Ihr Arbeitgeber hat auf Grund einer Fortbildungsvereinbarung Ihr Gehalt ganz oder teilweise einbehalten? Oder verlangt ihr Arbeitgeber von Ihnen, nachdem Sie gekündigt haben, die Rückzahlung der Fortbildungskosten und Sie möchten die Wirksamkeit der Vereinbarung überprüfen lassen?
In diesen Fällen ist es wichtig nachzuprüfen, ob eine wirksam formulierte Fortbildungs- bzw. Rückzahlungsvereinbarung vorliegt. Solche Vereinbarungen sind in der Regel überwiegend unwirksam, da sie stark fehleranfällig sind und besondere Expertise bei der Erstellung von Fortbildungsklauseln benötigt wird.
Lesen oder downloaden Sie gerne mein Whitepaper mit dem Thema: “Fortbildungskosten und Rückzahlungsvereinbarungen – Möglichkeiten und Risiken“.
Hier erfahren Sie, was Fortbildungsvereinbarungen sind (1.), anhand welcher Kriterien man sie gestaltet (dazu unter 2.) und welche rechtlichen Aspekte zu beachten sind (3.).
Schließlich finden Sie häufig auftretende Fragen zu diesem Thema (4.) und eine Auswahl relevanter Rechtsprechung (5.).
1. Was sind Fortbildungsvereinbarungen?
Fortbildungsvereinbarungen regeln die Bedingungen, unter denen ein Arbeitgeber die Kosten für die Weiterbildung eines Arbeitnehmers übernimmt. Diese Vereinbarungen sind ein wesentliches Instrument
- zur Förderung der beruflichen Entwicklung der Mitarbeiter und
- zur Sicherstellung der Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens.
Die Bestimmungen für Fortbildungs- bzw. Rückzahlungsvereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind prinzipiell sehr streng.
Selbst von Juristen entworfene Rückzahlungsvereinbarungen enthalten häufig sprachliche Mängel, aus denen ihre Unwirksamkeit folgt. Oftmals sind Rückzahlungsvereinbarungen daher arbeitnehmerseitig angreifbar, sodass im Ergebnis kein Rückzahlungsanspruch besteht.
Typische Fehler die in diesem Zusammenhang von Arbeitgebern gemacht werden sind unter anderem:
- Unklare Formulierungen.
- Missverständliche Wortwahl.
- Nicht konkret bestimmbarer Rückzahlungsbetrag.
- Eine Bindungsdauer, die im Verhältnis zu den Fortbildungskosten als unangemessen gilt.
2. Was ist bei der Gestaltung von Fortbildungsvereinbarungen zu beachten?
Bei der Gestaltung von Fortbildungsvereinbarungen sollten folgende Kriterien beachtet werden:
a) Fortbildungsmaßnahme
Es muss eindeutig spezifiziert werden, welche Fortbildungsmaßnahmen der Arbeitgeber unterstützt. Dies umfasst die Art und den Umfang der Fortbildung, wie etwa
- Kurse,
- Seminare,
- Workshops oder
- berufsbegleitende Studiengänge.
b) Kostenübernahme
Die Vereinbarung sollte präzise festlegen, welche Kosten vom Arbeitgeber übernommen werden. Dies kann
- Kursgebühren,
- Reisekosten,
- Unterkunftskosten,
- Materialkosten und
- eventuell auch Verpflegungskosten umfassen.
c) Bindungsdauer
Ein verbindlicher Zeitraum sollte festgelegt werden, in dem der Arbeitnehmer nach Abschluss der Fortbildung im Unternehmen verbleiben muss. Der Verpflichtungszeitraum sollte in einem angemessenen Verhältnis zu den übernommenen Fortbildungskosten stehen, um rechtlich Bestand zu haben.
d) Rückzahlungsklausel
Es müssen klare und verständliche Regelungen darüber getroffen werden, unter welchen Bedingungen der Arbeitnehmer die Fortbildungskosten zurückzahlen muss. Dies ist insbesondere bei vorzeitiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses relevant. Die Rückzahlungsklausel sollte auch den Zeitraum und die Höhe der Rückzahlung detailliert festlegen, um rechtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden.
