Kündigungsschutzklagen

Haben Sie eine Kündigung erhalten oder rechnen Sie mit einer Kündigung? Wissen Sie nicht, wieso sie gekündigt wurden? Überlegen Sie, gegen Ihre Kündigung vorzugehen? Wollen Sie eine Abfindung verhandeln?

Nachfolgend wird erläutert, was eine Kündigungsschutzklage ist (dazu unter 1.), welche Kündigungsgründe rechtlich anerkannt (dazu unter 2.) und was die Besonderheiten einer außerordentlichen Kündigung sind (dazu unter 3.). Ferner, welche Personengruppen einen Sonderkündigungsschutz genießen (dazu unter 4.). Schließlich werden typische Fragen beantwortet (dazu unter 5.). Informationen zu Abfindungsverhandlungen finden Sie hier.

1. Was ist eine Kündigungsschutzklage?

Mit einer Kündigungsschutzklage kann man klären, ob die Kündigung das Arbeitsverhältnis wirksam aufgelöst hat. Eine Kündigungsschutzklage ist nach § 4 KSchG innerhalb von drei Wochen nach Erhalt der Kündigung zu erheben. Andernfalls gilt die Kündigung nach § 7 KSchG als wirksam. Im Rahmen einer Kündigungsschutzklage entscheidet ein Gericht nicht über eine Abfindung. Diese ist stets das Ergebnis einer Verhandlung. Mit der Kündigungsschutzklage wird ausschließlich geklärt, ob die Kündigung wirksam oder unwirksam ist.

Merke

Eine Kündigungsschutzklage muss binnen 3 Wochen erhoben werden.

2. Wann benötigt der Arbeitgeber einen Kündigungsgrund?

Der Arbeitgeber benötigt einen Kündigungsgrund, wenn der Arbeitnehmer Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz genießt. Das KSchG findet jedoch nur Anwendung auf Betriebe mit mindestens zehn Arbeitnehmern (Vollzeit-Äquivalente) und nur auf Arbeitnehmer, welche mindestens sechs Monate bei dem Betrieb beschäftigt sind. Bei der Berechnung der Arbeitnehmerzahl sind teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer mit nicht mehr als 20 Stunden mit 0,5 und mit nicht mehr als 30 Stunden mit 0,75 zu berücksichtigen. Ist das Kündigungsschutzgesetz anwendbar, kann nur aus personen-, verhaltens- oder betriebsbedingten Gründen wirksam gekündigt werden.

Findet das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung, sind Kündigungen grundsätzlich ohne Grund wirksam. In diesem Fall sind sie nur ausnahmsweise unwirksam, wenn es dafür einen besonderen Grund gibt. Das wäre etwa der Fall, wenn es sich um eine Maßregelung für rechtmäßiges Verhalten handelt (eine Kündigung als „Strafe“ dafür, dass der Arbeitnehmer an einem Streik teilgenommen hat) oder wenn es sich um eine sittenwidrige Kündigung handelt (z.B. eine Kündigung, weil eine Frau Schwangerschaftspläne geäußert hat). Allerdings ist die Kausalität zwischen dem angenommenen Kündigungsgrund und der Kündigung in der Regel für den Arbeitnehmer schwer zu beweisen.

In der Kündigung ist der Kündigungsgrund meist nicht benannt. Ein Arbeitnehmer muss also oft „ins Blaue hinein“ über die Erhebung einer Kündigungsschutzklage entscheiden.

Kündigungsgründe nach dem KSchG

a) Die personenbedingte Kündigung

Eine Kündigung ist personenbedingt, wenn sie aus Gründen in der Person des Arbeitnehmers gerechtfertigt ist. In Abgrenzung zur verhaltensbedingten Kündigung sind das nur Gründe, die der Arbeitnehmer nicht beeinflussen kann. Vereinfacht: Es sind Fälle, in denen der Arbeitnehmer seine Pflichten erfüllen will, aber es nicht kann. Die häufigsten Fallgruppen sind häufige oder längere Fehlzeiten (krankheitsbedingte Kündigungen).

