Sonderkündigungsschutz von Betriebsräten

Wurde bei Ihrem Unternehmen ein Betriebsrat gewählt und stellt sich die Frage, wie dieser durch das Arbeitsrecht geschützt ist? Gibt es Unsicherheiten oder Konflikte bezüglich des Sonderkündigungsschutzes eines Betriebsratsmitglieds?

In diesem Artikel erfahren Sie alles über den Sonderkündigungsschutz für Betriebsräte (dazu unter 1. und 2.) sowie die besonderen Anforderungen bei der Kündigung eines Betriebsratsmitglieds (dazu unter 3.).

Im Anschluss werden häufige Fragen zu den relevanten rechtlichen Aspekten beantwortet (dazu unter 4.). Abschließend erhalten Sie einen Überblick über die relevante Rechtsprechung (dazu unter 5.).

1. Rechtlicher Status von Betriebsräten

Der Betriebsrat ist ein gewähltes Gremium, das die Interessen der Belegschaft gegenüber dem Arbeitgeber vertritt. Der Sonderkündigungsschutz für Betriebsräte ist ein zentrales Element des Arbeitsrechts, das die Unabhängigkeit und Effektivität der Betriebsratsarbeit gewährleisten soll. Betriebsräte genießen einen besonderen Schutz, der sicherstellt, dass sie ihre Aufgaben ohne Angst vor Repressalien durch den Arbeitgeber wahrnehmen können. Eine wichtige Facette dieses Schutzes ist der Sonderkündigungsschutz.

Der Betriebsrat hat als Gremium eine Reihe von Rechten und Pflichten inne. Es liegt dabei in der Natur der Sache, dass er mit dem Arbeitgeber oftmals konfrontativ umgeht und es zu Meinungsverschiedenheiten kommt. Das macht es erforderlich, dass ein Betriebsratsmitglied sehr stark geschützt wird. Er wird sich nur trauen, den Arbeitgeber zu konfrontieren, wenn er keine Angst vor arbeitsrechtlichen Maßnahmen (etwa Kündigungen) haben muss.

2. Der Sonderkündigungsschutz im Detail

Der Sonderkündigungsschutz von Betriebsräten ist in § 15 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) sowie in § 103 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) geregelt. Dieser Schutz umfasst sowohl ordentliche als auch außerordentliche Kündigungen.

a) Ordentliche Kündigung

Gemäß § 15 Abs. 1 KSchG ist die ordentliche Kündigung eines Betriebsratsmitglieds grundsätzlich unzulässig. Dieser Schutz gilt während der gesamten Amtszeit des Betriebsrats und für ein Jahr nach deren Ende. Dies soll sicherstellen, dass Betriebsratsmitglieder ihre Tätigkeit ohne Angst vor Kündigungen ausüben können.

Eine ordentliche Kündigung ist nur in Ausnahmefällen zulässig, wie z. B. bei einer Betriebsstilllegung oder Stilllegung einer Betriebsabteilung, wenn eine Übernahme des Betriebsratsmitglieds in eine andere Abteilung nicht möglich ist (§ 15 Abs. 4 und 5 KSchG).

b) Außerordentliche Kündigung

Eine außerordentliche Kündigung eines Betriebsratsmitglieds ist nur unter strengen Bedingungen möglich. Nach § 15 Abs. 1 KSchG und § 103 BetrVG kann der Arbeitgeber eine außerordentliche Kündigung nur mit Zustimmung des Betriebsrats und, falls diese verweigert wird, mit Zustimmung des Arbeitsgerichts aussprechen. Dies setzt einen „wichtigen Grund“ im Sinne des § 626 BGB voraus, der eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar macht.

Die Hürden für außerordentliche Kündigungen sind sehr hoch und betreffen meist gravierende Pflichtverletzungen wie Diebstahl, Betrug oder schwerwiegende Vergehen am Arbeitsplatz.

Merke

Die ordentliche Kündigung von Betriebsräten ist grundsätzlich unzulässig (Ausnahmen: Betriebsstilllegung oder Stilllegung der Betriebsabteilung).

