einer „Gelber-Schein-Kultur“ entgegenzuwirken, ist ein konsequentes Vorgehen gegen Missbrauch von Krankmeldungen erforderlich. Verdachtskündigungen sind jedoch nur in Ausnahmefällen zulässig und müssen gut begründet sein. Der Arbeitgeber muss den Nachweis erbringen, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsunfähigkeit nur vorgetäuscht hat, was in der Praxis oft schwierig ist. In solchen Fällen kann die Beauftragung eines Detektivs oder die Anordnung einer Untersuchung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) sinnvoll sein.

In meinem Artikel zu dem Thema “Strategien gegen hohe Krankenstände – Der Umgang mit kranken Mitarbeitern und Blaumachern” können Sie im Detail nachlesen, welche weitere Maßnahmen Sie genau ergreifen können.

Merke

Arbeitnehmer müssen nach dem vierten Krankheitstag eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung dem Arbeitgeber vorlegen, dieser kann sie aber bereits nach dem ersten Krankheitstag verlangen!

3. Arbeitsrechtliche Konsequenzen bei Missbrauch von Krankmeldungen

a) Abmahnung als Vorstufe zur Kündigung

Wenn der Arbeitgeber den Verdacht hat, dass ein Mitarbeiter seine Krankheit nur vortäuscht, ist eine Abmahnung in der Regel der erste Schritt. In der Abmahnung wird der Mitarbeiter auf sein Fehlverhalten hingewiesen und ihm klargemacht, dass im Wiederholungsfall eine Kündigung droht. Die Abmahnung muss das Fehlverhalten konkret beschreiben und unmissverständlich formuliert sein.

b) Verdachtskündigung bei schwerwiegendem Missbrauch

Die Verdachtskündigung ist eine besondere Form der außerordentlichen Kündigung und kommt in Betracht, wenn der Arbeitgeber zwar keine endgültigen Beweise für einen Missbrauch hat, aber schwerwiegende Indizien vorliegen, die den Verdacht erhärten. Die Verdachtskündigung erfordert eine sorgfältige Prüfung und eine vorherige Anhörung des Arbeitnehmers. Zudem muss der Betriebsrat, falls vorhanden, vor der Kündigung angehört werden.

c) Schadensersatzansprüche gegen Arbeitnehmer

In besonders schweren Fällen kann der Arbeitgeber auch Schadensersatzansprüche gegen den Arbeitnehmer geltend machen, wenn dieser durch eine vorgetäuschte Krankheit dem Unternehmen bewusst Schaden zugefügt hat. Dies kann beispielsweise dann der Fall sein, wenn der Arbeitnehmer während seiner angeblichen Arbeitsunfähigkeit einer anderen Tätigkeit nachgeht, die im Widerspruch zu seiner behaupteten Erkrankung steht.

d) Erschütterung des Beweiswerts von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen

Wenn ein Arbeitnehmer nach Erhalt einer Kündigung Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen einreicht, die genau die Kündigungsfrist abdecken, und nach Ende des Arbeitsverhältnisses sofort eine neue Beschäftigung aufnimmt, kann der Arbeitgeber den Beweiswert dieser Bescheinigungen anzweifeln. In einem solchen Fall muss der Arbeitnehmer nachweisen, dass er tatsächlich krankheitsbedingt arbeitsunfähig war, um seinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung geltend zu machen.

Die Rechtsprechung entschied vor kurzem, dass der Beweiswert von Folgebescheinigungen, die genau die Kündigungsfrist abdecken, erschüttert sein kann, insbesondere wenn der Arbeitnehmer direkt nach der Kündigung eine neue Stelle antritt. Der Arbeitnehmer trägt in diesem Fall die volle Beweislast für seine Arbeitsunfähigkeit (BAG 13.12.2023 – 5 AZR 137/23).

Merke

Krankheitsbedingte Kündigungen sollten sorgfältig vorbereitet werden, da sie hohen Voraussetzungen unterliegen!

4. Häufige Fragen zum Thema Umgang mit hohen Krankenständen:

a) Kann ein Arbeitgeber eine Kündigung aussprechen, wenn ein Mitarbeiter häufig krank ist?

Ja, eine Kündigung wegen häufiger Krankheitszeiten ist grundsätzlich möglich, allerdings nur unter sehr strengen Voraussetzungen. Der Arbeitgeber muss nachweisen, dass die Fehlzeiten zu erheblichen betrieblichen Beeinträchtigungen führen und dass keine Aussicht auf Besserung besteht. Eine Kündigung ist jedoch das letzte Mittel und kommt nur in Betracht, wenn alle milderen Maßnahmen ausgeschöpft sind.

b) Welche Maßnahmen kann der Arbeitgeber ergreifen, um hohen Krankenständen vorzubeugen?

Der Arbeitgeber kann eine Vielzahl von Maßnahmen ergreifen, um hohen Krankenständen vorzubeugen. Dazu gehören betriebliche Gesundheitsförderungsprogramme, ergonomische Arbeitsplatzgestaltung, regelmäßige Gesundheitschecks sowie die Förderung eines positiven Betriebsklimas. Auch ein effektives Fehlzeitenmanagement, das auf Transparenz und Fairness basiert, kann dazu beitragen, die Fehlzeiten zu reduzieren.

c) Wie kann der Arbeitgeber Missbrauch von Krankmeldungen nachweisen?

