Handelsvertreterverträge

Handelsvertreterverträge sind wesentliche Instrumente im Vertrieb und spielen eine zentrale Rolle in der Beziehung zwischen Unternehmen und ihren Handelsvertretern. Sie regeln die Rechte und Pflichten beider Parteien und sorgen für Klarheit und Rechtssicherheit. Haben Sie als Unternehmer Fragen zur rechtssicheren Gestaltung Ihrer Handelsvertreterverträge? Möchten Sie sicherstellen, dass Ihre Verträge den gesetzlichen Anforderungen entsprechen und keine versteckten Fallstricke enthalten? Oder sind Sie als Handelsvertreter unsicher, ob Ihr Vertrag alle wesentlichen Regelungen enthält und ob diese zu Ihren Gunsten ausgelegt sind?

Dieser Leitfaden behandelt die rechtlichen Rahmenbedingungen (dazu unter 1.), die Kriterien für Handelsvertreter (dazu unter 2.) sowie die Beendigung und Abwicklung von Handelsvertreterverträgen (dazu unter 3.).

Abschließend werden häufige Fragen beantwortet (dazu unter 4.) und eine Auswahl relevanter Rechtsprechung dargestellt (dazu unter 5.).

1. Was sind Handelsvertreterverträge und worauf ist zu achten?

Handelsvertreterverträge sind in Deutschland durch verschiedene Gesetze geregelt, insbesondere durch das Handelsgesetzbuch (HGB). Hier sind einige der wichtigsten rechtlichen Aspekte, die beachtet werden müssen:

a) Definition und Aufgaben eines Handelsvertreters

Handelsvertreter ist, wer als selbständiger Gewerbetreibender ständig damit betraut ist, für einen anderen Unternehmer Geschäfte zu vermitteln (sog. Vermittlungsvertreter) oder in dessen Namen abzuschließen (sog. Abschlussvertreter; § 84 HGB). Gleichwohl kann auch ein Arbeitnehmer Handelsvertreter sein. Die Abgrenzung ist sowohl für das Thema „Scheinselbstständigkeit“ relevant als auch für die Reichweite der Anwendbarkeit des HGB.

Jedenfalls gibt es vergütungsrechtliche Besonderheiten bei Handelsvertretern. So haben jene einen speziellen, gesetzlich geregelten Provisionsanspruch für alle Geschäfte, die auf ihre Tätigkeit zurückzuführen sind (§ 87 HGB). Das gilt auch, wenn das Arbeits- bzw. Dienstverhältnis bereits beendet ist.

b) Vertragsabschluss und Schriftform

Ein Handelsvertretervertrag sollte aus Gründen der Rechtssicherheit stets schriftlich abgeschlossen werden. Der Vertrag sollte alle wesentlichen Punkte wie:

  • Vertragsgegenstand,
  • Vergütung,
  • Kündigungsfristen und
  • Wettbewerbsverbote

enthalten. Dies schafft Klarheit für beide Parteien und verhindert spätere Missverständnisse.

c) Pflichten des Handelsvertreters und des Unternehmers

Der Handelsvertreter ist verpflichtet, die Interessen des Unternehmers wahrzunehmen und sich nach dessen Weisungen zu richten. Der Unternehmer ist verpflichtet, den Handelsvertreter zu unterstützen und ihm alle notwendigen Informationen zur Verfügung zu stellen, die dieser zur Ausübung seiner Tätigkeit benötigt.

Merke

Vermittlungsvertreter = Handelsvertreter, der als selbständiger Gewerbetreibender ständig damit betraut ist, für einen anderen Unternehmer Geschäfte zu vermitteln.

Abschlussvertreter = Handelsvertreter, der als selbständiger Gewerbetreibender ständig damit betraut ist, für einen anderen Unternehmer in dessen Namen Geschäfte abzuschließen.