Die außerordentliche Kündigung ist zulässig, unterliegt aber hohen Voraussetzungen. Es muss unter anderem ein “wichtiger Grund” hierfür und die Zustimmung des Betriebsrats vorliegen. 

3. Besondere Anforderungen bei der Kündigung eines Betriebsratsmitglieds

a) Anforderungen an die außerordentliche Kündigung

Bei der außerordentlichen Kündigung eines Betriebsratsmitglieds sind besondere Voraussetzungen zu beachten. Diese Kündigungen bedürfen der Zustimmung des Betriebsrats (§ 15 Abs. 1 KSchG). Die außerordentliche Kündigung kann nur ausgesprochen werden, wenn ein „wichtiger Grund“ vorliegt, der die sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigt. Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor, wenn die Pflichtverletzung des Betriebsratsmitglieds so gravierend ist, dass die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar ist. In jedem Fall sind die beidseitigen Interessenlagen abzuwägen. 

Beispiele für das Vorliegen eines „wichtigen Grundes“:

  • Spesen- und Arbeitszeitbetrug
  • Diebstahl
  • Körperverletzung zwischen Arbeitskollegen
  • Sexuelle Belästigung
  • Vortäuschen einer Arbeitsunfähigkeit
  • Bewusstes Verbreiten personenbezogener Daten der Kollegen per E-Mail
  • Verbreitung ausländerfeindlicher Schriftstücke

b) Verweigerung der Zustimmung durch den Betriebsrat

Wenn der Betriebsrat die Zustimmung zu einer außerordentlichen Kündigung eines Betriebsratsmitglieds verweigert, kann der Ar­beit­ge­ber beim Ar­beits­ge­richt ei­nen An­trag auf Er­set­zung der Zu­stim­mung stel­len (§ 103 Abs. 2 BetrVG). Das Gericht prüft, ob die Kündigungsgründe ausreichend sind und ob der Betriebsrat die Zustimmung zu Unrecht verweigert hat. Ist dies der Fall, ersetzt das Gericht die Zustimmung und die Kündigung wird wirksam.

c) Formale Voraussetzungen der Kündigung

Die Kündigung muss schriftlich innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis des Kündigungsgrundes ausgesprochen werden (§ 626 Abs. 2 BGB). Wird diese Frist versäumt, ist die außerordentliche Kündigung unwirksam, es sei denn, es liegt ein besonderer Grund für die Fristversäumnis vor.

Dabei hat der Arbeitgeber darauf zu achten, dass er innerhalb dieser zweiwöchigen Frist auch die Zustimmung des Betriebsrats einholen muss und dieser, nach der Rechtsprechung gemäß § 102 Abs. 2 BetrVG entsprechend, ebenfalls eine dreitägige Frist hat, um zu reagieren. Verweigert der Betriebsrat daraufhin die Zustimmung oder reagiert nicht, sollte der Antrag auf Ersetzung der Zustimmung innerhalb der zweiwöchigen Kündigungsfrist erfolgen. Der Antrag bei Gericht ist ausreichend zur Fristwahrung.

Merke

Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn die Pflichtverletzung des Betriebsratsmitglieds so gravierend ist, dass die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar ist. 

4. Häufige Fragen zum Sonderkündigungsschutz von Betriebsräten

a) Kann ein Betriebsratsmitglied nach der Amtszeit gekündigt werden?

Ja, jedoch greift der nachwirkende Kündigungsschutz für ein Jahr nach dem Ende der Amtszeit. Innerhalb dieses Zeitraums ist eine ordentliche Kündigung nur unter erschwerten Bedingungen möglich.

b) Was kann der Arbeitgeber tun, wenn der Betriebsrat die Zustimmung zu einer außerordentlichen Kündigung verweigert?

Wenn der Betriebsrat seine Zustimmung verweigert, kann der Arbeitgeber die Ersetzung der Zustimmung durch das Arbeitsgericht beantragen. Das Gericht prüft dann die Rechtmäßigkeit der Verweigerung und die Gründe der Kündigung. Wird festgestellt, dass die Verweigerung unrechtmäßig war, ersetzt das Gericht die Zustimmung und die Kündigung wird wirksam.

c) Wann genießen Ersatzmitglieder den besonderen Kündigungsschutz?

