Betriebsverfassungsrechtliche Streitigkeiten

Sind Sie als Arbeitgeber oder Betriebsrat unsicher, wie Sie eine betriebsverfassungsrechtliche Streitigkeit lösen können? Oder möchten Sie prüfen, ob eine bestimmte Maßnahme gegen das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) verstößt?

Im Folgenden werden die typischen Streitpunkte im Betriebsverfassungsrecht (dazu unter 1.) sowie mögliche Lösungen und Verfahren zur Streitbeilegung (dazu unter 2.) erläutert. Im Anschluss geben wir praktische Tipps für den Umgang mit solchen Konflikten (dazu unter 3.) und stellen dar, wann die Einleitung eines Einigungsstellenverfahrens sinnvoll sein kann (dazu unter 4.).

Anschließend werden häufige Fragen zu diesem Thema beantwortet (dazu unter 5.) und Sie finden eine Auswahl relevanter Rechtsprechung (dazu unter 6.).

1. Was sind typische Streitpunkte im Betriebsverfassungsrecht?

Es gibt eine Vielfalt an Streitigkeiten im Betriebsverfassungsrecht. Je nach Branche und Arbeitsumfeld können diese unterschiedlich ausfallen. Nachfolgend werden die im Allgemeinen typischerweise auftretenden Streitpunkte dargestellt.

a) Verstöße gegen Betriebsvereinbarungen

Ein häufiges Streitthema ist die Frage, ob der Arbeitgeber gegen eine bestehende Betriebsvereinbarung verstoßen hat. Betriebsvereinbarungen regeln zahlreiche Aspekte des Arbeitsverhältnisses und deren Einhaltung ist für den Betriebsfrieden unerlässlich. 

Verstößt der Arbeitgeber gegen eine Betriebsvereinbarung, sollte der Betriebsrat ihn zunächst darauf hinweisen und ihm eine Frist setzen, um zu reagieren. Andernfalls kann der Betriebsrat das Befolgen der Betriebsvereinbarung auch gerichtlich erzwingen (vgl. § 23 BetrVG).

b) Verstöße gegen Mitbestimmungsrechte (§ 87 BetrVG)

Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats, insbesondere nach § 87 BetrVG, können ebenfalls Anlass zu Streitigkeiten geben. Hier geht es oft darum, ob der Arbeitgeber Mitbestimmungsrechte missachtet hat, zum Beispiel bei der Gestaltung von Arbeitszeiten oder der Einführung neuer Technologien.

c) Zustimmung des Betriebsrats zu personellen Maßnahmen (§ 99 BetrVG)

Eine weitere Konfliktquelle ist die Zustimmung des Betriebsrats zu personellen Maßnahmen wie Einstellungen, Versetzungen oder Kündigungen. In bestimmten Fällen muss diese Zustimmung durch das Arbeitsgericht ersetzt werden, wenn der Betriebsrat sie verweigert.

d) Kostenübernahme für Betriebsratsschulungen (§ 40 BetrVG)

Betriebsräte haben Anspruch auf Schulungen, die für ihre Arbeit erforderlich sind. Auch die notwendigen Reise-, Verpflegungs- und Übernachtungskosten im Rahmen der Schulungen trägt der Arbeitgeber. Dabei hat der Betriebsrat darauf zu achten, dass diese Kosten verhältnismäßig sind. Es kommt häufig zu Auseinandersetzungen darüber, ob der Arbeitgeber die Kosten für solche Schulungen tragen muss.

e) Auskunftsansprüche des Betriebsrats

Der Betriebsrat hat das Recht, vom Arbeitgeber bestimmte Auskünfte zu erhalten, die er für die Wahrnehmung seiner Aufgaben benötigt. Streit entsteht oft darüber, ob der Arbeitgeber diese Auskünfte erteilen muss.

f) Störung oder Behinderung der Betriebsratsarbeit (§ 78 BetrVG)

Ein schwerwiegendes Problem ist die Störung und Behinderung der Betriebsratsarbeit durch den Arbeitgeber. Dies ist nach § 78 BetrVG ausdrücklich untersagt und kann zu erheblichen Auseinandersetzungen führen.

Ein Verstoß hiergegen kann gemäß § 119 BetrVG im Einzelfall sogar eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe nach sich ziehen.

g) Einleitung eines Einigungsstellenverfahrens

Wenn Verhandlungen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber scheitern, kann ein Einigungsstellenverfahren eingeleitet werden. Dies geschieht oft gegen den Willen einer der Parteien und führt zu weiteren Streitigkeiten.