Voraussetzungen der personenbedingten Kündigung:

  1. Betriebsratsanhörung: Für jede Form der Kündigung muss der Betriebsrat zunächst nach § 102 BetrVG angehört werden, falls ein Betriebsrat besteht.
  2. Negative Zukunftsprognose: Es müssen Umstände vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass der Arbeitnehmer seine vertraglichen Pflichten auf absehbare Zeit nicht ordnungsgemäß erfüllen kann.
  3. Betriebliche Interessen: Dem Arbeitgeber müssen dadurch betriebliche (z.B. Betriebsablaufstörungen) oder wirtschaftliche Nachteile (z.B. Entgeltfortzahlungskosten) entstehen.
  4. Ultima-Ratio: Es dürfen keine milderen Mittel bestehen, die die Nachteile für den Arbeitgeber ausschließen, ohne eine Kündigung erforderlich zu machen. In Betracht kommt etwa die Weiterbeschäftigung auf einer anderen Arbeitsstelle. Bei krankheitsbedingten Kündigungen ist grundsätzlich zuvor ein ordnungsgemäßes betriebliches Eingliederungsmanagement (bEM) durchzuführen. Andernfalls geht die Rechtsprechung davon aus, dass es Wege gegeben hätte, die Kündigung zu vermeiden.
  5. Interessenabwägung: Es müssen die Nachteile für den Arbeitgeber die Interessen des Arbeitnehmers am Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses überwiegen. Relevante Faktoren für den Arbeitgeber sind hier beispielsweise betriebliche und wirtschaftliche Interessen, relevante Faktoren auf der Arbeitnehmerseite sind beispielsweise die Vermittlungschancen auf dem Arbeitsmarkt, der Familienstand oder das Alter.

Merke

Nur wenn alle Kriterien verwirklicht sind, ist die personenbedingte Kündigung wirksam.

 

Typische Fallgruppen der personenbedingten Kündigung:

  • Krankheitsbedingte Kündigungen
    • Alkohol- oder Drogenabhängigkeit
  • Entzug von Erlaubnissen (Führerscheinentzug, Arbeitserlaubnis etc.)
  • Eignungsmängel
  • Loyalitätsbedenken (z.B. politische Gesinnung im Tendenzbetrieb)
  • Haft
  • Druckkündigung (Kündigungsverlangen durch Kunden/Kollegen)
  • Tendenzwidrige Gesinnung im Tendenzbetrieb
  • Straftatverdacht („Verdachtskündigung“)
  • Low Performer“ (Eignungsmängel)

Rechtsprechung zur personenbedingten Kündigung:

  • Auch eine Untersuchungshaft von ungewisser Dauer kann eine personenbedingte Kündigung rechtfertige (BAG 23.05.2013 – 2 AZR 120/12).
  • Auch eine stark normabweichende Minderleistung kann eine personenbedingte Kündigung rechtfertigen (BAG 11.12.2003 – 2 AZR 667/02).
  • Straftaten im außerdienstlichen Bereich können eine personenbedingte Kündigung rechtfertigen, wenn sie einen Bezug zum Arbeitsverhältnis haben (BAG 10.4.2014 – 2 AZR 684/13).
  • Im öffentlichen Dienst kann grundsätzlich eine fehlende Verfassungstreue eine personenbedingte Kündigung rechtfertigen (BAG 06.09.2012 – 2 AZR 372/11).
  • Kann und muss ein Arbeitnehmer aus religiösen Gründen seine vertraglichen Pflichten nicht erfüllen, kommt eine personenbedingte Kündigung in Betracht (BAG 24.02.2011 – 2 AZR 636/09).
  • Die Infektion mit dem HIV-Virus an sich ist kein hinreichender Grund für eine personenbedingte Kündigung (BAG 16.2.1989 – 2 AZR 347/88).
  • Die Kündigung wegen Alkoholismus setzt grundsätzlich das vorherige Angebot oder Scheitern einer Suchttherapie voraus (BAG 20.03.2014 – 2 AZR 565/12).
  • Für eine Kündigung wegen Spielsucht gelten grundsätzlich dieselben Maßstäbe wie für eine Kündigung wegen einer Alkoholabhängigkeit (ArbG Bremen 21.07.1998 – 2 Ca 2271/97).
  • Weigern sich große Teile der Belegschaft, zu arbeiten bzw, drohen sie mit Kündigung, wenn ein bestimmter Arbeitnehmer nicht gekündigt wird, dann kann eine sogenannte „Druckkündigung“ wirksam sein (BAG 15.12.2016 – 2 AZR 431/15).
  • Mangelnde Programmierkenntnisse können eine leistungsbedingte Kündigung rechtfertigen (BAG 19.04.2012 – 2 AZR 233/11).