2. Was sind die Kriterien für Handelsvertreter? 

Handelsvertreter spielen eine wesentliche Rolle im Vertriebssystem vieler Unternehmen. Ihre Tätigkeit ist durch spezifische Kriterien gekennzeichnet, die sie von regulären Arbeitnehmern unterscheiden.

Hier sind die wichtigsten Kriterien, die erfüllt sein müssen, damit jemand als Handelsvertreter gilt:

a) Ständige Vertragsbeziehung zu einem Unternehmen

Ein Handelsvertreter steht in einer ständigen Vertragsbeziehung zu dem vertretenen Unternehmen. Dies bedeutet, dass er regelmäßig für dieses Unternehmen tätig ist und nicht nur gelegentlich Aufträge vermittelt oder abschließt. Ein solcher Vertrag ist typischerweise auf eine längere Dauer angelegt und wird nicht für einzelne Geschäfte abgeschlossen.

Beispiel: Ein Handelsvertreter hat einen Vertrag mit einer Firma für medizinische Geräte und vermittelt kontinuierlich Verkäufe an Krankenhäuser und Arztpraxen.

b) Vermittlung oder Abschluss von Geschäften im Namen und für Rechnung des Unternehmens

Der Handelsvertreter vermittelt oder schließt Geschäfte im Namen und für Rechnung des vertretenen Unternehmens ab. Er handelt somit nicht auf eigene Rechnung, sondern als Vertreter des Unternehmens. Dabei übernimmt er eine Vermittlerrolle, ohne selbst Partei der Verträge zu werden.

Beispiel: Ein Handelsvertreter für ein Autohaus vermittelt den Verkauf von Fahrzeugen und schließt Kaufverträge im Namen des Autohauses ab.

c) Betrieb eines eigenen Gewerbes

Ein Handelsvertreter betreibt ein eigenes Gewerbe. Dies bedeutet, dass er unternehmerisch tätig ist und sich selbst um die notwendigen Geschäftsvorgänge, wie Buchhaltung und Akquise, kümmert. Er ist somit nicht in die Betriebsorganisation des vertretenen Unternehmens eingegliedert, sondern agiert unabhängig.

Beispiel: Ein Handelsvertreter führt ein eigenes Büro und hat mehrere Mitarbeiter, die ihn bei seiner Tätigkeit unterstützen.

d) Eigenes Unternehmer- und Kostenrisiko

Ein Handelsvertreter trägt ein eigenes Unternehmer- und Kostenrisiko. Dies bedeutet, dass er für seine Geschäftstätigkeit eigene Kosten aufbringt und das Risiko trägt, keinen Umsatz zu erzielen, wenn er keine Geschäfte vermittelt oder abschließt.

Beispiel: Ein Handelsvertreter muss seine Reisekosten und andere Auslagen selbst tragen und erhält nur dann eine Vergütung, wenn es zu erfolgreichen Vertragsabschlüssen kommt.

e) Freie Gestaltung der Tätigkeit und Arbeitszeit

Ein Handelsvertreter gestaltet seine Tätigkeit und seine Arbeitszeit frei. Er ist nicht an Weisungen des vertretenen Unternehmens gebunden und kann selbst entscheiden, wie er seine Arbeit organisiert und durchführt.

Beispiel: Ein Handelsvertreter kann selbst wählen, wann und wie er Kundenbesuche durchführt und ist dabei nicht an feste Arbeitszeiten gebunden.

f) Provision ohne Abzug von Steuern und Sozialabgaben

Ein Handelsvertreter erhält seine Vergütung in Form von Provisionen, die ohne Abzug von Steuern und Sozialabgaben ausgezahlt werden (§ 87 HGB). Dies unterscheidet ihn von regulären Arbeitnehmern, bei denen der Arbeitgeber Steuern und Sozialversicherungsbeiträge direkt abführt.