2. Mögliche Lösungen und Verfahren zur Streitbeilegung

a) Einigungsstellenverfahren

Ein Einigungsstellenverfahren kann helfen, wenn sich Arbeitgeber und Betriebsrat nicht einigen können. Die Einigungsstelle besteht aus Vertretern beider Seiten und einem neutralen Vorsitzenden, der eine Lösung vorschlägt.

b) Mediation

Eine Mediation ist ein freiwilliges Verfahren, bei dem ein neutraler Dritter den Konfliktparteien hilft, eine einvernehmliche Lösung zu finden. Es ist eine gute Möglichkeit, langwierige und teure Gerichtsverfahren zu vermeiden.

c) Gerichtliche Klärung

In einigen Fällen ist es notwendig, den Streit vor Gericht zu klären. Das Arbeitsgericht entscheidet dann über die Rechtsfragen und sorgt für eine verbindliche Lösung.

3. Praktische Tipps für den Umgang mit Konflikten

Dokumentieren Sie alle relevanten Vorgänge und Gespräche sorgfältig. Dies kann im Streitfall als Beweismittel dienen. Führen Sie offene und transparente Gespräche mit der Gegenseite. Missverständnisse können oft durch direkte Kommunikation ausgeräumt werden.

Holen Sie sich rechtlichen Rat, bevor Sie Maßnahmen ergreifen. Eine fundierte Beratung kann helfen, Fehler zu vermeiden und die beste Vorgehensweise zu wählen.

Vielleicht möchten Sie im Falle gescheiterter Verhandlungen auch ein Einigungsstellenverfahren einleiten, dessen Notwendigkeit die andere Partei nicht sieht.

Finden Sie sich in einer solchen Situation wieder bin ich gern bereit, eine außergerichtliche Lösung mit der Gegenseite zu finden oder Sie in einem streitigen Beschlussverfahren zu vertreten.

Merke

Mögliche Lösungen im Streitfall: 

  1. Einigungsstelle
  2. Mediation
  3. Gerichtliches Verfahren

4. Wann ist die Einleitung eines Einigungsstellenverfahrens sinnvoll?

Ein Einigungsstellenverfahren (§ 76 BetrVG) kann sinnvoll sein, wenn:

  • Verhandlungen zwischen den Parteien festgefahren sind.
  • Es um komplexe oder strittige Fragen geht, die eine neutrale Einschätzung erfordern.
  • Beide Seiten an einer schnellen und verbindlichen Lösung interessiert sind.

Bei dem Einigungsstellenverfahren handelt es sich nicht um ein gerichtliches Verfahren. Auch die Kosten der Einigungsstelle trägt der Arbeitgeber. 

Die Einigungsstelle besteht aus einer gleichen Anzahl von Beisitzern sowohl auf Arbeitgeber- als auch auf Betriebsratsseite und einem unparteiischen Vorsitzenden  (§ 76 Abs. 2 BetrVG). 

5. Häufige Fragen zum Thema betriebsverfassungsrechtliche Streitigkeiten

a) Muss der Betriebsrat einer personellen Maßnahme immer zustimmen?

Nein, der Betriebsrat muss nicht immer zustimmen, aber in bestimmten Fällen, wie bei Einstellungen oder Versetzungen, ist seine Zustimmung erforderlich. Wird diese verweigert, kann die Zustimmung durch das Arbeitsgericht im Rahmen eines Zustimmungsersetzungsverfahrens (§ 99 Abs. 4 BetrVG) ersetzt werden.

b) Kann der Arbeitgeber die Kosten für Betriebsratsschulungen ablehnen?

Der Arbeitgeber kann die Kosten nur ablehnen, wenn die Schulung nicht erforderlich oder unverhältnismäßig teuer ist. Andernfalls muss er die Kosten tragen.

c) Was tun, wenn der Arbeitgeber Auskünfte verweigert?

Der Betriebsrat kann die Auskünfte gerichtlich einklagen, wenn der Arbeitgeber sie unrechtmäßig verweigert.

d) Wie lange dauert ein Einigungsstellenverfahren?

Die Dauer eines Einigungsstellenverfahrens variiert, kann aber mehrere Wochen bis Monate in Anspruch nehmen, abhängig von der Komplexität des Konflikts.

e) Kann ein Betriebsrat gegen eine Behinderung seiner Arbeit vorgehen?

Ja, der Betriebsrat kann gerichtlich gegen eine Behinderung seiner Arbeit vorgehen und entsprechende Maßnahmen einfordern oder ein Unterlassen beantragen (vgl. § 23 BetrVG). Weitere Handlungsmöglichkeiten sind beispielsweise die Anrufung der Einigungsstelle oder gegebenenfalls das Stellen eines Strafantrags (vgl. § 119 BetrVG).

f) Haben Sie weitere Fragen?