 

b) Die verhaltensbedingte Kündigung

Verhaltensbedingte Kündigungen setzen einen Verstoß gegen die arbeitsvertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten voraus. Der Arbeitnehmer ist nach § 611a BGB zur Erfüllung seiner arbeitsvertraglichen Pflichten verpflichtet. Dazu gehören sowohl Hauptpflichten (die Arbeitsleistung an sich) als auch Nebenpflichten (z.B. das Verbot einer Konkurrenztätigkeit). Vereinfacht: Eine verhaltensbedingte Kündigung kommt in Betracht, wenn ein Arbeitnehmer seine Pflichten erfüllen kann, es aber nicht will.

Voraussetzungen der personenbedingten Kündigung:

  1. Betriebsratsanhörung: Wenn ein Betriebsrat besteht, muss dieser nach § 102 BetrVG angehört werden.
  2. Pflichtverletzung: Der Arbeitnehmer muss gegen eine arbeitsvertragliche Haupt- oder Nebenleistung verstoßen haben, sodass zu befürchten ist, dass sich der Arbeitnehmer auch in Zukunft wieder rechtswidrig verhält.
  3. Ultima-Ratio: Es dürfen auch bei einer verhaltensbedingten Kündigung keine milderen Mittel gegeben sein, um die Wiederholungsgefahr auszuschließen und gleichwohl eine Kündigung zu vermeiden. In Betracht kommt insbesondere die Abmahnung.
  4. Interessenabwägung: Die Interessen an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses seitens des Arbeitgebers müssen das Interesse des Arbeitnehmers an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses überwiegen. Für den Arbeitgeber sind besonders Faktoren wie die Zumutbarkeit der Pflichtverletzung relevant, für den Arbeitnehmer, ähnlich wie bei der personenbedingten Kündigung, Faktoren, wie die Vermittlungschancen auf dem Arbeitsmarkt, der Familienstand oder das Alter.

Merke

Nur wenn alle Kriterien verwirklicht sind, ist die personenbedingte Kündigung wirksam.

 

Typische Fallgruppen der verhaltensbedingten Kündigung:

  • Vermögensdelikte (Diebstahl, Spesenbetrug, Arbeitszeitbetrug)
  • Beleidigungen
  • Weisungswidrigkeiten
  • Arbeitsverweigerung
  • Unentschuldigtes Fehlen
  • Selbstbeurlaubung
  • Störung des Betriebsfriedens
  • Wettbewerbsverstöße
  • Geheimnisbrüche
  • Arbeitsverweigerung
  • Alkohol/Drogen (Achtung: Wenn suchtbedingt, dann personenbedingte Kündigung!)
  • Rassismus
  • Mobbing
  • Sexuelle Belästigung
  • Verbotene Nebentätigkeit / Konkurrenztätigkeit
  • Private Telefon- / Internetnutzung
  • Bestechlichkeit (Schmiergeld)
  • Verstoß gegen Verschwiegenheitspflichten / Verrat von Geschäftsgeheimnissen
  • Whitleblowing (mutwillige Strafanzeigen)
  • Schmähkritik

Rechtsprechung zur verhaltensbedingten Kündigung:

  • Die Abwerbung von Kunden oder Kollegen kann eine verhaltensbedingte Kündigung begründen (BAG 23.10.2014 – 2 AZR 644/13).
  • Außerdienstliches Verhalten kann nur dann eine Kündigung begründen, wenn dadurch die Interessen des Arbeitgebers unmittelbar berührt werden (BAG 10.09.2009 – 2 AZR 257/08).
  • Strafanzeigen gegen den Arbeitgeber können eine Kündigung rechtfertigen, wenn sie aus Sicht des Arbeitnehmers mutwillig sind oder aus sachfremden Erwägungen, etwa Rache, erfolgen (BAG 15.12.2016 – 2 AZR 42/16).
  • Kritik am Arbeitgeber kann eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen, wenn sie nicht mehr sachlich ist, sondern die Schwelle zur Schmähkritik überschreitet (BAG 05.12.2019 – 2 AZR 240/19).
  • Die zu späte Anzeige einer fortdauernden Arbeitsunfähigkeit kann eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen, wenn sie zu Betriebsablaufstörungen führt (BAG 07.05.2020 – 2 AZR 619/19).
  • Eine Strafanzeige gegen den Arbeitgeber rechtfertigt eine verhaltensbedingte Kündigung, wenn die Haltlosigkeit der Anzeige für den Arbeitnehmer erkennbar war (BAG 15.12.2016 – 2 AZR 42/16).
  • Täuscht der Arbeitnehmer die Erfüllung ihm zugewiesener Aufgaben vor, kann das eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen (BAG 09.06.2011 − 2 AZR 284/10).
  • Stellt ein Arbeitnehmer in einem Gerichtsverfahren gegen den Arbeitgeber leichtfertig Behauptungen auf, deren Unhaltbarkeit auf der Hand liegt, kann das eine verhaltensbedingte Kündigung begründen (LAG Rheinland-Pfalz 02.09.2020 – 7 Sa 333/19).

 

c) Die betriebsbedingte Kündigung

Fallen aufgrund einer unternehmerischen Entscheidung Beschäftigungsmöglichkeiten weg, so kommen betriebsbedingte Kündigungen in Betracht. Anlässe für betriebsbedingte Kündigungen können innerbetriebliche Gründe (Restrukturierungen, Digitalisierungsmaßnahmen o.ä.) oder außerbetriebliche Gründe (Auftragsrückgang etc.) sein.

Voraussetzungen der betriebsbedingten Kündigung:

  1. Betriebsratsanhörung: Wenn ein Betriebsrat besteht, muss dieser nach § 102 BetrVG angehört werden.
  2. Unternehmerische Entscheidung: Es muss eine Entscheidung getroffen werden, auf deren Grundlage Beschäftigungsmöglichkeiten entfallen.
  3. Interessenausgleich/Sozialplan: Falls die Kündigung im Rahmen einer Betriebsänderung erfolgt, muss zuvor mit dem Betriebsrat über einen Interessenausgleich und Sozialplan verhandelt werden (§§ 111 ff. BetrVG)
  4. Ultima-ratio-Prinzip: Auch eine betriebsbedingte Kündigung darf nur als letztes Mittel erfolgen. Die Arbeitsstelle muss daher auf Dauer wegfallen und es darf keine andere Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für den betroffenen Arbeitnehmer bestehen.
  5. Sozialauswahl: Vor einer betriebsbedingten Kündigung muss eine ordnungsgemäße Sozialauswahl durchgeführt worden sein. Bei einer Sozialauswahl hat der Arbeitgeber unter den vergleichbaren Arbeitnehmern den sozial am wenigsten schutzwürdigen insbesondere nach den Kriterien Dauer der Betriebszugehörigkeit, Alter, Unterhaltspflichten und ggf. Schwerbehinderung auszuwählen.
  6. Interessenabwägung: Letztlich müssen die Interessen des Arbeitgebers an einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses das Interesse des Arbeitnehmers an einer Weiterbeschäftigung überwiegen.

Merke

Nur wenn alle Kriterien verwirklicht sind, ist die betriebsbedingte Kündigung wirksam.