Beispiel: Ein Handelsvertreter erhält für jeden erfolgreich vermittelten Vertrag eine Provision, die er in voller Höhe selbst versteuern muss.

g) Abgrenzung zu Arbeitnehmern

Im Gegensatz zu Handelsvertretern sind Arbeitnehmer in die betriebliche Organisation des Unternehmens eingebunden und unterliegen Weisungen hinsichtlich Arbeitszeit, Arbeitsort und Arbeitsweise. Arbeitnehmer erhalten in der Regel ein festes Gehalt, von dem der Arbeitgeber Steuern und Sozialabgaben abführt. Sie tragen kein eigenes unternehmerisches Risiko und sind sozial abgesichert.

Beispiel: Ein Vertriebsmitarbeiter eines Unternehmens, der fest angestellt ist und ein monatliches Gehalt erhält, unterliegt den Weisungen seines Arbeitgebers und ist sozialversichert.

Durch die Erfüllung dieser Kriterien wird sichergestellt, dass Handelsvertreter eine unabhängige und selbstständige Tätigkeit ausüben, die sich grundlegend von der abhängigen Beschäftigung eines Arbeitnehmers unterscheidet. Diese Unterscheidung ist von großer Bedeutung für die rechtliche Einordnung und die damit verbundenen Rechte und Pflichten.

Merke

Eine Person muss, um als Handelsvertreter zu gelten, die folgenden Voraussetzungen erfüllen:

  • Ständige Vertragsbeziehung zu einem Unternehmen
  • Vermittlung oder Abschluss von Geschäften im Namen und für Rechnung des Unternehmens
  • Betrieb eines eigenen Gewerbes
  • Eigenes Unternehmer- und Kostenrisiko
  • Freie Gestaltung der Tätigkeit und Arbeitszeit
  • Provision ohne Abzug von Steuern und Sozialabgaben

Beispiel: Ein selbstständiger Vertriebsberater, der regelmäßig für verschiedene Softwareunternehmen tätig ist und Softwarelizenzen vermittelt, erfüllt diese Voraussetzungen und gilt somit als Handelsvertreter.

3. Beendigung und Abwicklung von Handelsvertreterverträgen

Die Beendigung eines Handelsvertretervertrags wirft oft komplexe Fragen auf, die im Vertrag klar geregelt sein sollten:

a) Kündigungsfristen und -gründe

Der Vertrag sollte die gesetzlichen Kündigungsfristen wiedergeben und festlegen, unter welchen Bedingungen eine außerordentliche Kündigung möglich ist. Wichtig ist auch die Regelung der Kündigungsgründe.

b) Ausgleichsanspruch

Nach § 89b HGB hat der Handelsvertreter unter bestimmten Voraussetzungen einen Ausgleichsanspruch bei Vertragsende. Dieser Anspruch soll den Handelsvertreter für den Verlust zukünftiger Provisionen entschädigen, die er durch den Aufbau eines Kundenstamms für den Unternehmer erwirtschaftet hat.

c) Rückgabe von Unterlagen und Eigentum

Nach Vertragsende muss der Handelsvertreter alle vom Unternehmer zur Verfügung gestellten Unterlagen und Eigentum zurückgeben. Der Vertrag sollte die genauen Modalitäten und Fristen für diese Rückgabe festlegen.

4. Häufige Fragen zu Handelsvertreterverträgen

a) Wer kann Handelsvertreter werden?

Jede geschäftsfähige Person kann grundsätzlich als Handelsvertreter tätig werden. Es ist jedoch essenziell, die gesetzlichen und steuerlichen Anforderungen der Selbstständigkeit zu beachten, einschließlich der Anmeldung eines Gewerbes und der Einhaltung der sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen.

b) Welche Vorteile bietet ein Handelsvertretervertrag?

Ein Handelsvertretervertrag bietet beiden Vertragsparteien klare rechtliche Regelungen und damit Rechtssicherheit. Für den Handelsvertreter eröffnet er die Möglichkeit, eigenverantwortlich tätig zu sein und eine erfolgsabhängige Vergütung zu erzielen. Dies fördert die unternehmerische Freiheit und die Motivation durch direkte Partizipation am wirtschaftlichen Erfolg.

c) Was passiert bei Beendigung des Vertrags?