Ersatzmitglieder genießen während ihrer Amtszeit im Betriebsrat und bis zum Ende der Wahlperiode einen besonderen Kündigungsschutz. Auch wenn sie nicht aktiv im Betriebsrat arbeiten, haben sie einen Schutz gegen Kündigungen, der auf die Zeit ihrer möglichen Nachrückpositionen im Betriebsrat abzielt.

d) Steht der Kündigungsschutz für den Betriebsrat auch den Mitgliedern des Wahlvorstands und Wahlbewerbern zu?

Ja, auch die Mitglieder des Wahlvorstands und Wahlbewerber genießen während der Wahlperiode einen besonderen Kündigungsschutz. Dieser Schutz beginnt mit der Einreichung der Kandidatur und endet nach der Wahl, um sicherzustellen, dass die Wahlkandidaten und die Wahlvorstandsmitglieder nicht durch Kündigungen während des Wahlprozesses benachteiligt werden.

5. Rechtsprechung zu Sonderkündigungsschutz von Betriebsräten

  • Die außerordentliche Kündigung eines Betriebsratsmitglieds, der während einer Sitzung einen Kollegen mit dunkler Hautfarbe, im Rahmen einer Auseinandersetzung, mit den Worten “Ugah, Ugah” betitelt, ist wirksam (BAG 23.10.2019 – 2 AZN 824/19, BVerfG 02.11.2020 – 1 BvR 2727/19).
  • Die gerichtliche Entscheidung im Verfahren nach § 103 Abs. 2 BetrVG ersetzt – unabhängig von dem im Kündigungszeitpunkt ausgeübten betriebsverfassungsrechtlichen Amt – die Zustimmung des Betriebsrats im Hinblick auf die vom Arbeitgeber geltend gemachten Kündigungsgründe (BAG 16.11.2017 – 2 AZR 14/17).
  • Verbreitet ein Betriebsratsmitglied gewollt personenbezogene Daten von Arbeitnehmern per E-Mail und fordert darüber hinaus den Adressatenkreis auf, die Weiterverbreitung der verlinkten E-Mail zu veranlassen, ohne dafür einen rechtfertigenden Grund zu haben, ist eine fristlose Kündigung gerechtfertigt (LAG Baden-Württemberg, 25.03.2022 – 7 Sa 63/21).
  • Der für Betriebsräte geltende Sonderkündigungsschutz nach § 15 KSchG gilt uneingeschränkt auch für sog. Massenänderungskündigungen, der Arbeitgeber also alle oder die Mehrzahl der Arbeitnehmer kündigt und ihnen eine Weiterarbeit zu schlechteren Arbeitsbedingungen anbietet (BAG 07.10.2004 – 2 AZR 81/04).
  • Der Sonderkündigungsschutz für eine Betriebsratsvorsitzende sowie Vertrauensperson für Schwerbehinderte gilt auch, wenn diese Arbeitnehmerin im Rahmen einer Matrix-Organisation als Einzige in der Abteilung arbeitet. Die Abteilung in der sie tätig ist, stellt keine Betriebsabteilung im Sinne des § 15 Abs. 5 KSchG dar (LAG Niedersachsen 24.07.2023 – 15 Sa 906/22).

Sie haben ein Betriebsratsmitglied, dem Sie aus wichtigem Grund kündigen möchten  beziehungsweise müssen? Sie sind Teil des Betriebsrats und erwarten eine Kündigung Ihres Arbeitgebers? Melden Sie sich in diesen oder anderweitig mit diesem Themenkomplex zusammenhängenden Fällen gern bei mir. Ich prüfe Ihren Einzelfall und kläre Sie über die Details des Sonderkündigungsschutzes für Betriebsräte auf.

Dr. Daniel Weigert, LL.M. (Lund)
Rechtsanwalt · Fachanwalt für Arbeitsrecht
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