 

Typische Fallgruppen der betriebsbedingte Kündigung:

  • Arbeitsmangel
  • Auftrags- bzw. Umsatzrückgang
  • Betriebsänderung bzw. Betriebseinschränkung (Restrukturierung)
  • Betriebsübergang (§ 613a BGB)
  • Betriebsstilllegung
  • Insolvenz
  • Leistungsverdichtung
  • Outsourcing
  • Produktionsverlagerung ins Ausland
  • Rationalisierungsmaßnahmen
  • Rentabilitätssteigerungen
  • Streichen einer Hierarchieebene

 

Rechtsprechung zur betriebsbedingten Kündigung:

  • Es ist voll gerichtlich überprüfbar, ob die unternehmerische Entscheidung, die vermeintlich zum Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit geführt hat, vor Ausspruch der Kündigung getroffen worden ist (BAG 13.06.2002 – 2 AZR 589/01).
  • Aufgrund der unternehmerischen Entscheidung muss im Zeitpunkt der Kündigung die Prognose getroffen werden können, dass die Beschäftigungsmöglichkeit spätestens zum Ende der jeweiligen Kündigungsfrist entfällt (BAG 27.01.2011 – 2 AZR 9/10).
  • Die unternehmerische Entscheidung ist nicht auf ihre wirtschaftliche Zweckmäßigkeit geprüft. Es wird ausschließlich geprüft, ob sie offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist (BAG 22.10.2015 – 2 AZR 582/14).
  • Die Entscheidung zur Kündigung an sich ist keine unternehmerische Entscheidung. Wenn sich die unternehmerische Entscheidung praktisch nur auf ein Arbeitsverhältnis auswirkt, können sich Abgrenzungsschwierigkeiten ergeben (LAG Schleswig-Holstein 31.01.2017 – 1 Sa 177/16).
  • Kündigungen, die nur sicherheitshalber ausgesprochen werden für den Fall, dass ein Beschäftigungsbedarf wegfällt (Vorratskündigungen) sind unzulässig (BAG 13.02.2008 – 2 AZR 75/06).
  • Kurzarbeit spricht gegen einen Wegfall von Beschäftigungsmöglichkeiten (BAG 23.02.2012 – 2 AZR 548/10).
  • Es fehlt noch an einer Entscheidung über den Beschluss zur Stilllegung des Betriebs, wenn der Arbeitgeber im Zeitpunkt der Kündigung noch Verhandlungen über eine Veräußerung des Betriebs oder die Erlangung neuer Aufträge führt (BAG 21.05.2015 – 8 AZR 618/13).
  • Bei einer Kündigung zur Leistungsverdichtung sind konkrete Angaben dazu zu machen, wie sich die Verringerung der Produktion auf die Arbeitsmenge auswirkt und in welchem Umfang dadurch ein konkreter Arbeitskräfteüberhang entsteht (BAG 23.02.2012 – 2 AZR 548/10).
  • Auch die Entscheidung, Tätigkeiten auf freie Dienstleister outzusourcen, kann betriebsbedingte Kündigungen rechtfertigen (BAG 16.12.2004 – 2 AZR 66/04).

 

3. Die außerordentliche Kündigung (§ 626 BGB)

Die außerordentliche, fristlose Kündigung hat in Ergänzung zu den voranstehenden Voraussetzungen von Kündigungen im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes zwei zusätzliche Voraussetzungen:

Dem Arbeitgeber darf auch die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zumutbar sein. Außerdem dürfen von der Kenntnisnahme des Kündigungsgrundes bis zum Ausspruch der Kündigung maximal zwei Wochen vergehen (§ 626 Abs. 2 BGB).