3. Wichtige rechtliche Aspekte
Die Übernahme von Fortbildungskosten durch den Arbeitgeber und die Vereinbarung von Rückzahlungsklauseln unterliegen rechtlichen Vorgaben:
- Arbeitsrechtlich: Fortbildungsvereinbarungen sind rechtlich als Teil des Arbeitsvertrags zu betrachten und unterliegen somit der Schriftform gemäß § 126 BGB. Änderungen dieser Vereinbarungen bedürfen der ausdrücklichen Zustimmung beider Parteien, um wirksam zu sein.
- Rückzahlungsklauseln: Rückzahlungsklauseln müssen klar und verständlich formuliert sein. Sie dürfen den Arbeitnehmer nicht unangemessen benachteiligen und müssen eine faire und nachvollziehbare Bindungsdauer festlegen. Die Klausel sollte auch transparent darlegen, in welchen Fällen eine Rückzahlung fällig wird, um rechtlichen Herausforderungen standzuhalten.
- Bindungsdauer: Eine Bindungsdauer in Fortbildungsvereinbarungen bezieht sich auf den Zeitraum, in dem sich ein Arbeitnehmer nach Abschluss der Fortbildungsmaßnahme verpflichtet, weiterhin im Unternehmen zu verbleiben. Diese Bindungsdauer soll sicherstellen, dass das Unternehmen einen angemessenen Nutzen aus der Investition in die Fortbildung des Arbeitnehmers zieht.
In Bezug auf die vereinbarte Bindungsdauer orientiert sich die Rechtsprechung an folgenden Zeiträumen:
- Bei 1 Monat bezahlter Freistellung: 6 Monate Bindung
- Bei 2 Monaten bezahlter Freistellung: 12 Monate Bindung
- Bei 3 bis 4 Monaten bezahlter Freistellung: 24 Monate Bindung
- Bei 6 bis 12 Monaten bezahlter Freistellung: 36 Monate Bindung
- Bei 24 Monaten bezahlter Freistellung: 60 Monate Bindung
Diese Zeiträume dienen lediglich als Richtwerte und können je nach dem Marktwert der erworbenen Qualifikation nach oben oder unten angepasst werden.
Die Rückzahlungspflichten müssen sich während der Bindungsdauer zeitanteilig reduzieren.
- Steuerrechtlich: Die Übernahme von Fortbildungskosten durch den Arbeitgeber kann unter bestimmten Voraussetzungen steuerfrei sein, insbesondere wenn die Fortbildung im überwiegenden betrieblichen Interesse des Arbeitgebers erfolgt. Dies gilt gemäß § 3 Nr. 19 EStG, wobei der Arbeitgeber sicherstellen muss, dass die Fortbildung unmittelbar mit der beruflichen Tätigkeit des Arbeitnehmers zusammenhängt.
4. Häufige Fragen zu Fortbildungs- und Rückzahlungsvereinbarungen
a) Wer hat Anspruch auf eine Fortbildung?
Der Anspruch auf eine Fortbildung ergibt sich in der Regel aus dem Arbeitsvertrag oder einer gesonderten Fortbildungsvereinbarung. In vielen Unternehmen haben Mitarbeiter im Rahmen ihrer beruflichen Weiterentwicklung Anspruch auf Fortbildungsmaßnahmen, die im beiderseitigen Interesse liegen.
b) Wie lange muss ich nach der Fortbildung im Unternehmen bleiben?
Der Verpflichtungszeitraum, während dem der Arbeitnehmer im Unternehmen verbleiben muss, wird individuell in der Fortbildungsvereinbarung festgelegt. Dieser Zeitraum richtet sich nach den Fortbildungskosten, der Dauer der Fortbildung sowie den betrieblichen Notwendigkeiten.
c) Was passiert, wenn ich das Unternehmen vor Ablauf des Verpflichtungszeitraums verlasse?
In einem solchen Fall greift die vereinbarte Rückzahlungsklausel. Der Arbeitnehmer muss die Fortbildungskosten anteilig oder vollständig zurückzahlen, abhängig von den im Vertrag festgelegten Bedingungen. Dabei wird oft eine degressive Staffelung angewendet, die eine anteilige Rückzahlung ermöglicht.
d) Welche Kosten übernimmt der Arbeitgeber?
Die Fortbildungsvereinbarung sollte detailliert festlegen, welche Kosten der Arbeitgeber übernimmt. Dies kann die Kursgebühren, Reisekosten, Unterkunftskosten, Materialkosten und eventuell auch Verpflegungskosten umfassen. Eine präzise Regelung hilft, Missverständnisse zu vermeiden.
e) Sind Rückzahlungsklauseln rechtlich zulässig?