Bei Beendigung des Handelsvertretervertrags hat der Handelsvertreter unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf einen Ausgleichsanspruch gemäß § 89b HGB. Ferner sind alle ausstehenden Provisionsansprüche zu klären, und die Rückgabe von Geschäftsmaterialien und Eigentum des Unternehmens muss geregelt werden.

d) Wie wird die Provision berechnet?

Die Provision wird üblicherweise als Prozentsatz des vermittelten oder abgeschlossenen Geschäfts berechnet. Der exakte Prozentsatz sowie die Berechnungsgrundlagen sollten eindeutig im Handelsvertretervertrag festgelegt sein, um Transparenz und Klarheit zu gewährleisten. Wurde die Provision vertraglich nicht bestimmt, so ist der übliche Satz als vereinbart anzusehen (§ 87b HGB).

e) Kann der Vertrag nachträglich geändert werden?

Nachträgliche Änderungen des Handelsvertretervertrags sind grundsätzlich möglich, bedürfen jedoch der Zustimmung beider Vertragsparteien. Der Vertrag sollte Bestimmungen enthalten, die das Verfahren und die Bedingungen für solche Änderungen festlegen, um mögliche Streitigkeiten zu vermeiden.

f) Gibt es eine Obergrenze für Provisionen?

Eine gesetzliche Obergrenze für Provisionen existiert nicht. Die Höhe der Provision sollte jedoch marktüblich und angemessen sein, um eine faire und nachhaltige Geschäftsbeziehung sicherzustellen.

5. Rechtsprechung zu Handelsvertreterverträgen:

  • Handelsvertreter haben nach § 86 Absatz 1 HGB jeden Wettbewerb zu unterlassen, der geeignet ist, die Interessen des Unternehmers zu beeinträchtigen. Verstoßen sie dagegen, machen sie sich schadensersatzpflichtig. Zur Vorbereitung der Geltendmachung eines solchen Schadensersatzanspruches hat der Unternehmer nach Treu und Glauben einen Anspruch auf Auskunft, wenn der begründete Verdacht einer Vertragspflichtverletzung besteht und ein Schaden wahrscheinlich ist (LAG Berlin-Brandenburg 01.12.2022 – 21 Sa 390/22).

  • Ob ein „Vertriebspartnervertrag“ – hier in der Telekommunikationsvermarktung – als Handelsvertretervertrag im Sinne der §§ 84ff. HGB anzusehen ist, hängt davon ab, ob der Vertriebspartner im Sinne dieser Vorschriften verpflichtet ist, sich ständig um die Vermittlung von Geschäften (hier: Mobilfunkverträgen) zu bemühen (OLG Hamm 14.11.2022 – 18 U 191/21).
  • Auch mittelbare Erschwernisse in Form von finanziellen oder sonstigen Nachteilen können die Kündigungsfreiheit des Handelsvertreters im Sinne des § 89a HGB beschränken. Unter welchen Voraussetzungen die an die Vertragsbeendigung vertraglich geknüpften Nachteile von solchem Gewicht sind, dass eine unzulässige, mittelbare Beschränkung des Kündigungsrechts des Handelsvertreters vorliegt, ist eine Frage des Einzelfalls (BGH 19.01.2023 – VII ZR 787/21).

Benötigen Sie Hilfe bei der Erstellung eines Vertrages für einen Handelsvertreter oder seiner Provisionsberechnung? Dann sprechen Sie mich jederzeit gern darauf an.

Dr. Daniel Weigert, LL.M. (Lund)

Rechtsanwalt · Fachanwalt für Arbeitsrecht
MBA
Data Protection Risk Manager
Wirtschaftsmediator (IHK)
Negotiator (EBS) · Negotiation Master Class (Harvard)

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