Insbesondere am Ablauf der Zwei-Wochen-Frist scheitern außerordentliche Kündigungen für Arbeitgeber häufig. Bedenkt man, dass innerhalb dieser zwei Wochen gegebenenfalls auch der Betriebsrat anzuhören ist, ist die Zeit knapp. Oftmals wird etwa eine andere Frage höherpriorisiert, ein Mitentscheider ist im Urlaub und schneller, als man denkt, ist es zu spät. Gehemmt wird die Frist nur, solange der Arbeitgeber unverzüglich Nachforschungen anstellt, um den Sachverhalt aufzuklären (etwa die Anhörung des Arbeitnehmers). Als „unverzüglich“ gilt grundsätzlich ein Zeitraum von maximal einer Woche. Auch wenn dies streng erscheint, ist die Zwei-Wochen-Frist durchaus sinnvoll: Wenn ein Arbeitgeber nach einem Vorfall zwei Wochen lang untätig bleibt, erscheint es danach nicht mehr glaubwürdig, dass eine Weiterbeschäftigung bis zum Ende der Kündigungsfrist nicht mehr zumutbar ist. Wäre das der Fall, hätte er sofort reagiert.

In der Regel wird bei verhaltensbedingten Kündigungen auch eine fristlose Kündigung angedacht, sofern die Schwere des Vorwurfs ausreicht.

Typischerweise sind außerordentliche, fristlose Kündigungen berechtigt bei besonders schwerwiegenden Pflichtverletzungen. Beispiele aus der Rechtsprechung sind etwa:

  • Klebt eine Grundschullehrerin Tesafilm auf den Mund eines Schülers, ist das ein so schwerwiegender Verstoß gegen ihren Erziehungsauftrag, dass eine außerordentliche, fristlose Kündigung gerechtfertigt ist (BAG 19.04.2012 – 2 AZR 156/11).
  • Verschickt ein Soldat über ein betriebliches Nachrichtensystem Judenwitze, Ausländerwitze und sexistische Frauenwitze von eklatant die Menschenwürde verachtendem Charakter, rechtfertigt das eine fristlose Kündigung (LAG Köln 10.8.1999 – 13 Sa 220/99).
  • Die Äußerung „Ugah, Ugah!““ gegenüber einem Mitarbeiter mit dunkler Hautfarbe kann eine fristlose Kündigung rechtfertigen (LAG Köln 06.06.2019 – 4 Sa 18/19).
  • Die Drohung mit einem Amoklauf rechtfertigt eine außerordentliche, fristlose Kündigung (BAG 29.06.2017 – 2 AZR 47/16).
  • Die Rückgabe eines verschmutzten Dienstwagens rechtfertigt keine außerordentliche, fristlose Kündigung (LAG Köln 07.08.2020 – 4 Sa 122/20).
  • Löscht ein Arbeitnehmer im Anschluss an ein Personalgespräch, in dem der Arbeitgeber mitteilt, sich trennen zu wollen, 7 Gigabyte an Daten, rechtfertigt das eine fristlose Kündigung (LAG Baden-Württemberg 17.09.2020 – 17 Sa 8/20).
  • Die Frage nach der Echtheit der Oberweite in Verbindung mit einem anschließenden unerwünschten Berühren der Brust rechtfertigt eine außerordentliche, fristlose Kündigung (LAG Niedersachsen vom 06.12.2013 – 6 Sa 391/13).
  • Eine beharrliche Arbeitsverweigerung, die eine fristlose Kündigung rechtfertigt, kann auch darin liegen, dass der Arbeitnehmer sich zu Unrecht auf ein Leistungsverweigerungsrecht nach § 275 Abs. 3 BGB beruft (BAG 22.10.2015 – 2 AZR 569/14).
  • Es ist zwar eine Pflichtverletzung, wenn ein Arbeitnehmer seine erkrankten Kinder mit zur Arbeit bringt. Diese rechtfertigt aber keine fristlose Kündigung (ArbG Siegburg 04.09.2019 – 3 Ca 642/19).
  • Auch Vermögensdelikte von geringfügigem Ausmaß können eine fristlose Kündigung rechtfertigen, es sei denn, der Mitarbeiter hat über lange Jahre ein hinreichendes Vertrauenskapital angesammelt (BAG 10.06.2010 – 2 AZR 541/09, „Emmely“)
  • Eine Selbstbeurlaubung stellt auch dann einen Grund zur außerordentlichen, fristlosen Kündigung dar, wenn sie kurz vor dem Ende des Übertragungszeitraums erfolgte (LAG Baden-Württemberg 01.10.2020 – 17 Sa 1/20).
  • Ein bewusst und gewollt geschäftsschädigendes Verhalten (Rufschädigung bei Geschäftspartnern) ist an sich ein außerordentlicher, fristloser Kündigungsgrund (LAG Köln 11.09.2012 – 11 Sa 1418/11).
  • Droht der (gesunde) Arbeitnehmer dem Arbeitgeber mit einer Arbeitsunfähigkeit, liegt darin an sich ein Grund zur außerordentlichen, fristlosen Kündigung. Das gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer daraufhin – zufällig – tatsächlich krank wird (LAG Rheinland-Pfalz 21.07.2020 – 8 Sa 430/19).
  • Lässt sich die Pflegekraft in einem Altersheim von einem Bewohner ein zinsloses Darlehen gewähren, ist das Vertrauen des Arbeitgebers zerstört und an sich eine fristlose Kündigung gerechtfertigt (LAG Hamm vom 20.12.2018 – 18 Sa 941/18).
  • Zahlreiche, nicht erlaubte Privattelefonate während der Arbeitszeit rechtfertigen eine außerordentliche, fristlose Kündigung, wenn es sich um so viele Telefonate handelt, dass keine vertragsgemäße Arbeitsleistung erbracht worden sein kann (LAG Köln 07.02.2020 – 4 Sa 329/19)
  • Eine Kündigung aus wichtigem Grund wegen eines sexuellen Übergriffs ist gerechtfertigt, wenn nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme feststeht, dass ein männlicher Arbeitnehmer eine Kollegin mit einer Hand erst in ihren Schritt gefasst hat, sich dann selber in den Schritt fasst und anschließend „Oh, da tut sich ja was“ ausruft (LAG Köln 19.06.2020 – 4 Sa 644/19)