Ja, Rückzahlungsklauseln sind rechtlich zulässig, sofern sie transparent und fair gestaltet sind und den Arbeitnehmer nicht unangemessen benachteiligen. Die Klausel muss den Anforderungen des § 307 BGB entsprechen und darf den Arbeitnehmer nicht übermäßig belasten.
f) Welche Anforderungen sind bei der Wirksamkeit einer Rückzahlungsklausel zu beachten?
Bei der Wirksamkeit einer Rückzahlungsklausel ist, auf Seiten des Arbeitgebers, sein “berechtigtes Interesse” zu beachten. Arbeitgeber haben regelmäßig bei der Übernahme von Fortbildungskosten ein Interesse daran, dass die vom Arbeitnehmer erworbene Qualifikation im Unternehmen langfristig genutzt werden kann.
Für die Wirksamkeit einer Rückzahlungsklausel spricht ebenfalls, wenn der Arbeitnehmer durch die Fortbildung einen “geldwerten Vorteil” erlangt hat. Das bedeutet, dass er auch nach Ausscheiden aus dem bisherigen Arbeitsverhältnis, einen Vorteil durch die Fortbildung erzielt hat, beispielsweise durch Verbesserung der Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Dies ist bei innerbetrieblichen Fortbildungen regelmäßig nicht der Fall.
Letztlich muss die Rückzahlungspflicht dem Arbeitnehmer auch zumutbar sein. Dabei muss einzelfallabhängig die beidseitige Interessenlage gegeneinander abgewägt werden.
5. Rechtsprechung zu Fortbildungs- und Rückzahlungsvereinbarungen
- Fortbildungsvereinbarung bei Piloten: Vereinbarungen, nach denen sich ein Arbeitnehmer an den Kosten einer vom Arbeitgeber finanzierten Ausbildung zu beteiligen hat, sind grundsätzlich zulässig. Klauseln, die eine unbedingte Kostenbeteiligung zum Gegenstand haben sind hiervon auch umfasst. Bei der Beurteilung der Angemessenheit der Rückzahlungsverpflichtung ist zu berücksichtigen, ob und inwieweit es dem Flugschüler tatsächlich und rechtlich möglich war, seine weitere, auf der Grundschulung aufbauende Ausbildung zum Piloten bei der Fluggesellschaft oder einer anderen Ausbildungsorganisation zu beenden (BAG 05.09.2023 – 9 AZR 350/22).
- Die Rückzahlungspflicht der Fortbildungskosten schlechthin an das wiederholte Nichtablegen der angestrebten Prüfung zu knüpfen, ohne die Gründe dafür zu betrachten, ist nicht zulässig. Zumindest praktisch relevante Fallkonstellationen, in denen die Gründe für die Nichtablegung der Prüfung nicht in der Verantwortungssphäre des Arbeitnehmers liegen, müssen von der Rückzahlungspflicht ausgenommen werden (BAG 25.04.2023 – 9 AZR 187/22).
- Unwirksame Rückzahlungsvereinbarung: Eine Rückzahlungsklausel in AGB wegen gewährter Sondervergütungen, die dort unter den Vorbehalt bei Beendigung bestehender “anderslautender betrieblicher Regelungen” gestellt ist, begründet für Arbeitnehmer unüberschaubare Unklarheiten, welche Festlegungen aus welchen Quellen die vereinbarte Rückzahlungspflicht nach ihren Voraussetzungen verändern und auch verschlechtern können. Die Rückzahlungsklausel ist unwirksam (LAG Berlin-Brandenburg, 23.04.2021 – 12 Sa 1122/20).
- Die Rückzahlungspflicht an das Ausscheiden aufgrund Eigenkündigung des Arbeitnehmers innerhalb einer vereinbarten Bindungsfrist zu knüpfen, ohne Differenzierung des Grundes des vorzeitigen Ausscheidens, ist unzulässig. Ebenso benachteiligen solche Rückzahlungsklauseln, in denen der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis vor Ablauf der Bindungsdauer kündigt, weil es ihm unverschuldet dauerhaft nicht möglich ist, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, unangemessen (BAG 01.03.2022 – 9 AZR 260/21).
Wenn ich Ihre Fortbildungs- und Rückzahlungsvereinbarung prüfen oder eine solche für Sie gestalten soll, melden Sie sich gern.
Dr. Daniel Weigert, LL.M. (Lund)
Rechtsanwalt · Fachanwalt für Arbeitsrecht
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