Der Nachweis des Missbrauchs einer Krankmeldung ist oft schwierig. Der Arbeitgeber kann jedoch Maßnahmen ergreifen, wie beispielsweise die Beauftragung eines Detektivs, die Anordnung einer Untersuchung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) oder die Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung bereits ab dem ersten Krankheitstag verlangen. Wenn der Verdacht auf Missbrauch erhärtet wird, kann der Arbeitgeber entsprechende arbeitsrechtliche Schritte einleiten.

d) Was sind die rechtlichen Pflichten des Arbeitgebers bei Langzeiterkrankungen?

Bei Langzeiterkrankungen ist der Arbeitgeber verpflichtet, dem Arbeitnehmer ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) anzubieten. Ziel des BEM ist es, die Arbeitsfähigkeit des erkrankten Mitarbeiters wiederherzustellen und einer erneuten Arbeitsunfähigkeit vorzubeugen. Der Arbeitgeber muss das BEM sorgfältig planen und dabei die Datenschutzrechte des Arbeitnehmers wahren.

5. Rechtsprechung zu Umgang mit hohen Krankenständen

  • Es ist Sache des Arbeitgebers, die Initiative zur Durchführung eines gesetzlich gebotenen betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) zu ergreifen. Dazu gehört, dass er den Arbeitnehmer auf die Ziele des bEM sowie die Art und den Umfang der hierfür erhobenen und verwendeten Daten hinweist. Hat der Arbeitgeber die gebotene Initiative nicht ergriffen, muss er zur Darlegung der Verhältnismäßigkeit einer auf krankheitsbedingte Fehlzeiten gestützten Kündigung nicht nur die objektive Nutzlosigkeit arbeitsplatzbezogener Maßnahmen iSv. § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG aufzeigen. Er muss vielmehr auch dartun, dass künftige Fehlzeiten ebenso wenig durch gesetzlich vorgesehene Hilfen oder Leistungen der Rehabilitationsträger in relevantem Umfang hätten vermieden werden können (BAG 20.11.2014 – 2 AZR 755/13).
  • Die Darlegungs- und Beweislast des Arbeitnehmers für die Anspruchsvoraussetzungen des § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG umfasst neben der Tatsache der Arbeitsunfähigkeit als solcher auch deren Beginn und Ende (BAG 25.05.2016 – 5 AZR 318/15).
  • Ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) nach § 84 Abs. 2 SGB IX ist bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen auch dann durchzuführen, wenn keine betriebliche Interessenvertretung iSv. § 93 SGB IX gebildet ist (BAG 30.09.2010 – 2 AZR 88/09).
  • Eine SARS-CoV-2-Infektion stellt auch bei einem symptomlosen Verlauf eine Krankheit iSv. § 3 Abs. 1 EFZG dar. Diese führt zur Arbeitsunfähigkeit, wenn es dem Arbeitnehmer infolge einer behördlichen Absonderungsanordnung rechtlich unmöglich ist, die geschuldete Tätigkeit bei dem Arbeitgeber zu erbringen und eine Arbeitsleistung in der häuslichen Umgebung nicht in Betracht kommt (BAG 20.03.2024 – 5 AZR 234/23).
  • Wird ein Arbeitnehmer infolge seiner Alkoholabhängigkeit arbeitsunfähig krank, kann nach dem derzeitigen Stand der medizinischen Erkenntnisse nicht von einem schuldhaften Verhalten iSd. § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG ausgegangen werden. Im Falle eines Rückfalls nach einer erfolgreich durchgeführten Therapie wird die Multikausalität der Alkoholabhängigkeit sich häufig in den Ursachen eines Rückfalls widerspiegeln und deshalb ein schuldhaftes Verhalten im entgeltfortzahlungsrechtlichen Sinn nicht festzustellen sein. Da es jedoch keine gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse gibt, die in diesem Fall ein Verschulden iSd. § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG generell ausschließen, kann nur ein fachmedizinisches Gutachten genauen Aufschluss über die willentliche Herbeiführung des Rückfalls geben (BAG 18.03.2015 – 10 AZR 99/14).
  • Der Beweiswert von (Folge-)Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen kann erschüttert sein, wenn der arbeitsunfähige Arbeitnehmer nach Zugang der Kündigung eine oder mehrere Folgebescheinigungen vorlegt, die passgenau die Dauer der Kündigungsfrist umfassen, und er unmittelbar nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine neue Beschäftigung aufnimmt (BAG 13.12.2023 – 5 AZR 137/23).

Wenn Sie eine konsequente Strategie zur Reduzierung von Fehlzeiten benötigen, sprechen Sie mich gern an.

Dr. Daniel Weigert, LL.M. (Lund)

Rechtsanwalt · Fachanwalt für Arbeitsrecht
MBA
Data Protection Risk Manager
Wirtschaftsmediator (IHK)
Negotiator (EBS) · Negotiation Master Class (Harvard)

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