 

4. Welche Arbeitnehmer haben einen Sonderkündigungsschutz?

Typische Sonderkündigungsschutztatbestände sind folgende:

  • Betriebsratsmitglieder (§ 15 Abs. 1 KSchG) können wirksam nur aus wichtigem Grund (§ 626 BGB), also nicht ordentlich gekündigt werden. Außerdem bedarf es der Zustimmung des Betriebsrats (§ 103 BetrVG).
  • Schwangere genießen nach § 17 I Nr. 1 MuSchG einen Sonderkündigungsschutz.
  • Personen in Elternzeit (§ 18 BEEG) dürfen nur ausnahmsweise nach Zustimmung der nach dem jeweiligen Landesrechts zuständigen Behörde gekündigt werden
  • Für Schwerbehinderte ist nach § 168 SGB IX die vorherige Zustimmung des Integrationsamtes erforderlich.
  • Tarifliche Unkündbarkeit: Teilweise wird in Tarifverträgen die ordentliche Kündigung für langjährig Beschäftigte, ältere Mitarbeiter ausgeschlossen.
  • Auszubildende (§ 22 BBiG)
  • Befristet Beschäftigte (§ 15 Abs. 3 TzBfG)
  • Schwerbehindertenvertreter (§ 179 Abs. 3 SGB IX)
  • Pflegezeit (§ 5 PflegeZG)
  • Datenschutzbeauftragter (§ 4f Abs. 3 BDSG).

Genaueres zu Sonderkündigungsschutztatbeständen finden Sie hier.

5. Häufige Fragen zum Thema Kündigung und Kündigungsschutzklage

a) Mein Arbeitsverhältnis wurde gekündigt, was soll ich tun?

Das erste, was Sie tun sollten, ist:

  • Prüfen Sie, ob die Kündigung von einer kündigungsberechtigten Person unterschrieben worden ist (§ 174 BGB). Falls das nicht der Fall ist, weisen Sie die Kündigung zurück.
  • Melden Sie sich binnen drei Tagen bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend.
  • Lassen Sie sich rechtzeitig anwaltlich beraten, um innerhalb der Klagefrist (3 Wochen) entscheiden zu können, ob eine Kündigungsschutzklage erhoben werden soll.

b) Wird in einer Kündigungsschutzklage über eine Abfindung entschieden?