Bei weiteren Fragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.

6. Rechtsprechung zu betriebsverfassungsrechtlichen Streitigkeiten

  • Begünstigung eines Personalratsmitglieds durch Zeitgutschriften: Eine Vereinbarung, mit der einem Personalratsmitglied wegen personalratsbedingter Mehrbelastung eine pauschale monatliche Stundengutschrift auf seinem Langzeitkonto zugesagt wird, verstößt gegen das Begünstigungsverbot in § 107 BPersVG und ist deshalb nach § 134 BGB nichtig, wenn die der Führung von Arbeitszeitkonten zugrunde liegende Dienstvereinbarung das Ansparen von aus Mehrarbeit resultierenden Zeiten auf dem Langzeitkonto nicht vorsieht, sondern dies dem Jahresarbeitszeitkonto vorbehält (BAG 26.05.2021 – 7 AZR 248/20). 
  • Betriebsratsbegünstigung durch einen Dienstwagen: Die Überlassung eines Dienstwagens an ein freigestelltes Betriebsratsmitglied auch zur privaten Nutzung verstößt gegen das Begünstigungsverbot des § 78 BetrVG, wenn dem Betriebsratsmitglied ohne diese Funktion ein Dienstwagen nicht zugestanden hätte (LAG Berlin-Brandenburg 11.02.2020 – 7 Sa 997/1).
  • Untersagung der Behinderung der Betriebsratstätigkeit: Die Veröffentlichung eines Aushangs und die Äußerung in einer Betriebsversammlung, ein Betriebsratsmitglied habe durch die Forderung nach einer hohen Abfindung das Vertrauen der Belegschaft und die Verantwortung gegenüber dieser missbraucht, stellt einen Verstoß gegen das Verbot der Behinderung der Betriebsratsarbeit dar. Wird die Veröffentlichung auch auf andere Betriebe erstreckt, stellt dies einen groben Verstoß gegen die vertrauensvolle Zusammenarbeit dar (LAG Nürnberg 14.11.2022 – 1 TaBVGa 4/22).
  • Unwirksamer Betriebsratsbeschluss und Betriebsvereinbarung: Eine vom Betriebsratsvorsitzenden ohne Beschluss des Gremiums abgegebene Erklärung zum Abschluss einer Betriebsvereinbarung kann dem Betriebsrat nicht nach den Grundsätzen einer Anscheinsvollmacht zugerechnet werden (BAG 08.02.2022 – 1 AZR 233/21).
  • Zustimmungsersetzung – rechtzeitige Unterrichtung des Betriebsrats: Hat der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer ohne Beteiligung des Betriebsrats eingestellt oder versetzt, kann er ein rechtzeitiges – und damit insoweit ordnungsgemäßes – Zustimmungsersuchen nach § 99 Abs. 1 BetrVG nur dann an den Betriebsrat richten, wenn er die personelle Einzelmaßnahme zuvor aufgehoben hat. Dabei ist erforderlich, dass der Einsatz des betroffenen Arbeitnehmers – zumindest vorübergehend bis zur Einleitung eines etwaigen neuen Beteiligungsverfahrens nach § 99 Abs. 1, § 100 Abs. 2 BetrVG – tatsächlich unterbleibt (BAG 11.10.2022 – 1 ABR 18/21).
  • Begleichung der Honorarforderung eines Anwalts – keine Rückforderung von Betriebsratsmitglied: Erfüllt der Arbeitgeber eine ihm gegenüber als Kosten betriebsrätlicher Tätigkeit erhobene (Dritt-)Forderung, kann er keinen Regress bei den Betriebsratsmitgliedern nehmen mit dem Argument, er habe mangels Erforderlichkeit der Kosten deren Schuld getilgt. Die Grundsätze der Geschäftsführung ohne Auftrag und des Bereicherungsrechts greifen insoweit nicht ein (BAG 25.10.2023 – 7 AZR 338/22).
  • Außerordentliche Kündigung – Unterrichtung des Betriebsrats: Die Wahrung der Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB gehört nicht zu den „Gründen für die Kündigung“ iSv. § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG, über die der Arbeitgeber den Betriebsrat unterrichten muss (BAG 07.05.2020 – 2 AZR 678/19).

Gerne berate ich Sie zu betriebsverfassungsrechtlichen Themen oder unterstütze Sie bei der Aushandlung einer Betriebsvereinbarung.

Dr. Daniel Weigert, LL.M. (Lund)
Rechtsanwalt · Fachanwalt für Arbeitsrecht
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