Nein. Mit einer Kündigungsschutzklage wird ausschließlich die Wirksamkeit oder Unwirksamkeit der Kündigung festgestellt. Oft enden Kündigungsschutzklagen mit einem Vergleich, also etwa der Einigung auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung. Das ist aber eine reine Verhandlungsfrage.

c) Wie stehen meine Erfolgsaussichten vor Gericht?

Arbeiten Sie in einem Betrieb mit mehr als zehn Mitarbeitern und beträgt ihre Beschäftigungszeit bereits mehr als sechs Monate, so findet das Kündigungsschutzgesetz Anwendung. Demnach sind Kündigungen nur unter strengen Voraussetzungen wirksam. Die Erfolgsaussicht lässt sich jedoch nicht generalisieren, da diese vom Einzelfall abhängig ist.

d) Wie läuft eine Kündigungsschutzklage ab?

Zunächst erfolgt die anwaltliche Erstberatung. Sollten Sie gegen die Kündigung vorgehen wollen, so verfasse ich eine Klageschrift und erhebe anschließend in Rücksprache mit Ihnen eine Kündigungsschutzklage. Daraufhin wird vom Gericht ein Gütetermin anberaumt. Dieser wird in der Regel in etwa einen Monat nach Klageerhebung durchgeführt.

Häufig einigen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Gütetermin auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung. Kommt es beim Gütetermin zu keiner Einigung zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer, so wird ein Kammertermin anberaumt. Bis dahin haben beide Seiten die Möglichkeit, ihre Argumentation in Schriftsätzen vorzutragen. Ein Arbeitgeber muss also erstmals im Anschluss an den Gütetermin die Hintergründe der Kündigung schriftlich preisgeben. Erst dann kann ein Arbeitnehmer konkret und präzise die Erfolgsaussichten prüfen lassen. Der Kammertermin findet in der Regel einige Monate nach dem Gütetermin statt. Meist liegt in etwa ein halbes Jahr zwischen der Kündigung und ggf. dem (erstinstanzlichen) Urteil.

Kommt es auch beim Kammertermin zu keiner Einigung, so stellt das Arbeitsgericht die Wirksamkeit oder Unwirksamkeit der Kündigung fest. Wird die Kündigung als unwirksam festgestellt, so besteht das Arbeitsverhältnis fort.

e) Welche Frist ist bei der Kündigungsschutzklage zu berücksichtigen?

Eine Kündigungsschutzklage muss innerhalb von drei Wochen nach Erhalt der Kündigung erhoben werden. Ansonsten gilt die Kündigung nach § 7 KSchG als wirksam.

f) Kann ich eine Abfindung erzwingen?

Ein Anspruch auf eine Abfindung besteht grundsätzlich nicht. Eine Ausnahme gilt, wenn es einen Sozialplan gibt (vgl. dazu meine Erläuterung zum Thema „Abfindung nach Sozialplan“). Häufig einigt man sich jedoch auf eine Abfindung.

g) Wie hoch ist die Abfindung bei einer Kündigungsschutzklage?

Die Höhe der Abfindung ist nicht festgelegt und hängt von zahlreichen Faktoren ab, die die Verhandlung prägen. Lesen Sie dazu meinen Artikel „Wovon hängt die Höhe der Abfindung ab?“.

h) Haben Sie weitere Fragen?

Bei weiteren Fragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.

 

Ich prüfe gern die Erfolgsaussichten einer Kündigungsschutzklage für Sie. 

Ihr Unternehmen wurde in einem Kündigungsschutzverfahren verklagt? Gerne vertrete ich Sie in diesem Verfahren und helfe bei einer möglichst einfachen und kostengünstigen Regelung.

Dr. Daniel Weigert, LL.M. (Lund)
Rechtsanwalt · Fachanwalt für Arbeitsrecht
Data Protection Risk Manager

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